Okuli / 3. Fastensonntag (03.03.24)

Okuli / 3. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Petr 1,(13-17)18-21 Ex 20, 1-17 1 Kor 1, 22-25 Joh 2, 13-25

 

Eine gute Kommunikation, Verhandlungen, Wahrhaftigkeit und Zivilcourage sind ein Grundbaustein der Nachhaltigkeit in allen Bereichen. Die vier Perikopen erzĂ€hlen jeweils aus einer Krise heraus (Verlust des Tempels bei Johannes, WĂŒste in Exodus, Leben in Minderheit und Ausgrenzung im Petrus- und Paulusbrief). Sie laden dazu ein, sich dennoch immer wieder ganz persönlich einzuschalten, auch wenn es nicht passt. In einem Land mit relativem Wohlstand und erlahmenden Verwaltungen aber gilt es, rechtzeitig FĂŒrsorge zu ĂŒbernehmen und zu sagen: Hallo, ich bin da!“
Parallel zu diesem roten Leitfaden gibt es noch einige Hinweise, damit unsere jĂŒdischen Quellen möglichen Antisemitismus nicht bedienen. Unten  folgen detailliert weitere NachhaltigkeitsbezĂŒge.

Ex 20,1-17 UND GOTT  REDETE  / ALLE DIESE WORTE / UND SPRACH / ICH / JHWH / DEIN GOTT /

                 ICH WAR ES / DER DICH / AUS ÄGYPTEN / DEM SKLAVENHAUS / HERAUSGEFÜHRT HAT.

Es lohnt sich, in in diesen zentralen biblischen Versen das eigentliche Geschehen dahinter und die lebendige Kommunikation zu entdecken!

Gott tritt auf! Er redet! Aus freien StĂŒcken stellt er sich direkt seinem Volk vor und macht sich bekannt. Hallo „ich bin 
“, und wie es ein netter  regelkonformer Mensch tut, nennt er zuerst seinen eigenen vollstĂ€ndigen NAMEN. Ist es nicht schön, wenn jemand zu mir tritt und sich plötzlich und unerwartet mit einer Ich-Botschaft ganz persönlich vorstellt? Damit offenbart er sich und sein Wesen. Mein Name ist „JHWH“! Das ist der kurze hebrĂ€ische Schriftzug, der meint: Ich bin das, was ist, was tatsĂ€chlich und wirklich ist, das eigentliche Leben. Und ich bin stets bei dir, fĂŒr dich da, ich bin dein Angebot, die Zusage, auf die du dich bei allem, was du tust und tun wirst, verlassen kannst. Glaube mir! Ich stelle mir vor, er oder sie wirkt freundlich und sehr ernsthaft zugleich und jetzt ist meine Gelegenheit, hinzuschauen, aufmerksam zu werden. Entziehen kann ich mich nicht – warum auch? Ich bin ĂŒberrascht – da ist jemand, der von mir etwas will.Er spricht weiter: DEIN Gott. Ja, ich bin es gewesen, der dich aus Ägypten herausgefĂŒhrt hat, aus der Sklaverei, aus der Last und Entfremdung. Erinnere dich! Dieser Gott war also bereits fĂŒr sein Volk proaktiv gewesen. Er erinnert mich und uns an seine Wirkmacht, das Zeichen der Befreiung. JHWH spricht weiter, erfrischend und ehrlich, als er seine Eigenart beschreibt, seine StĂ€rke und SchwĂ€che: Ich bin eifrig, ich eifere um das Leben, ich bin ehrgeizig vernarrt in das Leben und will, dass auch du lebst. Jetzt aber folgt ein klares „Nicht“. Damit setzt er Grenzen! Er zeigt FĂŒrsorge und Verantwortung fĂŒr das Leben, zeigt Gefahren an: Ich habe Sorge und sehe, in welche Schwierigkeiten du gerĂ€tst. Ich möchte nicht, dass du deine Lebensgrundlagen verlierst, deine Lebenskraft und Freude. Ich werbe um dich, bitte, es sollen keine anderen Götter vor meinem Angesicht sein. Mache dir keine Abbilder von gar nichts, was es gibt, nichts sei zwischen dir und mir, das meinen Gesichtskreis (Angesicht) verstellt, was die Unmittelbarkeit stört zwischen dir und mir. Vor nichts sollst du dich niederwerfen, denn ich will, dass du lebst. Und es folgen noch sechs Lebensweisheiten aus dem uns bekannten Dekalog, die alle mit demselben „Nicht“ beginnen: Missbrauche nicht den Namen Gottes, sage nicht falsch aus, töte nicht, stehle nicht, giere nicht, zerstöre eine Ehe nicht. (Ehre deine Eltern und den Sabbat zu ehren sind 2 Positivregeln.)

Oft genug haben die Gebote unangemessene Ängste eingejagt, sie wurden nicht im Sinne des Lebens in FĂŒlle, sondern geistlich missbrĂ€uchlich verwendet, zumindest oft genug wurden sie nicht verstanden und in Folge ignoriert, entwertet, vergessen. Abschließend aber ist zu sagen, dass es stets eine wichtige Aufgabe bleibt, sich so klar und eifrig im Alltag zu positionieren und zu sprechen, wie JHWH es in FĂŒrsorge getan hat.

Johannes 2,13-25:

Eine spannende Begegnung ereignet sich vergleichbar auch bei Joh. Wie in Ex geschieht ein Wort. In Jesus zeigt sich dieselbe Entschiedenheit, der göttlichen Eifer (V. 17). Im Unterschied zu der vertraulichen, zugeneigten Kommunikation JHWHs lĂ€sst sich Jesus aber keine Zeit fĂŒr Form und Stil. Jesus wirbt und redet nicht lange, er handelt sofort eindeutig und demonstrativ, und das auch noch in der breiten Öffentlichkeit des Tempelbetriebs. WirkmĂ€chtig prĂ€gt er seinen Namen (V.23). Da das freundliche miteinander Sprechen wohl keinen Sinn mehr hatte, ereignet sich das „Wort“ als Tat! FĂŒr den Evangelisten ist Jesus selbst das fleischgewordenen „Wort“. Es geht ihm um das Allerheiligste, das „Haus seines Vaters“. Er befreit es (// Sklavenhaus Ägypten“, „Haus Gottes“, „hausen“, „Kaufhaus“, „Finanzhaus“) durch ein „Zeichen“ (// Ex 20,2; 1 Kor 1,22), sowohl symbolisch als auch real fĂŒr einen Tag, aus der Herrschaft des damaligen Finanzsystems. Er befreit damit auch die Menschen von Schulden und Last.

Nachhaltigkeit: Um gegen tief sitzenden Antjudaismus und Antisemitismus aufzuklĂ€ren, ist es in der Liturgie rund um den Karfreitag wichtig, die jĂŒdischen Quellen des Christentums aufzuzeigen. Johannes schreibt, nachdem die Römer im jĂŒdischen Krieg den Tempel bereits Schutt und Asche gelegt hatten fĂŒr Juden, die an Christus glaubten, in der Diaspora. Zu ihnen waren in den ersten Jahrzehnten auch nichtjĂŒdische Menschen dazugestoßen, unter ihnen viele aus Ă€rmeren Schichten, Frauen und Sklaven. Der Terminus „Die Juden“ steht im Johannesevangelium fĂŒr die Vertreter der zentralen AutoritĂ€t des Tempelbezirks von Jerusalem und meint nicht den einzelnen Juden, die einzelne JĂŒdin, denn er selbst war es ja auch. Er meinte auch nicht das Volk Israel. Der jĂŒdische Tempel mit seinen Erinnerungsfesten wird auch als solcher im Evangelium nicht abgelehnt, im Gegenteil kĂ€mpft Jesus um seine Reinigung. (s. J. Beutler, Das Johannesevangelium, 2013)

Wenn nun Jesus stört und auch dann auch noch sagt: „Zerstört diesen Tempel!“, dann ist folgendes bedeutsam: Nicht er ist der Schuldige. Jesus weist denen, die ihm nicht glauben und vertrauen, die Rolle des Zerstörens selbst zu! Nicht er destruiert und zerstört eigentlich Schönes. Im Gegenteil, er gibt dem Tempel neuen, positiven Sinn. Die Zerstörung wird zur Chance, zur Befreiung aus dem Götzendienst, eine Neugeburt seiner eigentlichen Wirklichkeit (// Ex), dem inneren Wesen des Tempels. Es zeigt sich Gottes Wirklichkeit (//Gottesvorstellung in Ex). Aus dem Nichts, aus der gefĂŒhlten inneren Heimatlosigkeit der Menschen wird ein neuer, lebendiger Tempel im Menschen selbst erstehen: Jesus wird als das Haus Gottes unter den Menschen auferstehen.
Wieder erkennt man, wie eng das Evangelium mit der jĂŒdischen Thora verbunden ist. Heilige Orte und Bauten, Kirchen, Moscheen, heilige Berge, Tempel, Ämter oder KultgegenstĂ€nde bergen die Gefahr, dass sie sich verselbstĂ€ndigen und zum Abbild werden. Da sich der wirtschaftliche Profit in der Regel an schließt, sind wirklich glĂ€ubige, insbesondere Ă€rmere Menschen nicht nur zu Ausgaben gezwungen, sondern sie unterliegen dem geistlich-spirituellen Missbrauch („Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen“ Ex 20,5). Damit verlieren sie ihre persönliche geistliche Beheimatung, die sie fĂŒr ihren Alltag brauchen. Jesus hat in seiner ganzen menschlichen Verletzlichkeit so authentisch gelebt, dass er dies wahrnahm und die Verletzungen des Dekalogs nicht aushalten konnte. Durch seine Weisheit gefestigt (vgl. „Haus der Weisheit“/ Spr 22,8 / Paulus), pflegte und feierte er die lebendige Anwesenheit Gottes in seinem inneren Haus. So blieb er frei genug und fĂ€hig, sowohl zu lassen als auch zu handeln. Er lĂ€dt dazu ein, es auch selbst zu tun.

Weitere BezĂŒge zur Nachhaltigkeit:

Johannes: Die freie ReligionsausĂŒbung bedeutet Bewahrung ihrer Quellen und heiligen Orte, auch bei Besatzung und im Krieg und nicht ihre bewusste oder fahrlĂ€ssige Zerstörung.

- Eine gute Kommunikation auf persönlicher und auf strukturellen Ebenen ist die Voraussetzung fĂŒr Verantwortlichkeit, Mitbestimmung und Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden. Das JohEv zeugt zweifach von abgebrochenem Dialog schon vor der Aktion Jesu: „Jesus vertraute ihnen nicht, denn er kannte sie alle.“ Außerdem offenbart sich die Tempel Aristokratie als System mit undurchschaubar starker Dominanz. Im neuen Europa der Vielfalt sollte Transparenz der Verwaltung und Demokratie auf allen Ebenen Voraussetzung fĂŒr Gerechtigkeit und Frieden sein.

- Recht auf Dialog und Demonstrationsfreiheit: Die Tempelreinigung war eine prophetische Zeichenhandlung und zugleich eine klassische „Gewaltfreie Aktion“. Es gab auch keine Personen oder SachschĂ€den, das Geld blieb dem Besitzer. Die „Gewaltfreie Aktion“ ist nach Hildegard` Goss-Mayr, in Anlehnung an Ghandi, King und Bergpredigt,nur eine der Stufen des Dialogs fĂŒr die konstruktive Überwindung von Unrecht (H. Goss-Mayr, Der Mensch vor dem Unrecht). Erst nach dem Scheitern des Dialogs auf persönlichen Ebenen und Vier-Augen-GesprĂ€chen wird in der 2. Stufe er in die Öffentlichkeit verlegt, mit dem Ziel, die gegnerische Seite fĂŒr gemeinsame Lösungen zu gewinnen. Bei Johannes ist offensichtlich, dass diese 2. Stufe anstand.  Eine Antwort - ohne zuvor von Jesus gestellte Frage!) - kommt tatsĂ€chlich ( V.18), doch sie geht nicht auf das Anliegen ein, sondern stellt im Gegenteil sogar Jesu Vollmacht in Frage und fragt nach einem Zeichen.

Bewahrung der Schöpfung / Wirtschaft: Weil die ReligionsausĂŒbung auch in die HĂ€nde des Wirtschaftens gelangt sind, spĂŒren dies nicht nur die Geldbeutel der Menschen, sondern auch die Tiere (Tierwohl). FahrlĂ€ssig werden sie dem Eigennutz preisgegeben. Sie haben nicht nur in unserer Religion als Geschöpfe Gottes ihren eigenen Wert, sondern auch jenseits der Religionen ein autonomes Recht, insbesondere auf artgerechte Haltung und gegebenenfalls Schlachtung.
Dialog der Religionen: Wie Jesus reinigte auch der Prophet Mohammed die Kaaba vom Götzenkult, mit dessen Praxis der Stamm der Kuraish in Mekka als Handelsmetropole viel Geld erwirtschaften konnte. Die von ihm gegrĂŒndete neue Gemeinschaft der Umma galt 1000 Jahre lang ein sehr bewĂ€hrtes Sozialsystem.
Rassismus und Diskriminierung: zum Antisemitismus und Antijudaismus siehe oben.

Exodus 20 bildet eine stabile Grundlage fĂŒr Toleranz und Demokratie und auf das Recht zur freien ReligionsausĂŒbung. Es bezeugt gerade nicht nur die eine, intolerante Gottesvorstellung, denn hier bietet Gott die Wahl an, die dann allerdings in innerer Logik monolateral sein muss! Gottes gewĂ€hlten Worte sind respektvoll, sie bieten Erinnerungsarbeit und Schutzzusagen an. Seine Gebote beinhalten Weisheiten, die auch andere Religionen und Völker teilen. Ex 20,11 Das Sabbatgebot schĂŒtzt Menschen (auch Leiharbeits- krĂ€fte), Muttererde, Tiere und Pflanzen vor Ausbeutung und geistlicher Austrocknung. Ex 20,12. 5f Generationengerechtigkeit: Grund fĂŒr das Elterngebot scheint (auch) die lĂ€ngere Ergiebigkeit der „Ackererde“ (adama) zu sein. Schon in V.5 wird den VĂ€tern in Lebensstilfragen die Verantwortung fĂŒr FolgeschĂ€den bis in die vierte Generation aufgezeigt.

1 Petr 1,18-22 spricht ebenfalls vom schlechten Wandel der vorausgegangenen VÀter und verweist auf die damalige Praxis des Vater Unser Gebets. (Mit Vers 23 fÀnde man den kosmischen Christus: Schöpfung.)
1 Kor 22-25 Minderheitenschutz, Ausgrenzung, Mobbing, Rassismus, Handykaps:
In den Ruf, töricht, dumm oder schwach zu sein geraten meist Menschen oder Lebewesen, die fremd erscheinen. Oft zeigt sich das Gegenteil: Sie weiten im respektvollen Umgang die Erfahrungswelt. Paulus und auch Petrus wurden gedemĂŒtigt und getötet. In der Auferstehung zeigt sich die aber die göttliche Wirklichkeit (Ex 20,2): Das Schwache und Törichte wird als weise und stark ausgewĂ€hlt.

Bernadette Ackva, Bistum Limburg

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