Okuli / 3. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Eph 5,1-2(3-7)8-9 | Ex 20, 1-17 | 1 Kor 1, 22-25 | Joh 2, 13-25 |
Es muss eine ungeheure Provokation gewesen sein, was Jesus im Tempel zu Jerusalem tat. In der Passionsgeschichte wird erzĂ€hlt, wie Jesus ausrastet. Kurz nach seinem Einzug in Jerusalem sei er zum Tempel gegangen und habe angefangen zu randalieren. Ohne RĂŒcksicht auf Verluste habe er die Tische der HĂ€ndler umgestossen, das Geld der Wechsler verschĂŒttet und die Kaufleute und HĂ€ndler aus dem Tempelbezirk hinausgejagt. Als RĂ€uberhöhle habe er die heiligen Tempelhallen bezeichnet und seine Razzia mit den Schriftworten begrĂŒndet: «Mein Haus soll ein Haus des Gebetes fĂŒr alle Völker sein.»
Die Szene von der Tempelreinigung hatte offensichtlich ein solches Aufsehen erregt, dass sie bei allen vier Evangelisten vorkommt und auch die Bildkunst nachhaltig beschÀftigt hat. Das um 1600 gemalte Bild «Tempelreinigung» des spanischen Malers El Greco zeigt, wie ein fuchsteufelswilder Jesus die HÀndler und Wechsler mit einer aus Stricken verfertigten Geissel aus dem Tempel vertreibt. Die Angst steht den Leuten ins Gesicht geschrieben, die sich unter den angedeuteten SchlÀgen ducken.
Die SĂ€uberungsaktion des Mannes aus GalilĂ€a verstört. Der wutentbrannte Jesus der Tempelszene und der sanftmĂŒtige Jesus der Bergpredigt, der Randalierer und der stumm leidende Gefolterte, der lautstarke Konflikt im Tempelbezirk und die lammfromme Krippenidylle scheinen auf den ersten Blick nicht so recht zueinander passen. Indessen steht Jesus mit seinem heiligen Zorn ganz in der biblischen Tradition der Propheten: Von Jesaja bis Malechai haben sie alle die Schein-Heiligkeiten dieser Welt angeprangert. Vom heiligen Zorn ergriffen war auch Moses, als er den Tanz um das goldene Kalb sah, oder Elija, als er den Kampf mit dem Götzen Baal und seinen Propheten aufnahm.
Die Tempelreinigung richtet sich denn nur vorderhand gegen ein paar kleine HĂ€ndler, KrĂ€mer und Geldwechsler, die ihren GeschĂ€ften nachkamen. Das Bild, das sich Jesu bot, war fĂŒr keinen Juden besonders anstössig. Es ging dort, in einem kleinen Teilbereich des Tempels, genauso zu und her wie an unseren Wallfahrtsorten.
Und ebenso wie den Propheten ging es auch Jesus nicht um eine vordergrĂŒndige, sondern um eine nachhaltige Reinigung, nĂ€mlich um die Reinigung des eigenen, inneren Tempels. Wie die Propheten wusste auch Jesus darum, dass auf MissstĂ€nde einfach Draufschlagen zu billig ist und die Ursachen tiefer liegen: Jesu Forderung nach radikaler Umkehr hiess, bei sich selber anzufangen, auf dass die Welt verĂ€ndert wĂŒrde. Oder, um mit den Worten von Meister Eckhart, des Dominikaners aus dem 14. Jahrhundert, zu sprechen: "Der Tempel, den Jesus reinigt, das ist unser Herz. Dort gibt es alles: die Angst und die Antwort darauf."
Eine grĂŒndliche Reinigung bedingt, die verborgensten Winkel des eigenen Hauses auszuleuchten und genau hinzuschauen, was sich dort an Unrat von Schein-Heiligkeiten und SelbstĂŒberschĂ€tzungen verbirgt. Eine "nachhaltige Reinigung", mit der die Welt verĂ€ndert werden soll, muss zuerst beim "inneren Tempel" ansetzen. Allein diese "EntrĂŒmpelung" ermöglicht ein anderes VerhĂ€ltnis zu den andern und zur Schöpfung. Erst wenn wir zulassen, dass dem Unrat in uns der Garaus gemacht und der Tempel des Herzens freigerĂ€umt wird, gibt es Platz fĂŒr DEN, mit dem es keinen Handel und kein GeschĂ€ften gibt, weil wir alles, was wir sind und haben, nur durch IHN sind und haben.
Dr. habil. BĂ©atrice Acklin Zimmermann, Paulus Akademie, ZĂŒrich