Okuli / 3. Fastensonntag (12.03.23)

Okuli / 3. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 22,47-53 Ex 17, 3-7 Röm 5, 1-2.5-8 Joh 4, 5-42

Stellung im Kirchenjahr und Vorbemerkungen

Die Lesungstexte sind eingebunden in die Liturgie vom 3. Fastensonntag. Er wird auch Oculi (vom lat. „Auge") genannt. Dies leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon „Oculi mei semper..." (Ps 25,5) ab. Der für die katholische Leseordnung vorgesehene Evangelientext ist sehr lang. Alternativ gibt es daher die Möglichkeit einer gekürzten Fassung. Diese beschränkt sich auf die Verse 5-15.19b-26.39a.40-42. Je nachdem welche Schwerpunkte in der Predigt gesetzt werden, empfiehlt sich die Lang- oder Kurzfassung. Für die vorliegenden Predigtanregungen ist die Kurzfassung ausreichend.

Lk 22,47-53

Exegetische Vorbemerkung

Der vorliegende Text weist Parallelstellen in allen Evangelien auf (Mt 26,47-56; Mk 14,43-50 und Joh 18, 3-11). Es gibt jedoch auch einige Unterschiede. Auf zwei Merkmale möchte ich besonders hinweisen. Der Judaskuss und das Heilungswunder. Letzteres findet sich nur bei Lukas. Seltsamerweise berichten die anderen drei Evangelisten nicht von diesem Heilungswunder. Warum lassen sie diese Gelegenheit aus? Vielleicht liegt es daran, dass Lukas als der Arzt unter den Evangelisten bekannt ist. Der Verdacht liegt allerdings auch nahe, dass Lukas das Geschehen ausschmückt, um den verkündigenden Aspekt zu betonen: Jesus ist der Heiland. Vom Judaskuss berichten hingegen Matthäus, Markus und Lukas, nicht jedoch Johannes. Bei Lukas bleibt indes offen, ob es tatsächlich zum Kuss kam, während Matthäus und Markus den Judaskuss mit gleichem Wortlaut bezeugen.

Bezüge zu sozialer Nachhaltigkeit

Angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 lohnt sich eine Auseinandersetzung mit dem Gewaltakt, der sich in der Szene mit dem Schwert ausdrückt. Man kann sich vorstellen, dass es bei der Gefangennahme bei aller Nüchternheit, mit der die Evangelien davon berichten, turbulent und emotional hoch hergegangen sein muss. Die Jünger waren bereit, für ihren Herrn und Meister zu kämpfen bis aufs Blut. Ein Ohr mit einem Schwert zu entfernen ist eben eine unschöne, blutige Angelegenheit. Dieser Schwerthieb hätte auch ganz anders ausgehen können. Sowohl für Malchus, denn ein besser gezielter Schlag hätte tödlich enden können, als auch für alle anderen Beteiligten. Schließlich hätten sich die Soldaten wehren und so eine Gewaltspirale lostreten können, die für viele Beteiligte möglicherweise tödlich hätte enden können. Jesus jedoch unterbindet die Eskalation der Gewalt sofort. Steckt darin ein indirekter pazifistischer Apell? Gewalt ist nie die Lösung. Oder bezieht sich dieser Eingriff Jesu nur auf diesen Moment? Die Zeit zu kämpfen ist nicht jetzt? An dieser Frage, ob Jesus ein Pazifist war, scheiden sich nicht selten die Geister. Während die Einen dies bejahen und dazu gute Argumente aus der Bibel anführen, gestehen die Anderen Jesus zu, dass er „angemessene" Gewalt zur Selbstverteidigung durchaus akzeptierte und führen ihrerseits gute Argumente dagegen ins Feld. Wer in den gängigen Suchmaschinen die Frage eingibt: „War Jesus ein Pazifist?" taucht schnell in diese Debatte mit ein. Der Blick auf den Kriegsbeginn Russlands gegen die Ukraine hat die Kirchen im Jahr 2022 verstärkt dazu aufgefordert, sich der Frage zu stellen, ob es eine Rechtfertigung für die militärische Gegenwehr aus christlicher Perspektive gibt. Und dabei ging es um ganz konkrete politische Fragen: Dürfen die Europäer den Ukrainern Waffen liefern? Oder vielleicht noch viel heißer diskutiert: Ist die Investition von unglaublichen 100 Milliarden Euro in das deutsche Militär, die der Bundestag beschlossen hat, ethisch zu rechtfertigen? Im ökologischen Kontext wird die Frage noch einmal dadurch verschärft, warum man ein solch milliardenschweres Paket nicht etwa auch schon vorher für die Bewältigung ökologischer Krisen bereitgestellt hat, die im globalen Kontext gesehen noch viel weitreichendere Konsequenzen für das Überleben der Menschheit haben werden. Christlicherseits steht zwar außer Frage, dass es legitim ist, sich im Ernstfall verteidigen zu dürfen, auch wenn das Gebot des Gewaltverzichtes dadurch nicht prinzipiell aufgehoben ist. In der Realität wird sich das Handeln immer in diesem Spannungsfeld bewegen müssen.

Vorbemerkung zum Duktus der kath. Lesungen Exodus, Römer und Johannes

Israel ist aus Ägypten aufgebrochen. Die große Befreiungstat Gottes hat bereits stattgefunden. Das Volk Israel ist auf dem Weg in das verheißene Land. Eine Wanderung, die sich lange hinziehen wird. Dabei erinnert das Verhalten der Israeliten an nörgelnde Kinder auf der Autofahrt in den Urlaub. Jetzt murrt das Volk, weil ihm das lebensnotwendige Wasser fehlt. Im Kapitel zuvor war es noch das Essen, Brot und Fleisch, das den Israeliten fehlte. Nun das Wasser. Und wieder reagiert Gott und schenkt ihnen das notwendige Wasser, das sie zum Überleben brauchen.

Auch im ersten Teil des Johannesevangeliums Verse 5-15 spielt das Wasser wieder eine zentrale Rolle. Es wird zwar als Grundvoraussetzung zum Leben aufgegriffen, doch zugleich symbolisch umgedeutet zu einem Leben in Fülle, das das Diesseits übersteigt. Die Erzählung mündet schließlich ein in die Verkündigung des messianischen Anspruches Jesu und die Bekehrung vieler Samariter, die sich zum Glauben bekennen. Der vorausgehende Text aus dem Römerbrief kann vielleicht auch als weitere Erklärung des Wassermotivs herangezogen werden. „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist." (V. 5) Hierin liegt die Hoffnung begründet, an deren Ende die Rettung und nicht der Untergang steht.

Predigtanregungen mit Bezügen zur Nachhaltigkeit

Ex 17, 3-7

Die Israeliten machen auf ihrem Weg durch die Wüste die Erfahrung großer Dürre. Wasser ist Lebensgrundlage jeglichen Lebens. Ohne Wasser kein Leben. Astrophysiker auf der Suche nach außerirdischem Leben stellen sich deshalb zuerst die Frage: Auf welchen Planeten lassen sich Spuren von Wasser erkennen? Nur wo dies der Fall ist, ist fremdes Leben denkbar. Dürreerfahrungen machen Menschen angesichts des fortschreitenden Klimawandels immer häufiger. Die Dürre ist eine der vielen Wetterextreme, mit denen die Menschheit sich jetzt zunehmend auch im globalen Norden konfrontiert sieht. Mit allen Konsequenzen, die daraus resultieren. Im Sommer 2022 wurde in Italien in bestimmten Regionen der Notstand ausgerufen, weil der Po drohte auszutrocknen. Die Menschen wurden zum Wassersparen angehalten. Es lassen sich sicher weitere Beispiele finden. Diese Erfahrung der Dürre ist in vielerlei Hinsicht lebensbedrohlich. Dürrerfahrungen können durchaus auch auf andere Erfahrungen von gescheiterten Hoffnungen, Zielen und Visionen umgedeutet werden. Welche konkreten oder im übertragenen Sinn verstandenen Dürreerfahrungen machen Menschen heute, aus denen heraus sie möglicherweise murren gegen Gott? Wo wird ihre Klage hörbar? Woher erwächst ihnen andererseits wieder Hoffnung, Mut und Kraft zum Weitermachen? Wasser, das Leben schenkt?

Röm 5, 1-2.5-8

Im Römerbrief hören wir davon, dass Christen im Stand der Gnade und im Frieden mit Gott leben. Dies ist zunächst ein einseitiges Geschenk und erweist sich gerade dadurch als Gnade. Begründet ist die Gnade Gottes im Erlösungshandeln seines Sohnes. Wo können Menschen die Erfahrung machen, in Gnade und im Frieden mit Gott zu leben? Woran spüren sie dieses „Wasser des Lebens"? Wie gehen sie mit diesem Geschenk um? Werden sie diesem Geschenk gerecht?

Joh 4, 5-42

Auch Jesus weiß, dass Wasser eine Lebensgrundlage ist. Indem er die Samariterin um Wasser bittet, verwickelt er sie aber über das Symbol des Wassers hinaus in ein Glaubensgespräch. Dabei überwindet er bestehende Grenzen: Die Grenze zwischen Juden und Samaritern. Das Heil geht zwar von den Juden aus – schließlich war Jesus selbst Jude - aber es ist nicht auf diese beschränkt. Zudem überwindet er auch die Grenze zwischen Männern und Frauen. Zu jener Zeit war es unschicklich, dass Männer, insbesondere Lehrer, sich öffentlich mit Frauen unterhielten.

Jesus selbst bietet sich als das lebenspendende Wasser an. Als der Gesalbte (V. 25), als Messias (V. 26), als Retter der Welt (V. 42). Wer an ihn glaubt und sich an ihm festmacht, wird nicht zugrunde gehen. Was bedeutet diese Erkenntnis angesichts der vielfältigen Dürreerfahrungen in der heutigen Zeit? Klimawandel, Artensterben, Ukrainekrieg usw. usf. Einerseits brauchen Menschen alles Notwendige, um leben zu können, Nahrungsmittel, Wasser, ein Dach über dem Kopf. Grundlagen, die nicht von ungefähr in den Menschenrechten verankert sind. Was bedeutet das wiederrum für unsere Gesellschaft, für unseren Umgang mit Armen, mit Flüchtlingen, mit Kranken, mit Alten usw. Andererseits gibt es darüber hinaus aber auch dieses „Mehr" dessen, was erfülltes Leben ausmacht, was Leben reich werden lässt. Wie sieht dieses „Mehr" aus? Wie stillt Jesus diesen Durst nach dem „Mehr" im Leben?

 Steffen Glombitza, Bistum Speyer