Ostermontag (06.04.15)

Vorschläge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): Lk 24,13-35; 1 Kor 15,50-58; Jes 25,6-9; Lk 24,36-45; Kol 3,1-4; Jona 2,2-10 [www.stichwortp.de]

 

Ostermontag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 24, 13-35 Apg 2, 14.22-33 1 Kor 15, 1-8.11 Lk 24, 13-35
od. Mt 28, 8-15

Der Verfasser betrachtet alle drei Texte unter dem Aspekt: Wie geht es nach Ostern weiter? Die drei Abschnitte richten sich an unterschiedliche Öffentlichkeiten und bieten verschiedene intellektuelle und emotionale Ansatzpunkte. Gemeinsam ist die Intention, ehrlich mit eigenen Anfragen umzugehen, sich nichts selbst einzureden, sondern aus dem Hören und der Begegnung mit anderen neue Lebensenergie zu gewinnen. Die Motivation dafür kommt aus der Teilhabe an Gottes Aktion.

Ostermontag

Bis zum Jahr 1800 ist in allen deutschen Ländern die Dauer des Osterfestes reduziert worden, der Montag bildet seither den letzten Feiertag in der langen Reihe des Hochfestes. Aber er ist ein Tag des Aufbruchs: Die Osterzeit hat begonnen. Ab jetzt zählen die Tage neu auf Zukunft hin: 40 Tage bis Himmelfahrt, 50 Tage bis Pfingsten. Furcht und Schrecken der Karwoche verwandeln sich in Vorfreude auf die neue verheißungsvolle Zeit. Im Gottesdienst am Ostermontag geht es um die Erscheinungsgeschichten, um interne Verständigungen und um erste Aufbrüche der Jünger in die Öffentlichkeit. So sieht es kirchlich aus. Gesellschaftlich stellt sich das Bild umgekehrt dar: Ostern ist vorbei, die Osterzeit lag davor, Einkaufsregale und Werbung haben das angezeigt, jetzt wird Osterware mit 50% Rabatt verschleudert. Mit dem Montag bzw. dem Ferienende kehrt der Alltag wieder ein. Wir könnten beklagen, dass kirchliche Tradition und gesellschaftliche Realität an diesem Tag auseinanderklaffen. Oder wir setzen genau auf diesen Akzent: Ostern bringt eine andere Sicht der Wirklichkeit in unseren Alltag. Diese zweite Einstellung dürfte nachhaltiger sein.

Lukasevangelium und Apostelgeschichte

stammen aller Wahrscheinlichkeit vom gleichen Autor. Lukas versteht sich als Historiker, möchte die Ereignise sorgfältig darstellen und ist besonders interessiert an der Ausbreitung des neuen Glaubens. Im Zentrum sieht er die Verheißung vom Anbruch der Gottesherrschaft (Lk 16, 16). Lukas betont Jesu dienendes Wesen (Lk 22, 27) und seinen Auftrag, „das Verlorene zu suchen und zu retten“ (19, 10). Lukas zeigt auch den souveränen Jesus, davon zeugen dessen Worte am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23, 34); „heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23, 43); „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lk 23, 46). Er verknüpft in seinem Evangelium vielfach Heilsgeschichte und politische Situation. Die Wirkungsgeschichte Jesu wird erweisen, so die Überzeugung des Lukas, ob es sich um Menschenwerk oder um Gottes Werk handelt (Apg 5, 38f.)

Lk 24, 13-35

„Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Weg und uns die Schrift öffnete?“ (24, 32) So nehmen Kleopas und sein Freund die Veränderung wahr, die unterwegs mit ihnen geschehen ist. Ratlos und unsicher waren sie aus Jerusalem aufgebrochen, erschreckt durch Gerüchte (23). Ein scheinbar ahnungsloser Unbekannter gesellt sich zu ihnen, und sie schildern gewissermaßen eine öffentliche Außensicht der Ereignisse (V 19-24). Offen bleibt die Deutung der Ereignisse. Täuschung? Wunschdenken? (V 21) Das leere Grab (V 24) hilft nicht weiter.

Das Herz in den beiden fängt erst an zu brennen, als der Begleiter ihnen intellektuelle Deutungshilfe gibt (V 27), als er emotional zugänglich wird (V 29f.) und im Zeichen des Brotbrechens sich als der Auferstandene zu erkennen gibt.

Was alles auf diesem Weg passiert, wird – wie so oft – erst im Rückblick klar: „Brannte nicht unser Herz...“

Am Ostermontag als Emmaustag werden Menschen auf den verschiedenen Etappen anzutreffen sein. Ich sehe 4 Etappen: 1. Manche wollen erzählen, was sie ratlos macht und erschreckt. 2. Andere möchten Deutung hören, wie sie ihre Gegenwart verstehen können. 3. Andere wünschen sich Nähe und Gemeinschaft. 4. Und einige sind schon auf dem Rückweg von Emmaus mit brennenden Herzen und wollen mit anderen teilen, was sie erfüllt (V 33-35).

Die Emmausgeschichte ist Weg-Geschichte, die Hörenden im Gottesdienst sind auf ihrer je eigenen Etappe unterwegs. Sie sollten in der Predigt nicht genötigt werden, schon auf dem Rückweg zu sein. Aus der Perspektive der Hörenden: wie gut, wenn Predigerin und Prediger mich da antreffen, wo ich gerade bin: beim Erzählen, Hören, Bitten, beim Schauen auf die Hände, die das Brot brechen, beim Essen, beim Aufbrechen. Gleichzeitig kann ich als Hörer um mich herum erleben, dass andere Etappen als meine eigene da sind: vor mir und hinter mir.

Einen Bezug zu nachhaltigem Lebensstil sehe ich in der Weise, wie Christus seine Gegenwart an das Grundnahrungsmittel Brot bindet. Es wird nicht nur zur besonderen Speise im Gottesdienst, sondern Christus lässt uns die Augen dafür aufgehen, dass Brot und Gemeinschaft das Leben in einen neuen Aufbruch führen. Jede Frau und jeder Mann bedarf dieser elementaren Stärkung. So gilt nicht nur: wo Christus verehrt wird, wird das Brot geteilt, sondern auch: wo Brot geteilt wird, ist Christus gegenwärtig. Und weiter: wo Brot und andere Nahrungsmittel vernichtet werden, ist das ein klares Nein! zur Gegenwart Christi. Absichtliche Überproduktion, die das Vernichten und Wegwerfen schon einkalkuliert, führt nicht nach Emmaus, sondern in die Sackgasse. Finanzspekulation mit Grundnahrungsmitteln trennt von Gott. Das gilt im persönlichen ebenso wie im globalen Lebensstil.

Apg 2, 14.22-33

Auch die Pfingstpredigt des Petrus ist eine Hilfe, das Geschehene aus der Schrift zu deuten. Lukas bietet in V 24 einen anregenden Hinweis auf den Tod als Geburt. „Gott hat mit der Auferweckung Jesu „die Wehen des Todes gelöst. Denn unmöglich konnte Jesus vom Tod weiter festgehalten werden.““ (Berger, 425) Auch bei den Rabbinen findet sich der Vergleich von Tod und Auferstehung: „Der Mutterschoß empfängt mit Freuden und gebiert mit Schmerzen. Beim Tod ist es umgekehrt: Das Grab empfängt mit Schmerzen und gebiert mit Freuden (bei der Auferstehung).“ (Berger, ebd.) Ähnliche Hinweise finden wir in Joh 16, 20f. und in Röm 8 (dort mit Schwerpunkt der Schmerzen in der Endzeit). Apg 2 kann helfen, Hoffnung an Ostern nicht nur auf die individuelle Auferstehung zu beziehen, sondern den Aufbruch in ein neues und anderes Leben jetzt schon als gegenwärtig zu sehen: Das andere Leben beginnt jetzt. Und das nicht aus eigenem Entschluss und eigener Tatkraft, sondern als Teilhabe an Christus.

Näheres zum Motiv der Teilhabe s.u. zu 1 Kor 15.

1 Kor 15, 1-8.11

Der Korintherbrief ist das älteste schriftliche Zeugnis unter den heutigen Texten. Paulus schreibt an Menschen in dieser bunten Hafenstadt und stellt Folgen des Christseins im Leben dar. Dies ist ebenso „neuartig wie intensiv“ (Berger, 566). Das Augenmerk richtet sich auf das Verhalten untereinander, auf Gemeindeverständnis und Sexualethik. Dreh- und Angelpunkt ist der Glaube an die Auferstehung Christi und den Zusammenhang mit der Auferstehung aller Menschen. Das wird in Korinth offensichtlich wenig geglaubt und vertreten. Paulus verknüpft in seiner Darlegung die zurückliegende Auferstehung Christi und die ausstehende Auferstehung aller Menschen. Zur Vorbereitung seiner Argumentation beruft er sich in den Versen 3-8 auf Augenzeugen, von denen Christus „gesehen worden ist“.

Für die Predigt ist diese Linie bedeutsam: die Reihe der Zeugen ist wichtig, aber wirksam für die eigene Lebensführung wird die Überzeugung der eigenen Teilhabe an Gott, der alles Lebendige am Ende auferstehen lässt und verwandeln wird. Von diesem Ziel her entwickelt sich eine neue Ethik, die nicht auf Druck reagiert, sondern sich locken lässt vom Kommenden. Darauf beruht die einladende Kraft des Glaubens, so wie es der frühere Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, formuliert hat: „Mission is: findig out, what God is doing and joining him.“ (Mission: Finde heraus, was Gott tut, und mach mit.)

Den Zugang zu nachhaltigem Leben sehe ich in diesem Motiv der Teilhabe. Gott lässt durch Christus am Leben teilhaben, das auch der Tod nicht vernichten kann. Die Zeugen lassen an ihrer Erfahrung teilhaben. Und die Menschen in Korinth sollen erkennen, wie wir gegenseitig am Leben teilhaben lassen können. Zentral ist das Bild des Leibes, den alle gemeinsam bilden: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1. Kor 12, 26). Eine schubkräftige Motivation, nachhaltig für die neue Welt Gottes einzutreten und sie vorab in Teilen abzubilden, liegt darin, dass die Last zur Herstellung nicht auf unseren Schultern liegt. Wohl aber die Lust, dabei zu sein. Aus dieser Haltung heraus können wir gar nicht anders, als alle anderen am Zugang zum Leben teilhaben zu lassen: am Zugang zu Wasser und Nahrung, Bildung und freier Entfaltung ihrer Gaben und Talente.

 Stefan Claaß, Herborn


Literatur:

Klaus Berger: Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh 2011.
Radl, Walter: Art. Lukasevangelium in RGG, 4. Aufl., Bd. 5, Tübingen 2002, Sp 546-550.
Atlas der Globalisierung, www.monde-diplomatique.de/atlas