Ostermontag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Jes 25, 8-9 | Apg 2, 14.22-33 | 1 Kor 15, 1-8.11 | Lk 24, 13-35 oder Mt 28, 8-15 |
Der Autor bedenkt alle Predigttexte des Tages unter dem leitenden Gesichtspunkt: Ostern – Gottes neue Schöpfung für die Welt. Jes 25 und 1. Kor 15 weisen auf eine Perspektive für die ganze Schöpfung. Die Ausgießung des Geistes in Apg 2 qualifiziert dazu sich der Welt verstärkt zuzuwenden. Lk 24 weist auf die Erschließung einer neuen Dimension inmitten unserer Wirklichkeit – damit wir unsere Rolle als Mitarbeiter Gottes auf Erden wahrnehmen.
Um biblische Texte für Ostern angemessen auszulegen, ist eine Verständigung über den Horizont sinnvoll in welchem dies geschieht. Leider gibt es in der westlichen Theologie – und damit nehme ich Bezug auf den sehr lesenswerten Artikel von N.T. Wright, Bischof von Durham - ein Defizit in der Verknüpfung von Endzeit-Diskussion und Umwelt. Landläufig scheint Ziel des Christentums zu sein „die Erde zurück zu lassen und ‚heim' zu gehen an einen Ort, der ‚Himmel' genannt wird." (72)
Die ersten Christen hingegen – so arbeitet Wright heraus – verstanden ihren Glauben ganz anders. Für sie begann mit der Auferstehung Jesu Gottes neue Schöpfung für die Welt. „For early Christians, the resurrection of Jesus launched God's new creation upon the world, beginning the fulfillment of the prayer that Jesus taught his followers in which God's kingdom would come 'on earth as in heaven'" (Wright, 72) Da Gottes Geist schon in uns wohnt, haben wir nicht abzuwarten. „We must be God's agents in bringing ... signs of that renewal in the present time." (79). Mit diesem Vorverständnis seien die vier biblischen Textstellen bedacht.
Jes 25,8f: Hier stellt sich zweimal die Frage ob wir den Text exklusiv oder inklusiv auslegen. Jüdische Exegeten des Mittelalters haben den vorangehenden Vers 6, das üppige Mahl für die Völker, als Strafgericht gedeutet, da sich diese an dem fetten Mahl den Magen verderben und daran zugrunde gehen würden. Moderne jüdische Ausleger wie Gradwohl (168f) sehen hingegen Gott als Gastgeber aller Nationen, der nicht nur an köstlichen Speisen, sondern auch an geistlichen Dingen teilhaben lässt – und zwar alle. Dementsprechend sind auch die folgenden Verse nicht exklusiv auf Israel beschränkt, sondern inklusiv zu verstehen, universal auszulegen: Umfassende Gotteserkenntnis (V 7), das Ende von Tod, Tränen und Schmach (V8). Manche Exegeten meinen damit sei das Verschwinden des Todes überhaupt angesprochen. Näher liegt aber an gewaltsamen Tod zu denken: der Tod verursacht durch Krieg zwischen Völkern wird aufhören. Dies dürfte der ursprüngliche Sinn sein, da in der zweiten Vershälfte davon die Rede ist, dass „die Schmach" aufgehoben sein wird.
Von „jubeln und fröhlich sein" wird in Vers 9 gesprochen, da man Gottes Hilfe (Luther übersetzt sogar mit ‚Heil') erfahren hat. Das sollte auf dem Hintergrund von Jes 24 bedacht werden. Dort heißt es: „Siehe, der Herr macht die Erde leer und wüst" (V1), „die Erde ist entweiht von ihren Bewohnern". (V5) Daraus ist zu erschließen, dass die Hilfe, das bejubelte Heil nicht ein nur exklusiv auf den Menschen begrenzter Vorgang sein kann, sondern auch das Land, das „verdorrt und verwelkt" (24, 4), umfasst. Das ist wiederum ein Hinweis, in welchem Horizont biblische Texte zu Ostern auszulegen sind: als Erneuerung all dessen, was auf dem „Erdkreis verschmachtet und verwelkt" (24,4). Es geht um den „Anbruch von Gottes Königsherrschaft in dieser Welt und in ihrer Folge die ungetrübte Freude des Lebens." (Flade, 144) Das gilt nicht nur für die Bewohner Israels, sondern für alle Völker, ja es betrifft den ganzen Erdkreis. Dies ist eine universale, eine wahrhaft österliche Perspektive...
1. Kor 15,1-8,11 handelt von der Frage wie die Auferstehung bezeugt ist. Der Text ist „ein Stück Katechismus der Urchristenheit" (Voigt II, 209f) und weist auf die Glaubwürdigkeit der Botschaft aufgrund der vielen Zeugen. Der Text ist auf die dabei beteiligten Menschen fokussiert, dennoch ist der Horizont weit größer. Paulus nimmt im Verlauf des Kapitels auch auf Jes 25,8 Bezug: „Der Tod ist verschlungen vom Sieg." (V54) Das ist der Horizont der österlichen Zeugen. G. Voigt äußert: „Da gehen neue Räume auf. Da wird, wie wenn man bei einer Bergbesteigung den Grat erreicht, ein ganz neuer Horizont eröffnet." (210f) Auch das sollten wir nicht exklusiv auf uns Menschen auslegen, sondern die ganze Schöpfung mit im Blick haben.
In Apg 2,14,22-33 erfahren die erstaunten Zuhörer, dass der Gekreuzigte auferweckt wurde, den Heiligen Geist empfangen und diesen ausgegossen hat „wie ihr hier seht und hört." (V33) G. Voigt äußert zur Stelle (einschließlich der Verse 36-39): „Der Text beschreibt eine unerhört große Veränderung, die in den Hörern vor sich gegangen ist ... daß sie in einen gänzlich neuen Horizont des geistlichen Erkennens eintreten ... und sich selbst ganz neu sehen lernen." (Voigt VI, 260)
Die Frage stellt sich wie mit der Gabe des Geistes umgegangen wird: um den irdischen Realitäten zu entfliehen (was heute eine Versuchung z.B. für pfingstlerische Gruppen sein kann) oder ob der Heilige Geist auch dazu anleitet, das Leben auf dieser Erde anders und besser zu gestalten.
Die von Bischof Wright kritisierte landläufige Vorstellung Christen warten auf eine bessere, andere Welt jenseits dieser Erde, muss daraufhin bedacht werden ob dies dem Ziel der Ausgießung des Geistes entspricht. Denn in Apg 2 wird diese Frage sehr deutlich durch die Wahl der sieben Armenpfleger beantwortet. Diese Männer sind Ausdruck einer verstärkten Zuwendung zur irdischen Wirklichkeit, in diesem Fall der Notlage von Menschen, der sozialen Dimension unserer Wirklichkeit. Im Laufe der Kirchengeschichte haben selbst Mönche, die zurückgezogen aus der betriebsamen Welt in ihren Klöstern lebten, sich der Erde intensiv zugewendet und dabei in der Landwirtschaft wie auch in der Heilkunde Maßstäbe gesetzt. Zu Ostern geht es um die Verwandlung der ganzen Schöpfung – und nicht nur des Menschen allein.
Was wir heute brauchen ist eine durch den Geist angeleitete erneuerte Wahrnehmung der Schöpfung, um einen achtsamen, behutsamen Umgang mit ihr einzuüben - statt die Erde zu behandeln als etwas, was wir bald hinter uns lassen wie eine abgebrannte Trägerrakete, um im ‚Himmel' zu leben. Gott ist nicht fern der Schöpfung, sondern mitten in ihr präsent. Das haben wir inmitten unserer Wirklichkeit mit Hilfe des Geistes aufs Neue zu entdecken. Das führt uns zum vierten Text.
In Lk 24,13-35 geht es um die Erschließung einer neuen Dimension inmitten der gewohnten Wirklichkeit. „Die Emmausgeschichte erzählt, wie zwei Jüngern auf dem Weg in ihren Alltag die Augen für die Gegenwart des auferstandenen Jesus aufgehen." (Bayer, 159f) Erkannt wird er beim Brechen des Brotes, „beim Dank für das tägliche Brot und für alles, was nach dem Kleinen Katechismus zum täglichen Brot gehört" (Bayer 163) – dazu zählt auch ‚gut Wetter'!
Auch hier sollten wir die Perspektive nicht auf uns, unsere menschlichen Bedürfnisse und Wünsche verengen sondern uns für die Vielfalt der Schöpfung öffnen. Erst ein Bruchteil der Lebewesen und Pflanzen in den tropischen Regenwäldern ist entdeckt und bekannt. Statt die uns umgebende Vielfalt für unsere oft überzogenen Ansprüche rasant und unwiderruflich zu vernichten, ist es höchste Zeit, dass uns die Augen aufgehen – um den Reichtum der Schöpfung achten zu lernen statt auszubeuten.
Interessant ist das Beispiel von Felix und seinen Freunden, die seit ein paar Jahren weltweit Millionen von Bäumen pflanzen. Diese Initiative wurde von dem neunjährigen Felix angestoßen. Diesen Kindern gehen zunehmend die Augen auf, was mit der Klimaveränderung auf sie zukommt. Sie werden aktiv, um dem entgegen zu wirken. Das entspricht genau dem, was Bischof Wright in seinem anfangs genannten Artikel anspricht, der seinen Artikel mit den Worten beendet: „What are we waiting for? Jesus is coming. Let's go and plant those trees." (85)
Ostern ruft Menschen als Gottes Mitarbeiter auf Erden zu einem erneuerten Umgang mit der Schöpfung. Dafür ist die Initiative von Felix ‚Stop talking – start planting' ein ansprechendes Beispiel.
In Anknüpfung an Lk 24 feiern wir seit Jahrhunderten Abendmahl und singen dabei in der Liturgie: „alle Lande sind seiner Ehre voll." Es ist an der Zeit, dass wir uns in dieses gläubige Erkennen bewusst einüben. Es ist höchste Zeit, dass wie den Emmausjüngern auch uns die Augen aufgehen über Gottes Gegenwart auf dem ganzen Erdkreis - dass wir uns klar werden über unsere Rolle als „God's agent's in bringing... signs ot that renewal in the present time"(Wright 79). Und das nicht nur zu Ostern...
A. Krone
Literatur:
Bayer, O. in: Meditative Zugänge; Predigttext-Reihe I,1, Göttingen 1990
Gradwohl, R.: Bibelauslegung aus jüdischen Quellen, Bd III, Stuttgart 1988
Flade, A. in: Meditative Zugänge; Predigttext-Reihe V,1, Göttingen 1994
Voigt, G.: Homiletische Auslegung der Predigttexte, Reihe II, Göttingen 1985²
Voigt, G.: Homiletische Auslegung der Predigttexte, Reihe VI, Göttingen 1989²
Wright, N. T.: Jesus is coming. Plant a Tree!, in: The Green Bible, New York 2008