Ostermontag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Jona 2,(1-2)3-10(11) | Apg 2, 14.22-33 | 1 Kor 15, 1-8.11 | Lk 24, 13-35 oder: Mt 28, 8-15 |
Auf dem Weg mit dem auferstandenen Messias (Lk 24, 13-35)
Die Emmaus-Erzählung ist die längste Perikope im Lukas-Evangelium. Das ist kein Zufall. In dieser Erzählung ist für den Evangelisten Lukas all das enthalten, zumindest noch einmal angedeutet, um was es ihm in seiner Version der Frohen Botschaft geht: Trotz aller offensichtlichen und erlittenen Gewalt und Ungerechtigkeiten haben diese „Mächte des Todes“ nicht das letzte Wort. Die Vision einer gerechteren und geschwisterlichen Weltgemeinschaft, die Hoffnung ja Gewissheit, dass eine „neue Erde und ein neuer Himmel“ möglich sind - sie lebt. Freilich, man muss diese Botschaft erst einmal hören, sie richtig verstehen und sie verinnerlichen.
Die beiden Jünger, wohl zuvor begeisterte Anhänger von Jesus, haben ihn nicht erkannt, er war ihnen fremd. Sie hatten wohl ganz andere Erwartungen an den Messias gehabt - vielleicht die Hoffnung einer Befreiung von der traumatisch erlittenen römischen Herrschaft, den Traum von einem mächtigen Israel, in dem sie selbst dann eine führende Rolle spielen würden - usw. Schon vor der Kreuzigung musste Jesus seine engsten Freunde zurechtweisen, weil sie ihn immer wieder falsch verstanden haben. Und am Ende haben sie ihn verlassen oder gar verleugnet. (Es waren übrigens Frauen, die ihn verstanden und die auch seine Auferstehung als erste erfahren haben). Auf dem „Rückweg von Jerusalem“, nachdem sie alle Hoffnung verloren hatten und ihre Träume bitter enttäuscht worden waren, gesellte sich ein Fremder zu ihnen. Der „Fremde“ konnte ihnen anhand der Schriften und den Worten der Propheten erklären, was das alles zu bedeuten hatte. Sie, die Freunde Jesu, aber wohl auch die Pharisäer und Schriftgelehrten kannten sicher die Schriften, vielleicht sogar alle auswendig – doch sie hatten nichts verstanden. Es war ein Fremder, der sie gelehrt hat zu verstehen und der ihnen die Augen geöffnet hat. Verstehen ist eben viel mehr als irgendetwas auswendig lernen, bestimmte Rituale abspulen - siehe auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der den Ausgeraubten und Verletzten im Straßengraben sah, während die „Kleriker“ vorbeigingen, weil sie wichtigeres zu tun hatten. Der Samariter - auch er ein Fremder - aber hatte ein „Herz“ und daher Erbarmen, er fühlte den Schmerz und das Leid des Anderen. Dies ist eine Voraussetzung für eine solidarische Gemeinschaft und von existentieller Bedeutung. Und nun, im Zuhören und im Begleiten des Fremden, fing auch den beiden Jüngern das Herz an zu brennen…. Und als der Fremde mit ihnen das Brot brach, gingen ihnen endlich die Augen auf und sie erkannten, was sie zu tun hatten. Sie gingen wieder zurück nach Jerusalem, zum Ausgangspunkt und bereit für einen neuen Aufbruch. In der Begegnung und auf dem Weg mit dem Auferstandenen entsteht eine neue Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu.
Wie schon gesagt handelt es sich laut Lukas in der Emmauserzählung um zentrale Aussagen der Worte und Taten Jesu. Daher möchte ich an dieser Stelle zwei Aussagen hervorheben, die in unserer (europäisch-weißen) Theologie oft zu kurz kommen bzw. oft nicht „gesehen“ werden. Beide Aussagen können auch deuten helfen, was „Auferstehung“ bedeutet.
- Es ist der „Fremde“, der uns das Evangelium erklären kann.
- Das Brotteilen als Grundsakrament von „Kirchesein“.
1. „Das ganze Werk Jesu bekräftigt, dass Armut nicht die Frucht des Schicksals ist, sondern ein konkretes Zeichen seiner Gegenwart unter uns. Wir begegnen ihm nicht, wann und wo wir es gerne möchten, sondern wir erkennen ihn im Leben der Armen, in ihrem Leid und ihrer Not, in den manchmal unmenschlichen Bedingungen, unter denen sie leben müssen. Ich werde nicht müde zu wiederholen, dass die Armen die wahren Evangelisierenden sind, weil sie die ersten waren, die evangelisiert und berufen wurden, an der Seligkeit des Herrn und seines Reiches teilzuhaben (vgl. Mt 5,3). Die Armgemachten jeder Art und wo auch immer in der Welt evangelisieren uns, weil sie uns erlauben, auf immer neue Weise die echtesten Züge des Antlitzes des Vaters wiederzuentdecken. Sie haben uns viel zu lehren. Sie haben nicht nur Anteil am sensus fidei, sondern erkennen den leidenden Christus in ihren eigenen Leiden. Es ist notwendig, dass wir es zulassen, von ihnen evangelisiert zu werden. Wir sind aufgerufen, Christus in ihnen zu entdecken, ihnen unsere Stimme in ihren Anliegen zu leihen, aber auch, ihre Freunde zu sein, ihnen zuzuhören, sie zu deuten und die geheimnisvolle Weisheit zu sammeln, die Gott uns durch sie mitteilen will.“ (Botschaft von Papst Franziskus zum Fünften Welttag der Armen, am 14. Juni 2021, Titel: "Die Armen habt ihr immer bei euch" (Mk 14,7), eigene Übersetzung).
2. In dem Maße, wie Christen das „tägliche Brot“ teilen, werden sie zur Kirche Jesu Christi. Wir gedenken des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi und sagen Dank dafür, dass Jesus uns durch seine Worte und Taten ein neues Leben ermöglicht. Wir nehmen zeichenhaft in dieser Feier die endgültige Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott vorweg. Die Jünger von Emmaus erkennen den auferweckten Christus erst, als er mit ihnen das Brot teilt. Wenn wir miteinander all das teilen, was wir für ein Leben in Würde brauchen, dann ist Jesus mitten unter uns und wir werden selbst zu „Brot des Lebens“ für andere. In jeder Gemeinde, in der das geschieht, ist der lebendige Christus gegenwärtig, es ist Auferstehung spürbar, neues Leben. Dieses zeichenhafte, sakramentale Geschehen, das auf Jesus den Messias verweist, hängt nicht davon ab, ob ein geweihter Mensch diesem Geschehen vorsteht - dazu noch abhängig von dessen Geschlecht und von oben ernannt und auch ohne Zustimmung der Gemeinde. Die Gemeinschaft der Jüngerinnen Jesu Christi, die in seinem Namen Eucharistie feiert, ist die eigentlich handelnde „Person“. Sie verwandelt im Auftrag Jesu Brot und Wein, die Güter der Erde, in Nahrung für alle Menschen. Dadurch wird Jesus der Christus gegenwärtig. Jede Gemeinde feiert die Eucharistie aber nie nur „für sich“ - auch nicht jeder Einzelne nur für sich und sein Seelenheil - sondern sie feiert stets im Namen und im Auftrag der Weltkirche. Die Gemeinde Jesu Christi ist die Gemeinschaft aller Menschen, die an Jesus den Christus glauben. Wir leben aber in einer Welt, in der etwa 1/8 der Menschheit 7/8 aller irdischen Güter für sich allein verbraucht - ja diese sogar mit Gewalt an sich reißt. Wir leben gleichzeitig in einer Welt, in der alle Güter für alle Menschen bei weitem ausreichen würden.
Was heißt nun Eucharistie feiern? Wie können wir uns gemeinsam mit denen an einen Tisch setzen, für die noch nicht einmal die Brosamen übrig bleiben, die von unserem überreich gedeckten Tisch fallen? Wir können nicht miteinander Eucharistie feiern, während oder falls wir gleichzeitig bemüht sind, unseren schon üppig gedeckten Tisch noch üppiger zu decken - und dafür in Kauf nehmen, dass täglich Menschen verhungern. Christlicher Glaube zeigt sich darin, dass wir im Namen Gottes und in der Nachfolge Jesu das Brot, die Früchte der Erde, unser Leben miteinander teilen. Das bedeutet Umkehr, sich auf den Weg machen, auf ein Ziel hin zu arbeiten, das Jesus das Reich Gottes nennt - einen Zustand, wo Liebe und Gerechtigkeit herrschen. Und dies ist keine Utopie! Dies nicht für möglich zu halten hieße, dass Jesus umsonst gestorben ist und dass Gottes Schöpfung in einer Katastrophe endet.
Sowohl die 1. als auch die 2. Lesung zum heutigen Evangelium bilden eine gute Ergänzung zur Emmauserzählung.
Zur 1. Lesung: Apg 2,14.22-33
Jesus wird von Gesetzlosen und Götzendienern verhöhnt und ans Kreuz geschlagen, die schändlichste aller Todesstrafen. Aber nicht die Unterwelt siegt, nicht diese Dämonen, sondern das Zeugnis der Hingabe und der Liebe besonders zu allen Bedürftigen. Jesus und diese seine Botschaft leben. Dies wird durch seine Jüngerinnen weitergetragen und bezeugt, es eröffnet Wege zu dem uns allen verheißenen Leben in Fülle. Diese Botschaft des Messias wird weiterleben, sie ist der Grund unserer Hoffnung. In seinem Geiste - d.h. in der Nachfolge Jesu - werden wir als „Zeugen der Auferstehung“ die Welt verändern, sie bewohnbar machen, wo alle Platz haben und in der alle das tägliche Brot haben werden, weil wir es in Gemeinschaft ernten, teilen, feiern und essen.
Zur 2. Lesung: 1 Kor 15,1-8.11
Der Auferstandene zeigt sich nicht nur denen, die ihm treu geblieben sind, den Frauen, die bis ans Grab ihre Liebe und ihren Glauben unbeirrt gezeigt haben. Er tritt selbst in das Leben dessen, der ihn verleugnet hatte (Petrus). Er erscheint selbst denen, die ihn in der Gefahr verlassen hatten, er macht selbst aus einem verbissenen Verfolger (Paulus) einen großartigen Zeugen. „Gestorben nach der Schrift“, so heißt es , das heißt auch, so wie es eben in der (gottlosen) Welt zugeht. Es scheint das Los der Gerechten. Dies ist auch heute überall in dieser Welt zu sehen. Menschen, überzeugte Christen, die wegen ihres Engagements für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ Verfolgung und Tod erleiden sind die wahren Zeugen der von Jesus verkündeten neuen Gerechtigkeit.
„Die Kirche wird verfolgt, weil sie die Armen verteidigt. Was sie tut, ist nicht mehr und nicht weniger als das Unglück der Armen zu teilen. Die Armen sind der Körper Christi heute. Durch sie lebt er heute, in der Geschichte. Mein Leben wurde schon mehrmals bedroht. Als Christ glaube ich nicht an den Tod ohne Auferstehung. Wenn sie mich töten, werde ich auferstehen im Volk von El Salvador. Als Hirte ist es meine Aufgabe, mein Leben zu geben für diejenigen, die ich liebe, für das ganze Volk von El Salvador, selbst für diejenigen, die mich töten wollen. Sollte Gott das Opfer meines Lebens annehmen, hoffe ich, dass mein Blut zum Samen der Freiheit wird und zum Zeichen, dass unsere Hoffnung bald verwirklicht wird. Mein Tod wird ein Beweis der Hoffnung für die Zukunft sein, und für mein Volk will ich sterben. Ein Bischof wird sterben, aber die Kirche Gottes, das ist die Kirche des Volkes, wird nie verschwinden“. (Erzbischof Oscar Romero, ermordet am Altar am 24. März 1980).
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Die entsprechende Perikope der evangelischen Kirchen zu Ostermontag ist die Geschichte des Propheten Jona im „Bauch des Walfisches“(Jona 2, 1-11). Nur in Mt 12,38-40 wird eine Verbindung von Jonazeichen und Auferstehungsmotiv vorgenommen: „Zu dieser Zeit sagten einige Schriftgelehrte und Pharisäer zu ihm: Meister, wir möchten von dir ein Zeichen sehen. Er antwortete ihnen: Diese böse und treulose Generation fordert ein Zeichen, aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Innern der Erde sein.“
Das „Zeichen des Jona" hält Jesus denen entgegen, die ihn nach einem Zeichen zum Ausweis seiner Vollmacht fragen. Seitdem ist Jona zu einem Bild des auferstandenen Herrn geworden. Jesus aber wehrt ab: Es gibt keine Beweiswunder, nur das Zeichen des Jona, so sagt er. „Stets, wenn Menschen nicht weiterwissen, geschieht es, dass ihr ganzes Bewusstsein, das „Lichtgestirn“ ihrer planenden Vernunft, scheinbar im Chaos, im Dunkel der Nacht, in der Tiefe des Meeres versinkt und zu sterben droht; doch liegt gerade darin die einzige Chance zur Wiedergeburt, zu einem Neuanfang? Das Zeichen des Jona - hat Jesus es so gemeint“? (Eugen Drewermann). Was auch geschehen wird, Gott ist nicht einfach weg. Was auch geschehen wird – und selbst wenn wir das Gefühl haben ins Bodenlose zu fallen - Gott steigt auch dann noch zu uns herab, um uns auch dort unten aufzufangen.
Seit Karfreitag kann niemand tiefer fallen als in Gottes Hand. Dieses Wort gilt auch dann, wenn wir Schuld in unserem Leben erkennen, die schwerer ist, als wir sie selbst zu tragen vermögen. Denn auch das ist ja eine Erfahrung des Jona gewesen. Jona wurde bewusst: „Ich habe mich Gottes Ruf widersetzt, ich habe mein Leben selbst in die Hand nehmen wollen und mich radikal von ihm abgewendet.“ Dann staunte er, wie ihn Gott zwar ausbremste. Aber nicht, um ihn zu vernichten, sondern um ihn zu retten - ihn, der es verdient hätte, von Gott seinem Schicksal überlassen zu werden.
Dr. Willi Knecht, Ulm