Osternacht / Ostersonntag (9.04.23)

Osternacht / Ostersonntag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Nacht: Jes 26,13-14(15-18)19
Tag: 1 Kor 15,1-11
Nacht (1. Les.): Gen 1, 1 - 2, 2
N. (2. Lesung): Gen 22, 1-18
N. (3. Lesung): Ex 14, 15 - 15, 1
N. (4. Lesung): Jes 54, 5-14
Tag: Apg 10, 34a.37-43
N. (5. Les.): Jes 55, 1-11
(6.): Bar 3, 9-15.32 - 4, 4
(7.): Ez 36, 16-17a.18-28
(Epistel): Röm 6, 3-11
T.: Kol 3, 1-4 od. 1 Kor 5, 6b-8
Osternacht: Mt 28, 1-10

am Tag: Joh 20, 1-18

Die Osternacht ist die christliche Feier der Schöpfung schlechthin. Auch die biblischen Texte sind voller Bezüge zu Fragen der Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und des Friedens. Im Folgenden wird dies an drei der Lesungen der katholischen Leseordnung sowie dem evangelischen Predigttext aufgezeigt.

Gen 1,1-2,2: Schöpfung – Licht und Dunkel – „und es war sehr gut"

Die Lesungen der Osternacht beginnen mit dem ersten Kapitel der Genesis. Dieser Text ist inhaltlich und formal einmalig. Es ist kein Bericht, sondern eine Erzählung, die sich nach zwei einleitenden Versen in sieben Bildern entfaltet, die den Tagen der Schöpfung entsprechen.

Das erste Wort des Buches Genesis lautet bereschit – im Anfang. Im Hebräischen leitet es sich vom Wort „Kopf" ab und meint den zeitlichen Beginn, zugleich im Sinn des Ersten und Besten. Damit ist klar: Was hier gesagt wird, ist die Grundlage für alles Weitere, das Leben der Schöpfung und die Geschichte Gottes mit seinem Volk. Es geht um „Himmel und Erde", den gesamten Kosmos.

Die Welt, wie wir sie kennen, ist geordnet. Zunächst jedoch war sie „wüst und wirr" (tohuwabohu). Der erste Teil des Wortpaars bedeutet „nichts", aber auch „Wüste". Der zweite Teil bezeichnet den Mangel an Ordnung. Am Beginn der Schöpfung steht ein Zustand, den heute viele für die Zukunft befürchten. Durch den Klimawandel und verantwortungsloses menschliches Tun droht verloren zu gehen, was von Gott geschaffen wurde.

Gott teilt Licht und Finsternis voneinander (V. 3 f). Die Schöpfung ist nicht einfach gut, ist nicht das Paradies, sondern beinhaltet Leben und Tod. Und doch ist sie auch wunderbar gestaltet, enthält junges Grün, Samen und Früchte (V. 9 u. 11). Sie ist so angelegt, dass alles gedeihen kann.

Die Schöpfung beinhaltet Natur und Kultur. Die Lichter am Himmel scheiden Tag und Nacht voneinander und sind Zeichen für Festzeiten (V. 14). Das Leben der Schöpfung ereignet sich in den verschieden geprägten Zeiten des Jahres. Diese bilden das Leben in seiner Fülle ab: im Christentum die hohen Feiertage ebenso wie die Advents- und Fastenzeit. Wenn der Mensch den Zugang dazu verliert – zur Natur ebenso wie zur kulturellen Prägung des Jahreskreises –, verliert er den Kontakt zum Leben, wie es in der Schöpfung angelegt ist.

Der Mensch ist Bild Gottes (imago Dei). Gleich dreimal wird dies gesagt (V. 26 f). Er „unterwirft" sich die Erde und „waltet" über sie. Damit ist nicht die heutige hochtechnisierte Herrschaft des Menschen über die Erde gemeint, sondern der erfolgreiche Umgang mit den Möglichkeiten und Gefahren, die die Schöpfung birgt, bis hin zu Tieren, die das Leben der Menschen bedrohen.

Der Mensch trägt Verantwortung. Er kann die Gaben der Schöpfung nutzen und das Leben fördern, aber auch ausnutzen und zerstören. Dabei ist Gottes Wille klar: Sein Wort an die Menschen erfolgt in der Form eines Segens (V. 28). Und: Am siebten Tage ruhte Gott. Nicht das Getriebensein ist das Ziel des Menschen, sondern das Sich-Einfinden in die von Gott geschaffene und gesegnete Welt.

Jes 55,1-11: Ungerechtigkeit der Welt – Ausgleich durch Umkehr zum HERRN

Die fünfte Lesung der Osternacht ist jenem Teil des Jesajabuchs entnommen, den die Exegeten Tritojesaja nennen, und dessen Prophetie viele Bezüge zum Pentateuch und dem Psalter aufweist.

Mit dem von Gott geschaffenen Kosmos (Gen 1) steht es in Jes 55,1-11 nicht zum Besten. Gleich zu Beginn findet sich das Motiv des Durstes. Es folgt der Hinweis auf die Armen, deren Mühen nicht gelohnt werden. Die Ungerechtigkeit ist groß. Der Zugang zu lebensnotwendigen Gütern bleibt vielen verschlossen. Was ist aus Gottes guter Schöpfung geworden?

Und doch gibt es Hoffnung. Gott hält an den Zusagen fest, die er den Vätern gemacht hat. Mehr noch, er bietet dem Volk einen ewigen Bund an. Die Voraussetzung dafür ist: Das Volk muss den HERRN von Neuem suchen.

Tritojesaja ergänzt Gen 1: Das Volk lebt nicht einfachhin in Gottes Schöpfung, sondern ist auf Abwege geraten. Es gibt Frevler und Übeltäter (V. 7). Doch durch Umkehr zu Gott können Gerechtigkeit und Ausgewogenheit der Schöpfung wiederhergestellt werden.

Mt 28,1-10: „Fürchtet euch nicht": in der Auferstehung wird die Schöpfung erneuert

Das Evangelium handelt von der Erneuerung der Schöpfung durch die Auferstehung Jesu. Wie radikal dieser Neuanfang ist, zeigt sich in den Bildern vom Erdbeben, dem Engel, der vom Himmel kommt und „wie ein Blitz" aussieht und der Furcht der Wächter, die „wie tot" sind (V. 2-4).

Umso bedeutsamer ist die Botschaft „Fürchtet euch nicht!" Allerdings erfolgt die Rettung nicht einfach äußerlich, sondern erfordert echtes Umdenken. Das leere Grab („er ist nicht hier", V. 6) und der zweifache Hinweis auf Galiläa, wohin der HERR vorausgegangen ist, deuten an: Es bleibt eine lebenslange Aufgabe zu verstehen, was es bedeutet, dass nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort hat.

Das Beispiel Jesu zeigt, dass Gott sich vollends in die Zerbrochenheiten der Welt einlässt. Er ist der Garant dafür, dass sich die Ungerechtigkeit in Gerechtigkeit wandelt.

Das Osterevangelium macht somit klar, wie im christlichen Sinn ein Leben im Einklang mit der Schöpfung zu verstehen ist. Es genügt nicht, einige Gebote zur Bewahrung der Schöpfung zu beachten, sondern es bedarf einer Umkehr, die den ganzen Menschen sieht und die Einheit der Schöpfung im Blick hat. Hier hängt alles mit allem zusammen.

Jes 26,13-19 Völlige Aussichtslosigkeit – und Heil, das sich schon jetzt realisiert

Der Predigttext aus Jesaja betont, wie schwierig, ja aussichtslos die Lage der Menschen ist, und bringt zugleich die Aussicht auf Heil und Rettung ins Wort, die sich schon jetzt ereignet. Der hier aufgezeigte Kontrast könnte größer nicht sein.

Das Geschehen ereignet sich zwischen der sprechenden Wir-Gruppe und Gott. Im Rückblick wird von der Herrschaft anderer Herren gesprochen, von Heimsuchung, Vernichtung und Tilgung der Erinnerung. Das ist die Situation der Menschen ohne Gott. Sie erleiden Schmerzen wie eine in Wehen liegende Frau, doch erwarten sie nicht die Geburt eines Kindes. Ihr Leben ist Wind (V. 18), nichtig und wertlos.

In der Tat gibt es Menschen, die jede Hoffnung auf Heil, Gerechtigkeit und Frieden verloren haben. Nicht einmal die Sehnsucht nach Hoffnung ist ihnen geblieben.

Und doch ist ihnen Heil zugesagt, das sich in der Begegnung mit Gott schon jetzt realisiert und sich zukünftig in Fülle ereignen wird: „Deine Toten werden leben, meine Leichen stehen auf." (V. 19) Die Auferstehung Jesu Christi, so darf der alttestamentliche Text an Ostern gedeutet werden, ist ein Wendepunkt zum Guten, der grundlegender nicht gedacht werden kann.

Es ist Gott, der diesen Wendepunkt garantiert. Zugleich werden die Menschen ermutigt und befähigt, neu zu leben und anders zu handeln, denn es gilt, sich von den alten Zwingherren ab- und Gott zuzuwenden. Am Ende stehen nicht Vergeblichkeit und Vergessen, sondern Fruchtbarkeit und Leben.

Regens Dr. Tonke Dennebaum, Mainz