Osternacht / Ostersonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Nacht: Joh 5,19-21 Tag: 1 Sam 2, 1-8a |
Nacht (1. Les.): Gen 1, 1 - 2, 2 N. (2. Lesung): Gen 22, 1-18 N. (3. Lesung): Ex 14, 15 - 15, 1 N. (4. Lesung): Jes 54, 5-14 Tag: Apg 10, 34a.37-43 |
N. (5. Les.): Jes 55, 1-11 (6.): Bar 3, 9-15.32 - 4, 4 (7.): Ez 36, 16-17a.18-28 (Epistel): Röm 6, 3-11 T.: Kol 3, 1-4 od. 1 Kor 5, 6b-8 |
Osternacht: Mk 16, 1-7 am Tag: Joh 20, 1-18 |
Ostern
Ostern ist das Fest, das eine Ansage gegen die gesellschaftlichen Mächte des Todes macht. Denn wir feiern Auferstehung: Gott hat die Macht des Todes zerbrochen und das Leben wieder gebracht. Große Worte, theologische Grundsätze und Hoffnung für unser Leben hier und heute.
Wir kommen von Ostern her: Wir glauben, dass Gott stärker ist als alle destruktiven Mächte, alle Ungerechtigkeit, alle Kriege und Zerstörung. Wir leben nicht wie die Jünger, die nach Karfreitag nicht wussten, dass Jesus auferstehen würde. Wir leben immer schon nach Ostern, also mit der Erfahrung von Menschen, dass Gott stärker ist als alle Mächte des Todes.
Wir kommen von Ostern her, feiern das Leben, das Gott uns wieder geschenkt hat. Dies gilt es jedes Jahr neu in die aktuelle Situation hinein zu erzählen und zu deuten.
Zur Osternacht und Ostersonntag gehören gerade viele Lesungen, daher hier Anmerkungen und Impulse für eine Auswahl der Lesungen:
Gen 1,1-2,2 – die erste Schöpfungsgeschichte
Zu diesem berühmten und sehr bekannten Text zwei Beobachtungen:
Der erste Schöpfungsbericht ist ein Lob auf den Schöpfer, ist eine Bewunderung der Schönheit seiner Schöpfung.
Im Bereich Klimaschutz, Schutz der Natur wird immer wieder überlegt, warum wir als Menschheit so viel wissen, was zu tun ist, und so wenig umsetzen. Über ein reines Faktenwissen werden wir nicht genug Energie haben, um die nötigen Schritte im Naturschutz umzusetzen. Aber, wenn wir die Bewunderung und das Staunen über die Natur zum Ausgangspunkt nehmen, dann ist eine emotionale Seite angesprochen, in der viel Energie und Kraft steckt. Der erste Schöpfungsbericht steckt voller Staunen und Bewunderung für die Schöpfung, von den großen Bögen (Himmel und Erde) bis zu den Details wie das Gewürm des Erdbodens.
Gen 1,28 ist immer wieder eine Herausforderung: Wie können wir umgehen mit dem Auftrag an die Menschen: „Machet sie (die Erde) euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ Oder wie es in der Einheitsübersetzung heißt: „Füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen.“
Die Auslegung der Herrschaftszusage schwankt zwischen Apologie und Anklage.
Gott traute den Menschen zu Beginn zu, dass sie in seinem Sinne auf der Erde herrschen könnten, zum Wohle aller Lebewesen und Pflanzen. Diesen Gedanken zu stärken scheint mir zielführender als aufzuzeigen, wo der Mensch versagt hat.
Ex 14,15-15,1 – der Zug durchs Rote Meer in die Freiheit
Was für eine Geschichte! Hier wird erzählt vom Ende einer Gewaltherrschaft und der Beginn eines freien Volkes, das hebräische Volk, von Gott geführt und bewahrt.
Hier wird erzählt, dass jede Herrschaft ein Ende hat. In manchen Gemeinden ist es sicher gut zu erinnern, dass es die damalige ägyptische Herrschaft war, die Zwangsarbeiter unterdrückte, mit einem Pharao, der befohlen hatte, männliche Neugeborene zu töten, der Aufsehern erlaubte, Sklaven tot zu prügeln. Denn all dies spielt ja eine Rolle, wenn man diese Geschichte hört und vielleicht Mitleid mit den ägyptischen Soldaten auf ihren Streitwagen bekommt.
Diese Situation lässt sich nicht einfach ins Heute übersetzen, auch wenn aktuelle kriegerische Auseinandersetzungen mir sofort vor Augen stehen. Ukrainer und Ukrainerinnen wollen nicht vor den russischen Aggressoren fliehen, sondern diese aus ihrem Land vertreiben. Die Situation im heutigen Israel und Palästina ist zu komplex für einfache Vergleiche.
Eine Spur, der sich zu folgen lohnt, ist dieser Gedanke: Gründungsgeschichten werden erinnert, um sich eine Zukunft zu erträumen.
Menschen tun sich zusammen und brechen aus ihren menschenverachtenden Lebensumständen aus. Sie brechen auf in eine Zukunft, geführt von Gott und gemeinsam. Sie brechen auf ins Leben. Aus dieser Grundstruktur lässt sich eine österliche Predigt entwickeln.
Apg 10, 34a.37-43 – Petrus begegnet dem Hauptmann Kornelius
Für die Vorbereitung lohnt es sich, das gesamte 10. Kapitel der Apostelgeschichte zu lesen. Als Predigtimpuls will ich einen Aspekt der gesamten Geschichte herausgreifen: Für Petrus die Begegnung mit Kornelius ist es ein Lernweg, Menschen anderer Tradition und Herkunft auf Augenhöhe zu begegnen, in diesem Fall dem römischen Hauptmann Kornelius und dessen Dienern. Die Gebete von Kornelius, dem ungetauften Nichtjuden, sind zu Gott gelangt – so wie auch die Gebete von Petrus zu Gott gelangen.
An der römisch-katholischen Kirche fasziniert mich immer wieder, dass sie eine Weltkirche ist, eine Kirche auf allen bewohnten Kontinenten, ein Glaube, der aufgrund der unterschiedlichen Herkunft und Tradition unterschiedlich gelebt wird. Die Unterschiede können befremden – sie können mich aber auch etwas lehren, was für meinen Glauben wichtig ist.
In Apg 10* lernen Petrus und Kornelius voneinander, und die Gemeinde gleich mit. Dies kann uns heute, in einer globalisierten Welt wichtig werden. In der Begegnung mit anderen Gläubigen, Christen oder Nicht-Christen, kann ich etwas für meinen Glauben lernen. Anders herum, die Begegnung mit anderen hält meinen Glauben lebendig. Wenn ich das verinnerliche, werde ich dem anderen und der anderen mit Respekt und Anerkennung begegnen. Zugleich ist dies eine bleibende Aufgabe.
Ich schreibe diese Gedanken in Zeiten, in denen rechte Tendenzen lauter und menschenverachtender werden. Dieser Text ist ein Gegengewicht in Zeiten, in denen politische Strömungen stark werden, die Menschen nicht deutscher Herkunft abwerten und sie am liebsten ausbürgern würden.
Diese Geschichte von Petrus zeigt zugleich, dass es ein Weg ist, Menschen aus anderen Völkern als gleichberechtigt anzuerkennen. Selbst Petrus brauchte eine ganze Weile, um zu erkennen: „Jetzt begreife ich“ (Apg 10,34). Wenn selbst ein Apostel wie Petrus eine Weile gebraucht hat, macht das Hoffnung, dass auch andere begreifen werden, dass Gott nicht die Volkszugehörigkeit wichtig ist, sondern wer seinen Willen tut.
1. Samuel 2,1-8a – der Lobgesang Hannahs
Wie zur Advents- und Weihnachtszeit das Magnifikat, so gehört zu Ostern der Lobgesang der Hanna. Beide Lobgesänge von Maria und Hanna stehen sich inhaltlich nah, sind Zeugen von tiefem Glauben und großer Dankbarkeit.
Exegeten gehen davon aus, dass er nachträglich in die Erzählung eingefügt wurde. Das heißt, dass die Datierung des Psalms, wie bei der Datierung der meisten Psalmen des Psalters, schwierig ist. Diese Schwierigkeit passt zur Sprache und Intention der Psalmen: Später Geborene sollen sie in ihrer Zeit als aktuell lesen, beten und singen können.
Anknüpfungspunkt für diesen Lobgesang am Ostersonntag ist gewiss der 6. Vers: „Der Herr tötet und macht lebendig, führt ins Totenreich und wieder herauf.“
Dieser Vers steht nicht am Ende einer langen Reihe von Dingen, die Gott tut, sondern mitten drin. Anders als für die meistern von uns, für die der Tod einen Endpunkt markiert, einen Punkt, von dem es kein Zurück gibt, gehört er hier mitten hinein zu den vielen Momenten, in denen Gott seine Wunder wirkt.
Das könnte dafür sprechen, an dieser Stelle über die Tode mitten im Leben zu predigen, aus denen Gott uns ruft in die Auferstehung, mitten am Tage (Marie Luise Kaschnitz).
Eine weitere Spur ist die Einbettung dieses Verses in das Lob auf die Rettung der Menschen in Not, eine Umkehrung der Verhältnisse: Wenn der Bogen des Starken zerbrochen ist, wird er keine Pfeile mehr schießen und es wird Friede sein. Wenn diejenigen satt werden, die Hunger litten, dann ist das 2. Ziel der UN-Nachhaltigkeitsziele „Kein Hunger“ erfüllt.
Zu dem Vers gehört aber auch „Die da satt waren, müssen um Brot dienen“. Dann wäre die Armut in der Welt ja nicht beendet. Ich verstehe dies eher so: Wenn Menschen zu satt sind, werden sie träge und können sich nicht vorstellen, wie es ist, Hunger zu haben. Wenn Menschen, die zu satt sind, eine Weile anders lebten, könnten sie sich besser vorstellen, wie wichtig es ist, den Hunger in der Welt zu beenden.
Zwei Beispiele dazu: die Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt hatte in ihren Anfängen als Zeichen der Solidarität dazu aufgerufen, eine Mahlzeit am Tag auszulassen und das Gesparte mit Armen zu teilen. Andere nutzen die sieben Wochen der Passionszeit dazu, um mit so wenig Geld auszukommen, wie Menschen mit Bürgergeld zur Verfügung steht. Die Erfahrungen sind wertvoll für das Verständnis des anderen und als Schritte auf dem Weg der Gerechtigkeit.
Über all dem steht das Lob Gottes, mit dem der Psalm beginnt. „Mein Herz ist fröhlich.“ (1. Sam 2,1)
Und das passt wunderbar zur Osterfreude.
Barbara Neubert, Berlin