Pfingstmontag (01.06.20)

Pfingstmontag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 20,19-23 Apg 10, 34-35.42-48a oder
Ez 36, 16-17a.18-28
Eph 4, 1b-6 Joh 15, 26 - 16, 3.12-15

Predigtanregung zu Eph 4,1b-6

Pfingsten fristet unter den christlichen Festen ein MauerblĂŒmchen-Dasein. Das kommt nicht von ungefĂ€hr: Die eigentliche Hauptperson ist der Hl. Geist, der nicht in einer Krippe liegt, nicht am Kreuz hĂ€ngt und nicht aus einem Grab herauskommt. Ein Geist, ein Körperloser also, der sich nicht greifen, nicht festhalten, nicht vereinnahmen und nicht digitalisieren lĂ€sst. Ein Geist, so wird ĂŒber ihn gesagt, der weht, wo er will. Ein Geist, der da, wo er ist, Unglaubliches bewirken soll. Der Apostel Paulus sagt es kurz und bĂŒndig: „Wo Gottes Geist ist, da ist Freiheit."

Pfingsten – ein Fest der Freiheit? Wie passt das in die gegenwĂ€rtige, bleierne Zeit, wo ein Virus die Welt in Angst und Schrecken hĂ€lt und grundlegende Freiheitsrechte eingeschrĂ€nkt oder ganz aufgehoben sind?

Die Pfingstgeschichte

Die Pfingstgeschichte geht so: Die JĂŒnger hatten sich verkrochen und sassen verĂ€ngstigt zusammen, als auf einmal der Pfingstgeist durchs Haus fegte und die Mutlosen hinaustrieb. Draussen, auf einem grossen Platz in Jerusalem, auf dem Menschen aus aller Herren LĂ€nder versammelt waren, erlebten die JĂŒnger das Unglaubliche: Ihre Angst verschwand und sie redeten unerschrocken und freiweg von dem, was vor gut 50 Tagen geschehen war: Von der Kreuzigung und Auferstehung des Juden aus Nazareth. Und die wildfremden Menschen um sie herum, die ganz verschiedene Sprachen redeten, verstanden einander plötzlich und waren be-geistert.

Von Angst und Furcht befreit

Die frohe Botschaft von Pfingsten – und darin gleicht sie ganz und gar der frohen Botschaft von Weihnachten und Ostern - ist, dass dieser pfingstliche Geist die Furchtsamen und Ängstlichen von ihrer Angst und Furcht befreit. Wie „Sturm und Feuer" soll der pfingstliche Geist auf die JĂŒnger herabgekommen sein und sie aus ihren Ängsten herausgerissen haben. Allen, den Zweiflern, Zögerlichen, Angsthasen, Wackelkandidaten und VerrĂ€tern gilt fortan der Zuspruch: „FĂŒrchte dich nicht!"

Was damals, an jenem jĂŒdischen Wochenfest geschah, ist – glaubt man der frohen Botschaft – nicht auf das GalilĂ€a der dreissiger Jahre beschrĂ€nkt, sondern hat Konsequenzen fĂŒr alle Zeiten und Unzeiten. Mag die Welt aus den Fugen sein, mag alles drunter und drĂŒber gehen, mögen die Angstbeschleuniger heute ĂŒberall, auf den LehrstĂŒhlen und an Regierungssitzen, an den Stammtischen und in den Redaktionsstuben am Werk sein: Der pfingstliche Geist, der weht, wo er will, ist imstande, dem Weltgeist der Angst, der ein Ungeist ist, Einhalt zu gebieten.

Der Geist der Einheit

Wer die PfingsterzĂ€hlung aufmerksam liest, erlebt Überraschungen: Im Grunde wird hier die Frage verhandelt, was eine Welt, die vorwiegend aus EinzelkĂ€mpfern besteht, und in der unterschiedlichste Kulturen aufeinanderprallen, zusammenhĂ€lt. Da liest man von wildfremden Menschen, die plötzlich mit einer Zunge sprechen, die seltsam beseelt und „eines Geistes" sind: Römer, Kreter, Ägypter, Bewohner von Mesopotanien, JudĂ€a und Kappadozien und von anderen. Der babylonischen Sprachverwirrung, die Strafe war fĂŒr den grössenwahnsinnigen Turmbau zu Babel und den Versuch der Menschen, Gott gleich zu werden, scheint ein Ende gesetzt.

Dass der pfingstliche Geist keinen Unterschied zwischen den Menschen machte, sondern – wie die Bibel beteuert – alle erfĂŒllte, Frauen und MĂ€nner, Freie und Sklaven, Juden, Griechen und Römer, und alle Sprachbarrieren niederriss, das musste fĂŒr die antike Gesellschaft eine ungeheure Provokation sein.

Nicht dass die Bibel nun plötzlich von idyllischen ZustĂ€nden berichtete. Die Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten waren mit dem pfingstlichen Wind nicht einfach weggeblasen: Die Griechen blieben auch nach dem Pfingstereignis Griechen und die Römer blieben Römer, aber der pfingstliche Geist bĂŒrgte fĂŒr die Einheit trotz aller Unterschiede, fĂŒr das Gemeinsame jenseits von Herkunft.

Das, was diese politisch und sozial ganz unterschiedlich beheimateten Menschen verbindet, ist etwas, das niemandem gehört und das durch niemanden verfĂŒgbar gemacht werden kann: Ein Tröster des Himmels, der nicht nur im GalilĂ€a der dreissiger Jahre von Angst befreite.

Dr. habil. BĂ©atrice Acklin Zimmermann, ZĂŒrich