Pfingstsonntag (05.06.22)

Pfingstsonntag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Röm 8,1-2(3-9)10-11 Vorabend: Gen 11, 1-9 od.
Ex 19, 3-8a.16-20b od.
Ez 37, 1-14 od.
Joel 3, 1-5
Tag: Apg 2, 1-11
(V:) Röm 8, 22-27
(T:) Gal 5, 16-25 od.
1 Kor 12, 3b-7.12-13
(V:) Joh 7, 37-39
(T:) Joh 20, 19-23 od.
Joh 14, 15-16.23b-26

 

Röm 8

  • der Römerbrief baut eine herausfordernde Spannung auf; der sich der Einzelne; ein Kollektiv; an sich die ganze Welt nicht entziehen kann:
  • Fleisch versus Geist; sind das nicht ewige Kontrahenten
  • in revolutionär aggressiver Weise, steht da das Fleisch als sündige Materie für Kapitalismus pur; also für Profit durchs Materielle gegen jede Nachhaltigkeit
  • für Befriedigung des Konsumbauchs und faktische Zerstörung von sinnvollen Ressourcen der Schöpfung und auch der menschlichen Arbeitskraft, in der übrigens auch Geist steckt?
  • Fleisch von durchgedrückten Sportevents mit Medaillen und Pokalen gegen den Geist eines „lieber nicht“; da unsinnig und ausbeutend?
  • Geisterspiele in Tokio; und auch politisch arg zu hinterfragende Events in den „Hoch- demokratien“ China und Katar sind unter vielen Umständen geistlos und Geld- druckmaschinen für die Leiber von Funktionären und Sponsoren; die dann als Werbefotos ihre fleischlichen Models neben die olympischen Ringe setzen
  • und wird der Wettergeist durch das Fleisch falschen Abbaus von Ressourcen wie Regenwäldern und Wasserreservoirs immer mehr zum unberechenbaren Kapriolen schlagenden Phänomen; hinter dem ein Klimawandel steht
  • klingt das zu verbal- terroristisch unpfingstlich; oder ist halt ein Pfingstereignis mit seiner Polarität von Geist und Fleisch auch ein aufmüpfiges Fest?
  • aber wie schön wäre es: Fleisch, ummantelt von vernünftigem Geist; bei Verantwortlichen in Kirche; Politik und Wirtschaft?
  • ein Pfingsttraum, der vielleicht überspannt wirkt, aber der religiöse Denker ist halt auch ein bisschen Idealist, oder er ist gar nicht!

 

Apg 2,1-11

  • die erste Assoziation zu diesem Text lässt Ungutes in mir hochkommen.
  • es war auch ein Hochfest: Weihnachten vor einigen Jahren. Ich saß beim Heimaturlaub in der Berliner U-Bahn und auf dem Bildschirm des Zug-TV flackerte das Wort Tsunami auf: ich wusste nicht, was es war; dann die ungeheure, stets ansteigende Zahl der Toten: Grauen in der Menschwerdung des Gottessohnes durch einen Sturm
  • und heut also ein biblischer Sturm als Bild der Kraft Gottes?
  • aber diese Ambivalenz begleitet unseren Glauben und unseren Umgang mit der Schöpfung
  • Gott ist zu lieben und manchmal aufgrund seiner Absenz und vermeintlichen Tatenlosigkeit zu fürchten
  • und wir Geschöpfe und unser Beitrag zum Klima und zum beherrschbaren Wetter? wir fuchteln an vielen Ecken dieser Welt in das Ökosystem hinein, aus Gründen von Tourismus und Kapitalismus. Wir schaffen Paradiese durch Planierung der Welt und bereiten vielleicht so mancher zu heftigen Sturmböe eine Steilvorlage.
  • das pfingstliche Brausen vom Himmel her: ich wünsche es mir als Getöse in den Herzen und Hirnen der Weltverantwortlichen, damit nicht ohne Verstand hektisch diese Welt ausgebeutet wird. Und den Geist der vielen Sprachen wünsche ich mir dann als Eingabe von klugen Argumenten, damit alle wissen, dass es nur die eine Welt, nur die eine Schöpfung gibt.
  • ach, noch ein Wort zum Gelingen des Verstehens bei den vielen Völkern:
  • ja, es gibt diese Pfingstmomente, wohl eher in der säkularen Variante bei Sportevents: leider auch kommerziell ausgeschlachtet, aber doch manchmal mit den rührenden Momenten, in denen Athleten und Menschen verschiedener Sprachen in Liebe und Fairness miteinander Umarmung und Trost zeigen, und sich so verstehen… es kann nicht nur um konkrete Sprache gehen, sondern um die Freude an der Verschiedenheit des Menschen … variatio delectat!
  • das liebevolle Lächeln und die zupackende Zivilcourage, die wir manchmal bei schrecklichen Ausbrüchen von Rassismus und Gewalt brauchen; sie sind in heutiger Zeit die großen Taten jenseits einer verbalen Verkündigung … und vielleicht verursacht durch den Geist des Mutes!


1 Kor 12, 3b – 7.12-13

  • der eine Geist und der eine Herr? aber doch die vielen Konfessionen; die manchmal sehr mühevoll miteinander Dialoge suchen
  • Paulus redet der schwierigen Hafenstadt Korinth ins Gewissen, Einheit, Freiheit und Gleichheit der Glieder zu beachten
  • Oh je, das klingt ja ein bisschen wie biblische „französische Revolution“ und die war gegen Gott und gegen Gewaltlosigkeit, wenn auch unter der hehren Zielsetzung ein korruptes Regime zu beenden
  • nein; Paulus darf nicht für den bewaffneten Sklavenaufstand mit allerlei Blutvergießen hergenommen werden; sonst kennt die Gewaltenspirale kein Ende
  • in einer höheren Ordnung sind für Paulus die unterschiedlich in sozialem Status lebenden Menschen in einer Kirche Christi mit dem Geist getränkt
  • dann hat dieser aber in meiner Warte handfeste Folgen für eine Einmischung in diese Welt:
  • dann ist es vielleicht schon auch der mutige Einsatz gegen Abschaffung irdischer Sklaverei in ihren wahnwitzigen Spielarten unserer Zeit: von immer noch vorhandener Kinderarbeit; von Rassismus; Gewalt gegen Frauen und Menschen, die „anders“ sind als der „gesunde normale“
  • dann tränkte dieser Geist des Friedens Menschen wie Sophie Scholl, Martin Luther King, oder auch
  • Rosa Parks, die als afroamerikanische Bürgerrechtlerin sich im rassentrennenden System der USA einst auf den falschen; den „weißen Platz“ im Bus saß und dafür ins Gefängnis kam
  • der Text kann nicht nur spirituell verklärt den einen Geist als Ursache für fromme Vereinigung in Gott meinen, er ist auch Aufruf zum geistgetränkten Handeln, wo dieser Menschenleib „Kirche“ und auch der globale Leib „Menschheit“ malträtiert wird durch z. b. die Verneinung der freien Meinungsäußerung und durch Unterdrückung von Minderheiten
  • mit Paulus, oder ein bisserl über Paulus hinaus, darf vielleicht formuliert werden: jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt, und…. damit in dieser Welt dem Erhalt der Schöpfung und dem Bemühen um Frieden nach dem Beispiel Jesu gedient wird.


Joh 20,19-23

Der Anfang des kleinen bedeutenden Evangeliumtextes ist schön, und ohne Schnörkel: der ängstlichen Jüngerschar wird Frieden zugesprochen und ein kleiner Atem geschenkt, der doch alles enthält – nämlich den Hauch des Geistes. Damit lässt sich arbeiten, vielleicht so, dass wir Christen diese Friedensformel einmal im Alltag öfters anwenden, und das wäre mehr als ein verbalethischer Slogan! Ist Ihnen auch aufgefallen, dass diese Formel mit dem Friedenswunsch leider fast nur noch liturgischer Sprachgebrauch ist? Warum?

  • warum kann nicht, weil es doch kein explizites religiöses Bekenntnis ist, bei einer Bundestagsrede über Klima, gegen Aufrüstung, für mehr Demokratie im Volk, gegen die Extremisten und Rassisten, ein Friedens- wunsch die Rede eröffnen?
  • warum kann nicht eine Bürgerversammlung oder ein säkulares Fest, eine Demo für die gute Sache, mit dem Friedenswunsch für alle eine eindringliche Ouvertüre bekommen?
  • warum kann nicht sogar, für manche eher ein schwieriger Ort des Nachhaltigen, mal ein Manager oder global denkender Wirtschaftsfachmann eine technik -und konsumorientierte Sitzung der Industriellen und Innovativen mit dem Friedenswunsch eröffnen und vielleicht neben der Irritation auch für einen Moment der leisen Nachdenklichkeit sorgen; denn wenn dem Friedewünschenden nicht billige Rhetorik unterstellt wird; ist es doch eine Einladung zumindest darüber nachzudenken, welche Zutaten eine wahrer Frieden braucht
  • Aber ist dies vielleicht für uns alle, auch für die „Frommen“; vielleicht gerade das entscheidende Problem: was ist denn der Friede, wenn er mehr als Abwesenheit von Krieg ist? Die Formel kennt also einige Tücken im Inhalt!
  • ich lese dieses kurze und knackige Evangelium einmal durch die Annäherungsbrille, wie solch eine Friedensformel nach-hallt; und dann auch nach-haltig ist; wenn der Wunsch nach Frieden dann aber auch das eigene Bemühen nicht überflüssig macht
  • zur Orthodoxie des Bekenntnisses zum Friedensfürsten Jesus von Nazareth gehört dann auch die Orthopraxie der Mitarbeit an friedlichen Dialogen und fairem „Ausreden lassen“ eines Menschen mit anderen Positionen
  • vielleicht kann dazu der pfingstliche Geist einen anhauchenden Schubser geben

Laurentius Höhn, Worms