1. Sonntag nach Weihnachten / Fest der Heiligen Familie (30.12.18)

1. Sonntag nach Weihnachten / Fest der Heiligen Familie


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 2, 13-18 (19-23) Sir 3, 2-6.12-14 (3-7.14-17a) oder
1 Sam 1, 20-22.24-28
Kol 3, 12-21 oder
1 Joh 3, 1-2.21-24
Lk 2, 41-52

Der Sonntag nach Weihnachten ist im katholischen Kontext dem Fest der Heiligen Familie gewidmet. Auch der evangelische Predigttext bietet sich an, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit über den Generationenvertrag nachzudenken, auch wenn es hier primär um den Heilsplan Gottes mit seinem Volk geht.

Mt.2, 13-23

Im Jahr 2018 lag die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht waren, wieder höher als im Vorjahr. Fast die Hälfte der Flüchtenden sind minderjährig. In Syrien tobt seit sieben Jahren Bürgerkrieg, in Eritrea und im Sudan grassiert der Hunger. Wir haben gerade ein Jahr hinter uns, in dem die Bundesregierung an der Flüchtlingsfrage fast(?) zerbrochen ist. Ist es da zu gewagt, am Sonntag nach Weihnachten das Bild von dem dreijährigen AylanKurdi, der ertrunken an einem türkischen Strand liegt (veröffentlicht am 13.09.2015), zu den Krippenfiguren zu legen?

Auch Jesus musste fliehen. Er überlebte, während ungezählte andere Kleinkinder dem Morden des Herodes anheimfielen. Später musste er sterben, während andere gerettet wurden und um andere – uns alle – zu retten. Die Beziehung von Krippe und Kreuz liegt auf der Hand. Es stellt sich aber auch die Frage nach Gottes Heilsplan und nach seinem Plan für uns und unser Leben.

In einer Welt voller Gewalt ist es wichtig, Ermutigungsgeschichten zu erzählen. Die Flucht Jesu und seiner Eltern nach Ägypten ist eine solche Ermutigungsgeschichte. Sie werden bewahrt, denn sie haben einen Auftrag. Josef folgt seinen Träumen und kann so dem Auftrag Jesu, der weit über das hinausgeht, was er sich vorstellen kann, dienlich sein. Zu uns kommen Menschen, die oft weite und gefährliche Wege hinter sich haben. Sie sind Entronnene. Was ist ihr Auftrag? Welche Erzählungen bringen sie mit? Haben wir ein offenes Ohr für sie? Welchen Platz in dieser Welt werden ihre Kinder und Kindeskinder einnehmen?

Jesus Sirach 3,2-17a

Bei diesem Text fällt der mahnende Tonfall auf. Jesus Sirachgreift das Elterngebot, das erste Sozialgebot des Dekalogs, auf um es für seine Zeit, die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr., neu auszulegen. Die wirtschaftliche Situation ist aufgrund von Steuern und kriegerischen Auseinandersetzungen angespannt. Hier mahnt Jesus Sirach, das eigene Altwerden nicht aus dem Blick zu verlieren und neben der materiellen Versorgung der alt gewordenen Eltern daran zu denken, ihnen im Alter ein Leben in Würde und Achtung zu sichern. Diese Frage stellt sich angesichts der sozialen Isolation alter Menschen, des Mangels an Pflegekräften, sowie des altersbedingten Verfalls der körperlichen und geistigen Kräfteheutzutage ebenfalls.

Eine neue Situation haben wir aber, weil wir heute neben den Hochbetagten auch eine jüngere Generation von Älteren haben, die an der Schwelle zum oder bereits im Ruhestand ist, ihre Macht und ihren Einfluss jedoch nicht abgibt an die nachfolgende Generation. Der Wohlstand, den sich die Nachkriegsgeneration (die Babyboomer-Jahrgänge) erarbeitet hat, steht nicht der Allgemeinheit zur Verfügung und blockiert die notwendige gesellschaftliche Transformation zu einer Postwachstumsgesellschaft.

Viele Jüngere haben längst begriffen, dass Konsumverzicht und ein einfacheres Leben eine Perspektive eröffnen könnten, die die Erde auch für die nachfolgenden Generationen noch lebenswert erhält, wenn denn genügend mitmachen. Sie können sich aber gesellschaftlich nicht durchsetzen, weil die Älteren zahlenmäßig überlegen sind.

Müssten wir nicht von daher unter dem Aspekt des Generationenvertrages das Elterngebot ganz neu durchbuchstabieren und umkehren in ein Zukunftsgebot? „Sorget nicht um euer Leben, sondern achtet auf die Zukunft Eurer Kinder und Kindeskinder“ könnte ein schöner Gedankenanstoß sein und vielleicht zum Vorsatz für das neue Jahr werden.

Kol.3,12-21

Ich würde hier auf jeden Fall die Verse 22-25 mit dazu nehmen, denn ohne sie ist die Haustafel unvollständig. Von Vers 25 her „Es gilt kein Ansehen der Person“ kann man die wechselseitigen Beziehungen zwischen Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Sklaven und Herren – wir würden heute sagen: abhängig Beschäftigten und Chefs – im Lichte der christlichenBotschaft betrachten.

„Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen“ (V.23) gilt dabei als Leitfaden. In der Beziehung heißt das z.B., dass die Partnerschaft ein Ort ist, an dem die Liebe Gottes Gestalt gewinnt, eine Liebe, die sich bedingungslos für den anderen einsetzt, die Halt gibt, Schutz und Geborgenheit, in der aber auch Raum für Fehler, Schuld und Vergebung ist. Auch das Eltern-Kind-Verhältnis sollte geprägt sein von einer Liebe, die Verlässlichkeit und Geborgenheit vermittelt, ohne einzuengen, die einen Raum eröffnet, in dem jeder und jede sich entfalten kann und in dem man voneinander lernt.

Dieser Haustafel im Kolosserbrief geht der Abschnitt über den alten und den neuen Menschen voraus. Der neue Mensch ist „erneuert zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat“ (V.10). Hier wird der Bogen zum Paradies geschlagen, wo dem Menschen verwehrt war, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen. Die neue Kreatur in Christus hat jetzt aber Anteil an dieser Erkenntnis. Das bildet die Grundlage für ein erneuertes Verhältnis der Geschlechter, Generationen und gesellschaftlichen Klassen zueinander. Bildet es nicht auch die Grundlage für ein erneuertes Verhältnis des Menschen zu seiner Mit- und Umwelt?

Luk.2,41-52

Mit der Geschichte vom 12-jährigen Jesus im Tempel lässt sich assoziativ die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungsprozessen jeglicher Art verknüpfen. Das wäre aber ein Thema für sich, das ich hier nicht auf das Thema Nachhaltigkeit einschränken möchte.

Annette Muhr-Nelson, Dortmund