16.11.25 – vorletzter Sonntag im Kirchenjahr / 33. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hiob 14, 1-6 (7-12) 13 (14)
15-17
Mal 3, 19-20b 2 Thess 3, 7-12 Lk 21, 5-19

 

Das Ende des Kirchenjahrs thematisiert existenzielle Fragen: Leid und Trauer, Schuld und Buße, Tod und die Frage, was danach kommt. Es geht um die letzten Dinge, um das Wesentliche, das gewissermaßen kurz vor dem Ende noch besprochen und bedacht sein will/muss.

Der vorletzte Sonntag des Kirchenjahres – der auch als Volkstrauertag bekannt ist – liegt in der Friedensdekade – den 10 Tagen vor dem Buß- und Bettag. Im Frühjahr des Jahres 2025 lässt sich nicht absehen, wie sich die Dinge bis zum Jahresende entwickeln. Vielleicht leben wir Mitte November in einer Welt, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Aber ich bin sicher, dass das Thema Frieden auch dann noch eine besondere Dringlichkeit und Aktualität haben wird.

 

EKD-Text

Hiob 14,1-6(7-12)13(14)15-17

Das Buch Hiob beschreibt das Ringen eines Menschen, dem angesichts des eigenen Leides die Gewissheit des Glaubens an Gott als eines Gerechten verlorengeht.

Hiob versteht nicht, warum ihn so viel Leid trifft. Mit seinen bisherigen Kategorien kann er es nicht erklären. Auch die Erklärungsversuche der Freunde helfen nicht. Er wünscht sich nie geboren zu sein oder wenigstens von Gott vergessen zu werden, um Ruhe zu finden (Hiob 3,3 und 14,6.13). Während es in der Natur Hoffnung gibt, dass ein abgehauener Baum neu austreibt, gibt es die für den Menschen nicht: „Stirbt aber ein Mensch, so ist er dahin.“ (V 10)
Doch auch angesichts dieser resignativen Erkenntnis lässt Hiob am Ende nicht von Gott, sondern hofft – quasi gegen alle Erfahrung - auf Gottes Gerechtigkeit und Güte.

Das Leid im Hiob-Buch ist ein individuelles Leid: Hiob verliert seine Kinder, seine Gesundheit, seinen Besitz. Dieses Erleben ist mehr oder weniger zeitlos, die konkreten Formen des Leides können sich unterschiedlich darstellen.

Über dieses individuelle Leid hinaus gibt es in einer globalisierten Welt auch ein hohes Maß an kollektivem Leid: ich nenne nur ein paar Orte als Stichworte: Ukraine, Syrien, Israel/Palästina, Sudan…. Das Ohnmachtsgefühl, die Frage nach Gerechtigkeit und wieso ein Gott, sofern es einen gibt, dies zulassen kann, sind aber dieselben: Wie kann man die Hoffnung – oder wenigstens „Späne der Hoffnung“ (Ulrich Lincoln) - bewahren angesichts all dieses Leides – sei es als unmittelbar Betroffene, sei es als empathischer Mensch in dieser Welt?

Als Christin brauche ich dazu die ganze Fülle der biblischen Tradition, die mich vergewissert, dass Gott seine Menschen nicht im Stich lässt, dass er – durch alle Irrungen und Wirrungen hindurch –  diese Welt dem Untergang nicht preisgibt. Diese Hoffnung entbindet nicht von der Aufgabe verantwortlichen Handelns in dieser Welt, sondern gibt die Kraft dazu. Der Volkstrauertag könnte so noch deutlicher die Bedeutung erhalten als Tag, an dem „alles Volk“ um die Opfer von Gewalt und Unrecht trauert und sich der Notwendigkeit hoffnungsgeleiteter Friedensarbeit vergewissert.

 

Katholische Lesungstexte

Maleachi 3,19-20b

Das Maleachi-Buch ist eine der kürzesten Schiften der Bibel. Es setzt sich aus sechs „Disputationsworte“ zusammen. Der Textabschnitt 3,19-20b steht am Ende des letzten Disputationswortes und kündigt den Tag des Herrn an, der für die einen ein Tag der Vernichtung, für die anderen ein Tag des Heils sein wird. Das Bild der „Sonne der Gerechtigkeit“ stammt ausdiesem Kontext und ist auf vielfältige Weise in die christliche Tradition eingegangen.

In der Einheitsübersetzung wurden zur Bezeichnung derer, die Vernichtung befürchten müssen, die Begriffe „alle Überheblichen und alle Frevler“ gewählt, in der Lutherbibel (2017) werden sie „Verächter und Gottlose“ genannt. In der BigS ist von „allen Anmaßenden und allen Gewalttätigen“ die Rede.
Ich bevorzuge die Übersetzung der BigS und der Einheitsübersetzung, da sie deutlich auf ein gemeinschaftsschädigendes Verhalten abheben und nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion betonen. In unserer multireligiösen Gesellschaft wäre eine solche Akzentsetzung Quelle unnötiger Missverständnisse.

In diesen beiden Versen zum Ende des Maleachi-Buches drückt sich die auch an vielen anderen Stellen der Bibel zu findende Hoffnung aus, dass die, die mit ihrem Verhalten ein friedliches Zusammenleben aller gefährden, eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist die Hoffnung auf eine Gerechtigkeit, die zwar von Menschen nicht hergestellt werden kann, die aber hoffentlich von Gott hergestellt wird.

In Zeiten, wo sich Machthaber der Strafverfolgung durch (nationale und internationale) Gerichte entziehen, wo Superreiche mit ihrem Geld sich alles erlauben können, bekommt diese Hoffnung auf eine ausgleichende Gerechtigkeit neue Aktualität.

 

2 Thess 3,7-12

Eine schlichte Anweisung, nicht auf Kosten anderer zu leben, sondern zu arbeiten und so für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

Ich höre schon die Stimmen, die solche Worte auf Bürgergeldempfänger*innen beziehen möchten und Arbeitsverweigerer*innen die Leistungen kürzen und streichen wollen. Es lohnt sich andersherum zu denken. Es gibt auch andere, die nicht arbeiten: Superreiche, deren Geld angeblich für sie arbeitet. Nur dass Geld nicht von alleine mehr wird, sondern eben andere Menschen dafür arbeiten müssen, damit Aktienkurse etc. steigen. Was so schlicht und nachvollziehbar daherkommt, hat vielleicht eine ganze Menge Sprengkraft in sich, wenn man es gegen den Strich bürstet.

 

Lukas 21,5-19

In der Lutherbibel sind diese Verse der Beginn eines Abschnitts, der mit „Jesu Reden über die Endzeit“ überschrieben ist.
Manches, was wir heute erleben - Kriege, Unruhen, Seuchen, Hungersnöte… -, ist dazu angetan, sich auch in einer Endzeit zu fühlen und vielleicht zu resignieren, weil man ja doch nichts ändern kann….

Die Mahnung in V 19 finde ich beherzigenswert, ganz gleich in welchem Maß wir unsere Zeit als endzeitlich erleben: „Mit eurer Widerstandkraft werdet ihr euer Leben gewinnen.“ (BigS 2011)

Lutherübersetzung (2017): „Seid standhaft, und ihr werdet euer Leben gewinnen.
Einheitsübersetzung (2016): „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Ich verstehe - insbesondere BigS – weniger als Durchhalteparole, sondern als Aufruf, sich dem scheinbar Unabänderlichen entgegenzustellen, getragen von einer Vision des guten Lebens oder – um es in traditionellen Worten zu sagen – getragen vom Glauben an das Reich Gottes, dem – so unsere Hoffnung – Gott zum Durchbruch helfen wird.

Barbara Kohlstruck, Ev. Kirche der Pfalz