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Jak 2, 14-26 | Ex 17, 8-13 | 2 Tim 3, 14 - 4, 2 | Lk 18, 1-8 |
Jak 2,14-26: Hörer des Wortes werden Täter des Wortes
1. Exegetische Hinweise und theologische Impulse
Der Glaube ohne Werke ist tot, schreibt der Verfasser des Jakobusbriefes. Damit meint er nicht: Die Werke des Menschen rechtfertigen ihn vor Gott. Der Mensch kann sich nicht selbst erlösen und er kann sich nicht den Himmel verdienen. Dann wäre er wie Gott, ja sein eigener Gott. Er könnte sich aus dem Sumpf der Sünde wie Münchhausen an seinem Schopf selbst herausziehen. Luthers „Allein aus Glauben“ bleibt bestehen. Aber, auch der jakobinische Satz „Der Glaube ohne Werke ist tot“ gilt. Der Glaube materialisiert sich in der Welt durch seine Werke. In den Werken des Menschen zeigt sich sein wahrer Glaube. Jakobus macht das Gemeinte deutlich in der Aussage, dass auch die Dämonen an Gott glauben, aber zurecht „zittern“. Ihr Handeln ist widergöttlich. Sie sind nicht erlöst, nicht gerechtfertigt. Der Glaube des Christen aber ist wahrhaftig in der Tat präsent, die diesem Glauben entspricht, d.i. in der Nächstenliebe. In der Tat zeigt sich der erlöste und gerechtfertigte Mensch. Es gibt ein Zusammenwirken, eine Einheit von Glauben und Leben, von Glauben und Ethik.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
„Die Rechtfertigung des Menschen durch Gott geht vom Glauben aus, der die Werke aus sich entlässt und so seine Vollendung erreicht. Glaube und Werke sind die gemeinsame Grundlage der Gerechtigkeit, wie Leib und Geist zusammen den lebendigen Menschen ausmachen.“ (Eugen Ruckstuhl) Das Christentum ist keine Morallehre. Es ist die große Erzählung von der Menschwerdung des Menschen durch den, den wir Gott nennen. Der gerechtfertigte Mensch ist der in die Freiheit von Gott gesetzte Mensch. „Ich bin Dein Gott, der dich befreit hat“ (Ex 20,1), heißt es schon im Ersten Testament als Vorwort zum Dekalog. Die Zehn Wegweisungen sind Feststellungen: „Du wirst neben mir keine anderen Götter haben. … Du wirst nicht töten. … Du wirst nicht stehlen. Du wirst nicht lügen. …“ Ein Freier lebt so aus sich heraus. Er braucht den ethischen Impuls „Du sollst …“ nicht. So heißt auch Rechtfertigung: Lebe wie ein von Gott erlöster, gerechtfertigter, in seine Freiheit gesetzter Mensch! Und handle so! Dazu bedarf es allerdings Gottes Beistand und Gnade, denn der Mensch bleibt ein Sünder. Und die Nächstenliebe ist tägliche Herausforderung. Glaube und Liebe müssen eins sein. Die Liebe ist für den Christen das Höchste (1 Kor 13,13).
Was bedeutet das: Es geht um Gerechtigkeit in der christlichen Gemeinde, damals wie heute. Jakobus spricht das Problem von Armut und Reichtum an. Hier bedarf es eines sozialen Ausgleichs. Es ist unerträglich, dass die einen im Reichtum schwelgen und diesen als Gunsterweis Gottes verstehen, und andere in absoluter Armut dahinvegetieren. Ich sehe hier die aktuellen Bilder aus Afrika und Asien (Kongo, Sudan, Gaza, Afghanistan), auch die Bilder von „Müllmenschen“. Ich sehe den Reichtum in unserer „westlichen“ Welt - auch meinen eigenen? -, ich sehe, wie Techmilliardäre sich ganze Staaten unterwerfen und diesen Planeten ausplündern, ohne Rücksicht auf Menschen, Natur und Klimawandel. Da ist eine erschreckende Verachtung des Menschen und des Lebens. Ich sehe, dass viele Leute diesen vermeintlich Starken zujubeln. Die „Option für die Armen“ ist Leitfaden kirchlichen und christlichen Handelns. Die Kirchen müssen ihre Stimme vernehmbar erheben. Es geht dabei um Respekt! Um Respekt vor jedem einzelnen Menschen, Respekt vor dem Leben als Ganzes. Es geht um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Christsein heißt, das Leben in seinen ganzheitlichen Zusammenhängen sehen und gestalten – damit auch die nächste Generation ein Leben, eine Zukunft hat.
Ex 17,8-13(16): Versöhnung, nicht Krieg
1. Exegetische Hinweise und theologische Impulse
In der katholischen Einheitsübersetzung ist diese Perikope mit „Rettung vor dem Krieg“ überschrieben. Davon kann ich im Text nichts finden. Hier geht es nur um Krieg, und er wird gerechtfertigt. Jahweh streitet für Israel gegen das Volk der Amalekiter. Zwar ist Josua der Feldherr, aber „Der Herr ist mein Feldzeichen“ (17,15). Und es heißt: „Krieg ist zwischen dem Herrn und Amalek von Generation zu Generation“ (17,16), also für immer. Und Vers 14 lässt Jahweh sagen: „Ich will die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel austilgen.“ Hier spricht sich ein Vernichtungswille aus.
Wort Gottes, wenn auch im Menschenwort? Wie kommt so ein Text in die Leseordnung der katholischen Kirche und dann mit der o.g. Überschrift? Es handelt sich hier offenkundig um einen sehr alten Text, Jahrtausende liegen zwischen ihm und uns. Zweifellos hat das Berichtete so nicht stattgefunden. Was haben die Menschen aber damals darin gelesen, und was sagt er uns heute?
Amalek war ein Enkel Esaus, des Bruders Jakobs. Es handelt sich hier also um ein Brudervolk Israels. Krieg zwischen Verwandtschaft. Noch Saul und David kämpfen gegen Amalek. In der Exoduserzählung vom befreienden Handeln Gottes an seinem erwählten Volk steht Amalek für die existenzielle Bedrohung des kleinen Volkes durch feindliche Kräfte. Und dies noch vor dem Sinai-Ereignis. Gott ist aber mit seinem Volk. Er bewahrt es, hier in einer kriegerischen Auseinandersetzung. Die erhobenen Hände des Mose, ursprünglich wohl Bild eines magischen Ritus, werden später von jüdischen und christlichen Deutungen als Gebetsgestus, als Fürbitte verstanden. Mose, der für sein Volk um Kraft und Schutz bittet. Und solange dieser Gebetsgestus, d.h. das stellvertretende Gebet für das Volk aufrechterhalten wird, solange ist Israel dem Feind überlegen und siegt schließlich – „mit scharfem Schwert“.
Jahweh weist Mose an, diese Erfahrung zu verschriftlichen – „zum Gedächtnis“. Es soll nicht vergessen, sondern bewahrt werden für die kommenden Generationen. Hier deutet sich schon das Kommende an: Die Begegnung mit Jahweh am Sinai, der Bundeschluss und die Verkündigung der Torah, der Wegweisungen für das Leben Israels. „Mose baute einen Altar und gab ihm den Namen: Der Herr ist mein Feldzeichen.“ (17,15) Der Bau des Altars ist Zeugnis dafür, dass Israel in diesem Ereignis eine Gotteserscheinung, eine Epiphanie, erkennt. Gott ist mit seinem Volk.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Amalek steht für eine grundlose Feindschaft zu Israel. Wir können darin schon den anhebenden Antijudaismus der Kirche und den über Jahrhunderte grassierenden Antisemitismus erkennen, der zur Katastrophe der Schoah geführt hat. Ich denke an den furchtbaren Krieg des Staates Israel gegen die Palästinenser in Gaza. Der war nicht grundlos, aber in seinem Ausmaß und den hohen Opferzahlen, möglicherweise mehr als 40.000 getötete Menschen, darunter viele Kinder, unfassbar. Ursache war der Massenmord der Hamas an 1.200 jüdischen Menschen, die nichts taten, als das Leben zu feiern. Und das am Jahrestag des jüdischen Aufstandes in Auschwitz am 7. Oktober 1944, der von deutschen SS-Männern brutal niedergeschlagen wurde und fast 500 Häftlingen das Leben kostete.
Thema einer Predigt könnte sein: Wie können wir Feindschaft, Hass und Gewalt zwischen Menschen und Völkern überwinden? Wie ist Versöhnung möglich? Wie können wir im anderen den Menschen sehen, in ihm den Nächsten sehen, „denn er ist wie du“ (Martin Buber)? Vielleicht ist die Bergpredigt (bzw. Feldrede des Lukas) ein Anfang: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen.“ (Lk 6,37)
2 Tim 3,14-4,2: Erziehung zur Gerechtigkeit
1. Exegetische Hinweise und theologische Impulse
Paulus sieht seinen nahen Tod und formuliert ein „Testament“. In Timotheus wendet er sich auch an die anderen Gemeindeleiter, er ermahnt und ermutigt sie. Sie sollen feststehen im Glauben. Er sieht die Gefahr von Falschlehrern (2,13; 4,3f), denen sie standhaft entgegentreten und den Glauben bekennen sollen. Er verweist sie auf die Quellen des Glaubens, zum einen die Zeugen, von denen sie alles gelernt haben, also Paulus selbst und auch andere Glaubensboten. Zum anderen auf „die heiligen Schriften“, d.s. vor allem die Schriften der hebräischen Bibel, wohl in der griechischen Fassung der Septuaginta, aber vielleicht auch schon erste neutestamentliche Schriften, insbesondere Briefe des Paulus. Und diese Schriften sind „von Gott eingegeben“, von Gott inspiriert. Und sie sind „nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk.“ Die Schrift repräsentiert hier „Tradition“, die es zu bewahren gilt. Sie ist Garant der Unverfälschtheit der Lehre und ein wunderbares Instrument gegen die Falschlehrer.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Es geht hier um die wahre oder „gesunde Lehre“ (4,3), um die rechte Katechese, um Menschenbildung, vielleicht würden wir heute auch von Persönlichkeitsbildung oder wieder von Herzensbildung sprechen. Es geht um das „Menschsein des Menschen“ (Alfons Deissler), um die Einheit von Glauben und Leben. Der „Mensch Gottes“ soll in der Gerechtigkeit erzogen werden im Dreiklang von verkündigen – hören – handeln. Er soll „ausgerüstet sein zu jedem guten Werk.“ Dazu muss Timotheus aber das Wort verkünden, ob gelegen oder ungelegen! In Geduld und Belehrung muss das Wort zu den Menschen sprechen, es muss gehört werden. Es muss in die Herzen der Menschen eindringen und sie zum Handeln aus dem Glauben antreiben (s.o. die Ausführungen zu Jakobus 2,14ff).
Wir sind beauftragt, auch heute das Wort des Evangeliums in der Gesellschaft zu verkünden – ob gelegen oder ungelegen! Kirche muss sich in den gesellschaftspolitischen Debatten zu Wort melden. Sie darf nicht schweigen, sie darf sich nicht wegen der Missbrauchsdebatte verschämt in die verschlossenen Büroräume der Ordinariate verdrücken. Das Evangelium braucht den Mut, es zu sagen – laut, deutlich, verständlich. Gerade in der Migrationsdebatte. Das gilt auch für mich. Damit das „Menschsein des Menschen“ nicht vergessen wird, damit die Menschenrechte nicht auf der Strecke bleiben. Damit das Menschenbild des Christentums seine Prägekraft nicht verliert. Heinrich Böll hat einmal geschrieben (Eine Welt ohne Christus, 1957): „Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen.“ Sind wir nicht bereits weit in diese heidnische Welt fortgeschritten? Was für ein „Fortschritt“?
Lk 18,1-8: Beharrlich gegen Unrecht
1. Exegetische Hinweise und theologische Impulse
Das Gleichnis vom Richter und der Witwe folgt der sog. Kleinen Apokalypse des Lukas. Im Hintergrund unseres Textes steht die Parusie Christi zum Weltende. Es geht um die Kraft des Gebets. Wenn selbst der ungerechte Richter, der Gott nicht fürchtet, der Witwe zu ihrem Recht verhilft, weil sie nicht nachlässt, ihr Recht einzufordern, wie sollte Gott „seinen Auserwählten“ nicht zu ihrem Recht verhelfen, wenn sie darum bitten? Warum sollte er zögern? „Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.“ Beten hilft, sagt das Gleichnis. Wir sollen darin nicht nachlassen. Gott hört, Gott handelt. Wenn wir es auch nicht immer sehen oder verstehen.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Das Beten verändert mich selbst. Wohl auch deshalb spricht unsere Perikope von der Beharrlichkeit des Gebets. Mir wird vielleicht nur so gegeben, indem ich mich selbst ändere, neue Sichtweisen gewinne, ermutigt werde zu neuem Denken und Handeln, vielleicht so das Unrecht, gegen das ich klage, abwenden kann. Vielleicht erkenne ich jetzt nicht nur mein Unrecht, sondern auch das, das andere erleiden. Und ich setze mich ein für das Recht und die Gerechtigkeit der anderen. Vielleicht ist das die Weise, in der Gott hört und „unverzüglich Recht verschafft“? Das gilt insbesondere für das Leiden der Armen. Ohne unser Hören und Handeln, vermag Gott nicht Recht zu verschaffen. Wir sind als Glaubende seine Werkzeuge. Glauben und Recht, Gerechtigkeit und Glauben gehören zusammen.
Der letzte Satz aber lässt aufhorchen: Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden? Was, wenn die Menschen nicht mehr glauben? Wie steht´s dann um das „Recht verschaffen“? Wie steht es dann um die „Gerechtigkeit“? Wenn die Menschen nicht mehr hören und sie nicht mehr suchen? Heinrich Böll hat es gesagt (s.o.).
Thomas Bettinger, Bistum Speyer
Quellen:
- Texte der Lutherbibel 2017: https://www.bibleserver.com/
- Stuttgarter Altes und Neues Testament, Kommentierte Studienausgabe der Einheitsübersetzung 2016, Kath. Bibelwerk, Stuttgart 2017
- Neue Jerusalemer Bibel. Neu bearbeitete und erweiterte Ausgabe, hrsg. von Alfons Deissler und Anton Vögtle in Verbindung mit Johannes Nützel, Freiburg 1985
- Eugen Ruckstuhl: Jakobusbrief, 1.-3. Johannesbrief, in: Die neue Echter Bibel. Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung, Würzburg, 3. Auflage 1999
- Josef Scharbert: Exodus, in: Die neue Echter Bibel. Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung, Würzburg, 2. Auflage 2000
- Otto Knoch: 1. und 2. Timotheusbrief, Titusbrief, in: Die neue Echter Bibel. Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung, Würzburg, 2. Auflage 1900
- Jakob Kremer: Lukasevangelium, in: Die neue Echter Bibel. Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung, Würzburg, 1988