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Mt 9, 35 - 10, 1 (2-4) 5-10 | Gen 18, 1-10a | Kol 1, 24-28 | Lk 10, 38-42 |
Ev. Predigttext: Mt 9,35-10,10
Der Text bietet für die Predigt manche Anhaltspunkte: die den Jüngern aufgetragenen Wunder der kirchlichen Mitarbeiter:innen (Macht Kranke gesund … etc.), der offenbar bereits in der Antike herrschende Fachkräftemangel (Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter) und die nicht ganz klare Verdienststruktur der Kirche (umsonst gebt und der Arbeiter ist seiner Speise wert).
Von besonderem Interesse ist die Zielgruppenbestimmung der Kommunikation des Evangeliums: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht nicht in eine Stadt der Samariter. Wir wissen heute, dass die Zielrichtung christlicher Missionstätigkeit anfänglich unklar, dann auch umstritten war. In Mt 9/10 hören wir einen Jesus, der die Seinen „zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel“ schickt, Griechen und die Samaritaner sind dagegen missionarisch irrelevant. In Apg 15 erfahren wir vom Streit zwischen den Aposteln über die richtige Strategie, Zielgruppen und religiöse Auflagen, wie z.B. die Beschneidung. Gal 2 spiegelt Paulus diese Ereignisse in eigener Darstellung. In Joh 4 liest man von einem Jesus, der sich mit einer samaritanischen Frau unterhält, als wäre das gar kein Problem.
Diese Begegnung von Völkern und Bevölkerungsgruppen, Ethnien und Religionen, die Probleme der Inkulturation des Evangeliums weisen auf die Dimension kultureller Nachhaltigkeit. Nachhaltige Lebensweisen entstehen dann, wenn kulturelle Charaktere bedacht, geschützt, ja, bestärkt werden!
Dazu gehört zuallererst die wertschätzende Begegnung, das Interesse an anderen und der Art wie sie leben. Beispiele, wie dies gerade nicht geschieht, gibt es zuhauf: die Kolonialgeschichte Europas belegt, was Entwurzelung von Menschen, Gleichmacherei der Kulturen, um anderen angeblich die Zivilisation zu bringen, und übrigens auch religiöse Bevormundung für verderbliche Folgen haben können.
Dabei geht es nicht darum, sozusagen den Mythos des „glücklichen Wilden“ hochleben zu lassen. Aber es gibt einem Zusammenhang zwischen solcher kulturellen Okkupation einerseits und dem Verlust an indigenem Wissen, der Kenntnis alter Techniken bis hin zu alten Pflanzensorten andererseits.
An dieser Stelle kann also ein wenig gegen den Text gesprochen werden: solche Begegnungs-Tabus helfen dieser Welt nicht weiter, im Gegenteil. Das Christentum ist dann ja auch schnell einen anderen Weg gegangen. Aber gewaltförmige Assimilationsvorgänge sind wiederum keine Begegnung und fördern Verelendung, Verarmung und die Ausbeutung von Mensch und Natur. Niemand aber glaubt die frohe Botschaft vom nahekommenden Himmelreich, wenn solche Begegnung ohne Respekt, Lernbereitschaft und gutes Benehmen geschieht.
Die Predigt könnte also ein Anlass sein zu überlegen, wie und wo wir unser Christsein bezeugen und wie und ob dabei die Zukunft dieser Welt zur Sprache kommen kann.
1. Lesung röm.-kath.: Gen 18,1-10a
Eine berühmte Geschichte, die nichts anderes als einen überraschenden Besuch schildert. Sind es drei, ist es ein Mann? Während man aus diesem Changieren der Besucher früher weitreichende Schlüsse zog, kann man heute die Freiheit haben, die Erzählung als Erzählung zu genießen.
Vom Ende her betrachtet scheint es um DAS Abraham-Thema zu gehen: „ich will dich zum großen Volk machen“ hieß es in Gen 12,2, doch diese Angelegenheit stagnierte. Unter dem Vorzeichen, dass es weitergehen würde und die Familie wächst, war die Zeit dahingegangen, die Worte Gottes jedoch waren hohl geworden, ein leiser Zynismus umgab zuweilen die Worte der älter werdenden Leute jenseits des Klimakteriums. Sara „lacht bei sich selbst“ (18,12) als sie erneut die alte, aber ihr inzwischen realitätsfern erscheinende Botschaft der drei-in-einem hört.
Man dürfte bei diesem Text gut beraten sein, wenn man besonders wertschätzt, was er erzählt: ein Wiederbegegnen mit der alten Verheißung, dass das Leben weitergehen wird. Solche Worte muss man gut behandeln, Wasser geben, Füsse waschen, in den Schatten setzen. Essen für den Magen (und das Herz), ein Kalb – zart und gut – lässt sein Leben. Ein großartiges und überaus freundliches Fest, wie für einen verlorenen Sohn.
Vielleicht kann dieser Text gelesen werden als eine Schule des Feierns. Feiern will aber gelernt sein, denn dabei geht es nicht um das Schmausen und Prassen auf Teufel-komm-raus wie unsere Welt es viel zu viel kennt. Es geht um Beschützen dessen, was auf einen zukommt, es geht um Gemeinschaft mit denen, die einem bislang fremd waren. Es geht um waren Genuss angesichts einer immer mehr verschwindenden Zukunft.
Eine Schule der Nachhaltigkeit könnte das Fest sein. Möglicherweise scheitert unsere Zukunft nicht daran, dass wir zu wenig Asketen sind, sondern daran, dass wir zu wenig und zu schlecht feiern, nicht wertschätzen, nicht ausgelassen sind, wenn Schönes auf uns zukommt. So gesehen kann man auch die besuchte Sara ertragen, wenn sie angesichts einer ausbleibenden Zukunft nur noch irre kichert. Wer wollte es ihr verdenken? Bekommen wir Sara wieder zurück auf die Tanzfläche der guten Feste dieses Lebens?
2. Lesung röm.-kath.: Kol 1,24-28
Ein Text, der mit Macht in die Haustür fällt und als Gast keinen guten Eindruck macht: jemand freut ich in Leiden, die er für uns trägt. Bedrängnisse werden „ergänzt“, es geht um einen Heilsplan, in dem der Autor offenbar eine besondere Rolle einnimmt. Dafür verkündet er, ermahnt und belehrt. Man sieht vor seinem geistigen Auge ein Frontalprogramm am Lehrerpult ablaufen, das einen ein wenig schaudern lassen könnte.
Immerhin ist der letzte Satz des Textes vielleicht eine gute Predigtfrage für die Gemeinde: wofür mühe ich mich, wofür kämpfe ich? Und zwar: nicht einfach so kämpfen, sondern mit der Kraft Jesu Christi?
Der gesellschaftliche Einsatz für ein nachhaltiges Tun in Wirtschaft und Bildung, in Kultur und vielen technischen Bereichen ist zuweilen für die Akteurinnen und Akteure entsagungsvoll, ja, entmutigend. Solche Dinge können beim Namen genannt werden, aber wenn man von dort auf den Text blickt, mögen sich doch der eine oder andere interessante, anregende Wink für ein fröhliches Tun ergeben: vor allem ist zu sagen, dass Christus, die Hoffnung auf Herrlichkeit, unter uns ist (V.27). Was kann es eigentlich bedeuten, dass wir „dass wir jeden Menschen vollkommen darstellen in Christus“? Was bedeutet das für eine Ethik für heute? Hier bieten sich der Predigt reichlich Möglichkeiten für Einfälle!
Evangelium röm.-kath.: Lk 10,38-42
Wenn man sich auf die oben beschriebene Lesart von Gen 18 einlässt, dann kommen einem die Damen Marta & Maria nicht unbekannt vor. War es dort Sara, die sich wund gerieben hatte an der fruchtlosen Wirklichkeit und der nicht eintreffenden Ankündigung, so ist es hier Marta, die im „Dienst“ aufgeht. War es dort Abraham, der akribisch und mit hohem Aufwand unversehens auftauchende Gäste / einen Gast bewirtet und ihnen und sich wohltut, so ist es hier Maria, die zu Füssen des Herrn sitzt und seinen Worten zuhört. Aktivistisches steht gegen kontemplatives Leben. Oder es steht an der Realität zerschellte Hoffnung gegen die liebevoll hergerichtete Feier, wenn jemand wie Gott selbst zur Tür hineinkommt.
Auch hier geht es erneut um die Frage der Motivation zum Handeln, auch wenn solches Handeln wirklich entsagungsvoll ist, ja kränkend wirkt. Wenn die Arbeit zur Sorge mutiert, macht sie auf Dauer den Tag grau und die Seele dunkel. Eifersucht wächst gegen die, die sich darauf verstehen, das Schöne des Moments zu feiern. Die Schaffenden ersticken zuweilen unter den Bürden der tatsächlichen oder nur gefühlten Dienste. Auch die Motivation für eine nachhaltige Lebensweise, für Menschenrechte oder für den Frieden braucht diese Momente des Hinhörens. Man kann und darf etwas an sich heranlassen, etwas für sich geschehen lassen.
Dr. Thomas Schaack, Nordkirche