Quasimodogeniti / 2. Sonntag der Osterzeit
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Joh 21,1-14 | Apg 4, 32-35 | 1 Joh 5, 1-6 | Joh 20, 19-31 |
Ich bin eingesprungen als Impulsgeberin für diesen Sonntag. Zweifelnd fragte ich mich, ob es mir gelingen wird… KURZfristig und NACHhaltig könnten sich in die Quere kommen….Da hat er mich ermutigt, der Name dieses Sonntages: Quasimodogeniti. Einer meiner Lieblingssonntage! „Wie die neugeborenen Kinder“, auch Kleinostern genannt. Danach suche ich in diesen Zeiten. Ich spüre immer wieder, Auferstehen braucht seine Zeit, füreinander, miteinander und ganz persönlich damit es nachhaltig wirkt, tatsächlich verwandelt und Neuanfänge ermöglicht. (Wieder)Geburt ist eine Verbindung von Schmerz und Hoffnung inmitten Sehnsucht und Verzweiflung. Wie viele Menschen, Geschöpfe und die Natur warten darauf: Neugeboren zu werden, neu zu werden, wertgeschätzt zu genesen. Quasimodogeniti ist Ausdruck des Ringens zwischen Tod und Leben, Leid und Freude, Sorge und Dankbarkeit. Gott leitet uns Richtung Leben. Er segnet uns auf unseren Wegen, besonders dann, wenn wir spüren wie zerbrechlich Menschenleben, wie bedroht Gerechtigkeit und wie zerstört Schöpfung ist. Unsere Wirklichkeit kann zerfallen, erfahren und spüren wir deutlich in unseren Ängsten und Erlebnissen. Wir pendeln zwischen Osterlicht und Todesfinsternis. Gehen wir auf die Suche nach nachhaltigen Auferstehungsimpulsen im evangelischen und in den katholischen Predigttexten dieses Sonntages in der Osterzeit.
Johannes 21, 1-14 - Quasimodogeniti: Fischen und aufgefischt werden
Es ist eine der Geschichten, die in unterschiedlicher Form zu verschiedenen Zeiten in allen Evangelien erzählt werden. Berufungserlebnis wider die Vernunft und gegen die Erfahrung. Am Anfang der gemeinsamen Arbeits –und Verkündigungszeit mit Jesus (zum Beispiel Lukas 5.1-11) und nach dem Ende. Auferstehung des Auftrages, Wegzehrung und Vergewisserung. Das Erlebnis ist das gleiche wie beim Kennenlernen. Erschöpfte frustrierte hungrige Fischer, die umsonst arbeiten und demoralisiert sind. Durch seine Ansprache und bestimmte Worten wird Jesus erkannt und sein Auftrag umgesetzt. Daraufhin wird alles gut, überreichlich der Fang. Hinter dem Fischen wird der Auftrag erneuert. Trotz aller anderen wiederkehrenden Alltagserfahrungen vertraut Simon, der Petrus weiter dem Wort des Herrn. Er verlässt seine Sicherheit, schiebt seine Bedenken beiseite und FÄNGT (an). In Dietrich Bonhoeffers Glaubensbekenntnis von 1943 heißt das: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ Gott ist der Meister der Anfänge! Bonhoeffer bekennt weiter: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.“
Der Fischer Simon Petrus ist sich seiner Sache nicht sicher, dennoch wird er Simon, zu Deutsch der Fels, auf den Jesus seine Kirche baut. Die Geschichte erzählt nicht nur vom Gewinnen sondern auch vom Scheitern. Menschenworte werden durch Gottesworte ergänzt, verändert, erweitert. Am Ende erstehen Vertrauen und Glauben auf. Kraft und Mut werden erneuert. Gaben werden verteilt. Dabei sollen wir keinen Menschenfischern ins Netz gehen. Wir brauchen uns nicht verstricken lassen in Netze aus Drohungen und Verheißungen. Wir brauchen nicht aus einzelnen Buchstaben und Worten den Willen Gottes herauszufinden. Er fängt uns nicht ein. Wir sind frei, ihm aus uns heraus zu folgen, gegen Angst und Absterben. „In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ bekennt Dietrich Bonhoeffer in einer lebensbedrohlichen sehr einsamen Situation. Quasimodogeniti: Immer wieder lassen sich Menschen rufen, glauben inmitten schlimmer lebensbedrohlicher Umstände, schlechter Erfahrungen und düsterer Prognosen. Der Glaube führt zwar in die Tiefe, aber nicht in die Untiefe.
Er trägt, überrascht und entwickelt ungeahnte Kräfte. Wir Menschen sind und bleiben Berufene, Beauftragte – von Petrus bis heute. Wer Jesus heute nachfolgt kann tatsächlich Menschenfischer werden. Auftrag zur Rettung aus der Tiefe, auch aus gekenterten Flüchtlingsbooten. Auferstehung. Ein Schiff unserer Kirche ist unterwegs. Ein umstrittenes Projekt, aus einer Kirchentagsentscheidung heraus geboren. Grund für manche, die Kirche zu verlassen. Auffischen und gemeinsam Mahl halten. 500 Organisationen bilden das Bündnis Unitet 4 Recue. Zu allen Zeiten gibt es die Petruse, immer das gleiche. Uns packt die Sorge, dass das Boot sinkt und wir untergehen. Selbst ein guter Fang ist unheimlich. Zu viele Fische, Boot überladen, Netze zerreißen. Jesus sagt: Kommt zueinander und haltet gemeinsam das Mahl. (In anderen Geschichten: „Fürchte dich nicht!“). Fangt Menschen auf, die hungern nach Gerechtigkeit und verloren gehen. Heilt zerbrochene Gemeinschaft! Ab August 2020 fischt Petrus mit der Seewatch 4 Menschen aus dem Mittelmeer, Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Nordafrika, egal, wo sie herkommen. Ihr Leben wird gerettet und sie finden Boden unter ihren Füssen. Die Unsicherheit bleibt, das Ringen ums Überleben und gelingende Gemeinschaft. Manche verlassen deshalb unsere Kirche. Auch seinerzeit wollte Petrus lieber nicht alle einsammeln, nur die, die seine Sprache sprechen, die derselben Religion angehören, die gleichen Regeln befolgen…
Wir sind von Gott begabte Menschen und fangen in seinem Namen an zu handeln.
Apostelgeschichte 4, 32-35 - Quasimodogeniti–Anfang
Güter- und Lebensgemeinschaft der ersten christlichen Gemeinden, die fair trade Gemeinde nicht nur aus Idealismus sondern aus praktischen Überlebensgründen einer jungen angefochtenen bedrohten Gemeinschaft. Vereinzelung und individuelle Absicherung des persönlichen Wohlstandes sind das Gegenteil von „Ein Herz und eine Seele“. Berufung ist Verantwortung für gerechte Verteilung in einer generationsübergreifenden Lebensgemeinschaft, die überlebt, weil sie teilt, kräfte- und ressourcenschonend. Unsere auf Effizienz getrimmte egozentrische Intelligenz können wir mit Herzenswärme aufladen und so der Angst entkommen, wir müssten, wenn wir teilen oder sparen auf allzu viel persönlichen Wohlstand verzichten. Denn wenn wir für unser tägliches Brot danken, dann verspeisen wir bereits das Brot der Anderen… Um den Nächsten in der Ferne zu helfen, ist es entscheidend, herauszufinden, was wir tatsächlich miteinander teilen können. Wir üben ein, wann und das es reicht. Global denken – lokal handeln, das ist die Grundeinsicht der ökologischen Bewegung.
1. Johannes 5, 1-6 - Quasimodogeniti–Wandel
Klimawandel – Lebenswandel, Auftakt zum Umdenken, landeskirchliche Kampagne 2011 in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. Impulse dazu finden sich auch in diesen Bibelversen. Christlicher Glaube setzt Kräfte frei um die Verbindlichkeit der Gebote wiederzubeleben. Versteckte Potentiale, um vor der eigenen Haustür zu kehren. Neugeboren werden zur Nächstenliebe, Feindesliebe, Menschenliebe. Auferstehen im Geist der Wahrheit und Erkenntnis. Bewusster Neuanfang geschieht durch die Taufe. Heutzutage ist das oft der Beginn eines persönlichen konziliaren Prozesses, denn Jesus Christus eröffnet uns ein von Liebe getragenes Leben in der Hoffnung auf das kommende Reich Gottes mit dem Gespür für neue Orientierung aus dem verantwortliches Handeln wächst. In einer Kampagne stecken ganz konkrete Aktionen vor Ort, das „Kräuterbeet des eigenen Lebenswandels“ gedüngt durch die Kraft des Glaubens. Wir ändern bewusst unseren Lebensstil. Menschliche Freiheit ist Gestaltungskraft in veränderbaren Grenzen. Mit einer vorwiegend materiellen Lebensorientierung verfehlen wir diese Lebensmöglichkeiten. Der Heilige Geist kann uns beflügeln, aus den Selbstrechtfertigungen, Sachzwängen und Strukturen herauszutreten und in der uns geschenkten Freiheit zu handeln.
Johannes 20, 19-31 - Quasimodogeniti–Friede
… zwischen Angst und Vertrauen, der in ungeplanter Begegnung und überraschender Zuwendung neu geboren wird. Sein Erkennungszeichen: Der Gruß, in dem biblischer Schalom steckt, Zufriedenheit – Zu-Frieden-heit. (In meiner Fantasie wird daraus: Zum Frieden hin.) Nicht der Zustand, sondern der gemeinsame Weg beginnt mit „Schalom“. Zweifel und Nachfragen sind erlaubt. Jesus öffnet sich dafür. Er zeigt seine Verletzungen, legt die Todesspuren offen und erneuert damit den Auftrag zum Frieden stiften. Dabei bleibt es zutiefst menschlich, sich abzusichern. Erst was ich sehe, wird wahr. Thomas darf berühren, um berührt zu werden. Glauben wider die Erfahrung ist für manche unmöglich. Im Geist des Friedensgrußes geschieht ehrliche Aussprache und neues Aufeinander zu gehen trotz Bedenken und Zweifel. Schalom ist der Prozess aktiver Auseinandersetzung und Bemühungen ohne genau zu wissen, was genau das Ziel sein wird. Das kann als Risiko gesehen werden, ist aber eine große Chance, diese Welt zu gestalten und zu ändern. Es gibt eine tiefe Kluft zwischen dem, was Christ*innen nach ihren Erkenntnissen gemeinsam mit allen Menschen verändern müssen und dem, was sie tatsächlich zu verändern bereit sind (vielleicht…). Thomas ist die Symbolperson, die verharrt zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sein Wunsch nach Sicherheit und Wohlstand und seine Erkenntnis lebenszerstörerischer Bedürfnisse und seine Ahnung notweniger Einschränkungen werden durch das Verständnis Jesu aktiviert.
Christina Weigel, Saalfeld