Quinquagesimae – Estomihi / 5. Sonntag im Jahreskreis (10.2.13)

Sonntag Estomihi

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 18, 31-43 Jes 6, 1-2a.3-8 1 Kor 15, 1-11 Lk 5, 1-11

 

Spruch der Woche: Jesus sagt: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lk 18,31)

Der Sonntag Estomihi eröffnet auch in diesem Jahr wieder die Faschingswoche mit Rosenmontag und Faschingsdienstag, wirft aber mit einem Teil der Texte einen Schatten auf den Aschermittwoch voraus.
Es ergibt sich eine gewisse Diskrepanz: An diesem Sonntag gibt es vielerorts schon Faschingsumzüge und Karnevalsauftritte, der Samstag Abend gehört den ersten Prunksitzungen und Tanzveranstaltungen. Soll man da in der Kirche auch karnevalistisch predigen und auftreten? Mummenschanz für Gläubige verbunden mit dem Saure-Gurken-Thema Nachhaltigkeit?

Da wären ja dann die Auftritte in den verschiedenen Biblischen Lesungen für diesen Sonntag: Ist die Jesajaberufung ein Faschingsscherz, die Heilung des Blinden ein Spitzenauftritt Jesu, die Reaktion der Jünger auf die Leidensankündigung ein Hellau-Rufen, die Berufung der Jünger aus ihren Fischernetzen eine große Verkleidung/Kostümierung als Menschenfischer und die Auferstehung der Auftakt zur Prunksitzung??
Es wird die Kunst der Prediger/innen an diesem Sonntag sein, das Netz (um im Bild von Lk 5 zu bleiben) ganz weit auszuwerfen, um die, die an diesem Sonntag nicht ihren Rausch vom abendlichen Faschingsball, der Karnevalssitzung, ausschlafen, einzubinden in die weit ausholenden Gedanken dieses Sonntags, die in ihrer Gesamtheit nichts weniger als die gesamte Heilsgeschichte umfassen. Von der Berufung des Propheten Jesaja mit der dazugehörigen Sündenvergebung Jes 6 spannt sich der Bogen über eine Heilungsgeschichte und die Leidensankündigungen in Lk 18 hin zur Auferstehungsbotschaft in 1 K. 15 bis zur Berufung der ersten Jünger, die zu Menschenfischern werden sollen in Lk 5. Die Nachhaltigkeit scheint sich von daher zunächst als theologische Nachhaltigkeit zu definieren. Wo kommen wir her als gläubige Christen, was hat unseren Weg von Anfang an nachhaltig geprägt. Nachhaltigkeit aber beinhaltet natürlich nicht vor allem den Blick zurück, sondern vor allem den Blick nach vorne. Wie lässt sich das Mitgebrachte so erhalten, dass es zueigen wird und bleiben kann.

 

Lk 18,31-43:

Die Perikope erscheint in ihrer Zusammenstellung vielen Auslegern in Predigtmeditationen als Problem: Wie kann ich die Leidensankündigung mit der Blindenheilung verbinden, wie kann sich aus den beiden so disparat wirkenden Texten ein Gesamtes ergeben. Bei einer Meditation zum Thema Nachhaltigkeit stellt sich diese Frage auf den ersten Blick erst recht. Wenn aber die beiden Texte im Zusammenhang des lukanischen Konzepts der Reise Jesu hinauf nach Jerusalem zu seiner Vollendung gesehen werden, ergeben sich folgende Gedanken:
Zunächst erweist sich die Leidensankündigung Jesu als nachhaltig in widersprüchlicher Weise: Das Lebensprojekt Jesu ist für Lukas ein Todesprojekt (Bovon) und das in nachhaltiger Aufnahme aus dem Markusevangelium – dies ist nicht nur aus heutiger Sicht unverständlich, sondern auch schon damals für die engsten Vertrauten Jesu, seine Jünger. Das Jüngerunverständnis fügt Lukas an dieser Stelle redaktionell ein.
Dennoch bleibt die Reise Jesu nach Jerusalem, die für Lukas in diesem Kapitel ein wichtiges Thema ist, kennzeichnend im schwebenden Zustand zwischen Leben und Tod. Wichtige Stationen liegen auf dem Weg: Die Kindersegnung, der reiche Mann mit seinen armen Jüngern, die Leidensankündigung und die Heilung des Blinden von Jericho.
Für die christlichen Leser wird aus der Reise Jesu hin zu seinem Tod in neuer Weise eine Reise ins Leben, ist doch Jesu Tod und Auferstehung der heilsgeschichtliche Weg für uns durch den Tod ins Leben: „Der Aufstieg nach Jerusalem, den die Leserinnen und Leser des Lukas im Kopf haben und die Jünger in den Beinen spüren, hat ein telos, ein Ziel, einen Zweck, der eine Vollendung sein wird." (Bovon, 246) Damit aber sind die Zukunft und die Reise zu ihr hin nicht bedeutungslos – und folgenlos.
Ebenso wie Jesus nachhaltig an seiner Reise hinauf nach Jerusalem festhält bzw. auf ihr voranschreitet, gilt es auch für die Jünger/innen damals, die Leser/innen des Lukas und die Christen heute nachhaltig an dieser Reise in die Zukunft festzuhalten, auf ihr voranzuschreiten. So wie für Jesus auf seiner Reise Begegnungen dazu gehören, von denen Segen und Heilung ausgeht, so wie für ihn der prophetische Blick und das prophetische Wort wichtig sind, ist es auch für die Christen in seiner Nachfolge wichtig, prophetisch zu reden und so zu handeln, dass davon Segen ausgeht. Immer wieder müssen sich Christen fragen lassen, ob die Reise noch den richtigen Kurs nimmt. Der aber kann nicht heißen: Lasst uns in den Abgrund eilen, indem wir alles Leben um uns herum benutzen statt es zu fördern, indem wir die sozialen Verhältnisse vernachlässigen und es bei den Fehlentwicklungen der Welt belassen. Vielmehr heißt nachhaltig in der Nachfolge Jesu auf der Reise zum telos unterwegs sein: die Augen unterwegs offen zu halten für die Orte, an denen heilende oder warnende Worte nötig sind, für die Entwicklungen, bei denen Augen geöffnet werden können, für Begegnungen, aus denen heilsame Veränderungen hervorgehen. Dass Gott auf dieser Reise so manches Mal verborgen erscheint, wird dann auch keinen Abbruch der Reise zur Folge haben. Jesus Reise ist als Ermutigung zu verstehen: Es lohnt sich, auf Lebensförderliches zu achten und mutigen Schritts zu gehen! Und dies vertrauensvoll wie der blinde Bettler am Wegesrand. Am Ende steht das Gotteslob (Lk 18,43)!

 

Jes 6:

Nachhaltig Gottes Wort verkündigen und prophetisch reden kann nur der, der mit Recht von sich sagen kann: Die Stimme des Herrn hat gerufen: Wen soll ich senden? Und ich antwortete: Hier bin ich, sende mich (v. 8). Das sich daran anschließende selbstbewusste Auftreten ist freilich nicht nur auf diesen Dialog gegründet, sondern auf die vorangehende Reinigung der Lippen, durch die die Schuld getilgt und die Sünden vergeben sind. Alles lautstarke und manchmal zurecht fordernde Auftreten für Nachhaltigkeit sollte deshalb immer in dem Bewusstsein geschehen, dass die da reden zwar gerufen sind, aber auch nur vollmundig sprechen können, wenn sie sich immer neu auf die Vergebung ihrer Sünden gründen.

 

Lk 5:

Die Berufung der ersten Jünger, eine wunderbare Geschichte mit einem wunderbaren Fischfang, endet mit dem wunderbaren Satz: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen (v.10)! Auch hier steht aber dahinter nicht nur die Freude über das Wunder, sondern auch die Erkenntnis des Simon über seine Sündhaftigkeit. Wer von Jesus in die Nachfolge gerufen ist, der muss die Last seiner Sünden nicht mehr fürchten. Der kann getrost seine Boote an Land ziehen, alles zurücklassen und ihm nachfolgen. Der Ruf erfolgt nachhaltig und ohne, dass er wiederholt werden müsste: Auf geht's – werft eure Netzte aus und lasst nicht locker dabei! Diejenigen, die sich darin fangen lassen, werden mit euch gemeinsam nachhaltig den Weg in die Zukunft gestalten.

In welche Zukunft? Diese Frage beantwortet schließlich 1. Kor 15: Hier steht das Grundbekenntnis der Auferstehung. Die hier in v. 3b-5 zitierte Glaubensformel ist das vielleicht älteste Auferstehungszeugnis überhaupt. Paulus bindet hier die heilsgeschichtliche Bedeutung vom Sterben Christi mit der Bezeugung der Auferstehung zusammen und macht durch die jeweilige Bestätigung der beiden Vorgänge, das Begräbnis bei dem Sterben und die Erscheinung bei der Auferweckung nachhaltig theologisch deutlich, welchem Ziel die Zukunft der Gläubigen entgegengeht. Dann aber gibt es kein Halten mehr!

Dr. Ulrike Schorn, Gutenstetten

Literatur
Francois Bovon, Das Evangelium nach Lukas (Lk 15,1 – 19,27), EKK III/3, 2001

TEXTBEIGABE:

Da wird ein Ufer
Zurückbleiben.
Oder das Ende eines
Hohlwegs.

Noch über letzte Lichter hinaus
Wird es gehen.

Aufhalten darf uns
Niemand und nichts!
Da wird sein
Unser Mund
Voll Lachens –

Die Seele
Reiseklar –

Das All nur eine schmale Tür
Angelweit offen –

Heinz Piontek (EG S. 917, Regionalausgabe Bayern/Thüringen;
in den Regionalausgaben Mecklenburg und Württemberg befindet sich der Text jeweils im Stammteil ebenfalls nach Nummer 522, aber mit anderer Seitenzahl)