Reformationstag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. Evangelium |
Phil 2, 12-13 | Phil 1, 1-11 | Lk 14, 1-6 |
Der Verfasser betrachtet den Predigttext der EKD Reihe VI sowie die Lesungstexte der katholischen Leseordnung. Stichworte zur Nachhaltigkeit: den Einsatz für die Umwelt und das Gelingen der eigenen Aktivitäten von Gott her verstehen (Phil 2); gemeinsam für die Bewahrung der Schöpfung eintreten (Phil 1); den Schutz des Lebens nicht durch religiöse Regeln begrenzen lassen (Lk 14).
Stellung im Kirchenjahr
Der Reformationstag fällt in die sogenannte Michaeliszeit, die zur Endzeit des Kirchenjahres überleitet. Der 31. Oktober dient der Erinnerung an Luthers Thesenanschlag in Wittenberg im Jahr 1517.
Der junge Luther wollte mit seinen 95 Thesen eine Diskussion über die damals gängige Ablass- und Bußpraxis einleiten. Die Folgen dieses Anschlags sind bekannt: aus der reformatorischen Bewegung wurde später die evangelische Kirche. Mit Luthers Betonung des Priestertums aller Gläubigen weist der Reformationstag zudem mit eigener Zuspitzung auf die Motivik des im Kirchenjahr folgenden Allerheiligenfestes hin (1. November). Die liturgische Farbe des Reformationstages ist in der Evangelischen Kirche Rot, die Farbe des Heiligen Geistes und der Kirche. In der katholischen Kirche wird das Grün der Erntedankzeit verwendet.
Phil 2, 12-13
Exegetische Überlegungen
Paulus schrieb den Brief an die Gemeinde in Philippi vermutlich um 60 n.Chr. während er in Rom in Gefangenschaft gehalten wurde. Knapp 10 Jahre zuvor hatte der Apostel die Gemeinde gegründet. Soweit wir wissen, war es die erste paulinische Gemeinde in Europa.
Die Verse der Perikope stehen am Ende einer Mahnrede zur Einheit in der Gemeinde. Das antike Philippi war unserer Zeit insoweit ähnlich, als sich in ihm eine Vielfalt von religiösen Anschauungen mischte. Paulus ruft die Gemeinde angesichts dieser Situation zur Einheit auf. Sie lässt sich realisieren in Ausrichtung auf Christus: So wie Christus nicht seinen eigenen Vorteil gesucht hat, sondern für andere da war, sollen auch die Gemeindeglieder im Streit ihre eigenen Interessen zurückstecken und in Einigkeit miteinander leben.
Predigtimpulse
Wie Leben gelingen kann, ist eine Frage, die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt hat.
Paulus plädiert in einer seltsamen Paradoxie dafür, sich einerseits mit aller Kraft um die eigene Seligkeit zu bemühen, sich andererseits aber bewusst zu sein, dass die persönliche Motivation
wie auch der Erfolg der eigenen Bemühungen von Gott gewirkt werden.
Die Sorge um das Heil wird so aufgehoben im Wissen um die wirksame Gegenwart Gottes.
Dieses Ver- und Einlassen auf Gottes Wirken kennzeichnet dabei den protestantischen Weg,
den Luther beschritten hat und der mit der Feier dieser Gabe und der frohen Hinwendung
zum Nächsten verbunden ist. Die Mühe, selig zu werden steht damit nicht am Anfang,
sondern resultiert aus der jedem Einzelnen zugesprochenen Gerechtigkeit Gottes.
Mit anderen Worten: Die von Paulus vorgestellte Paradoxie wird aufgelöst, wenn man Vers 13
vor Vers 12 stellt und die Sorge um die eigene Seligkeit vertrauensvoll dem Gott überlässt, der zum Wohl seiner Schöpfung mit dem Heiligen Geist in Jesus Christus für das gelingende Leben wirkt.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Auch im Bemühen um Nachhaltigkeit wird viel geschafft. Dies ist angesichts der erschreckenden Zukunftsszenarien auch dringend nötig. Doch Furcht und Zittern sind hier nicht die besten Ratgeber. Vielmehr bringt das Wissen darum, dass die natürlichen Ressourcen in derselben Sphäre wurzeln
wie das eigene Leben und das der kommenden Generationen, eine Motivation mit sich, die es erlaubt, sich tatkräftig für den Schutz der Umwelt einzusetzen – und zu wissen, dass sowohl diese Motivation wie auch der Schutz der Umwelt letztlich in Gottes Hand liegen.
Phil 1, 1-11
Exegetische Überlegungen
Aus seiner Gefangenschaft heraus beginnt Paulus den Brief an die Gemeinde in Philippi mit einer Danksagung an Gott und dem Wunsch, nahe bei seiner Gemeinde zu sein. Inmitten seiner widrigen Situation gibt er dabei der Zuversicht Ausdruck, dass Gott alles zum Guten wenden werde (Phil 1,6).
In diesen Zeilen spiegelt sich die besondere Beziehung zwischen Paulus und der Gemeinde in Philippi wider: Paulus hatte die Gemeinde vor Ort nicht nur um 49 n.Chr. gegründet, sondern sie nach der Gründung noch mindestens ein weiteres Mal besucht. Neben weiteren Briefwechseln räumte der Apostel der Gemeinde auch den Vorzug ein, ihn bei seiner Tätigkeit unterstützen zu dürfen (Phil 4,18).
Predigtimpulse
Paulus betont in seinem Briefanfang an die Gemeinde in Philippi das Verbindende: Indem Gott Menschen an allen Orten der Erde eine Teilhabe am Evangelium schenkt, verbindet er sie miteinander. So tragen Christinnen und Christen einander im Herzen – auch wenn sie räumlich voneinander getrennt sind. So teilen Christinnen und Christen die Hoffnung darauf, dass Gott sein Werk vollenden wird. Aus diesem gemeinsamen Glauben und dieser geteilten Hoffnung resultiert ein gemeinsames Bemühen: darum, dass die Liebe, die Erkenntnis und die Erfahrung immer mehr zunehmen.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Bewahrung der Schöpfung geschieht oft kleinteilig und regional begrenzt. Das hat auch seinen Sinn. Wichtig ist es aber auch, die Verbindungen zu anderen zu betrachten, um gemeinsam etwas bewirken zu können. Das Wissen darum, dass durch den gemeinsamen Glauben und die Hoffnung auf Gottes Wirken zugunsten seiner Schöpfung bereits Verbindungen bestehen, kann dabei helfen, Netzwerke zu knüpfen und gemeinsam aktiv zu werden.
Lk 14, 1-6
Exegetische Überlegungen
Das um 90 n.Chr. vermutlich verfasste Lukasevangelium richtet sich an heidenchristliche Gemeinden.
Es zielt darauf, die Zuverlässigkeit der christlichen Lehrtradition zu verdeutlichen: Nach dem allmählichen Schwinden der Parusienaherwartung wird das Auftreten Jesu als entscheidender Aspekt der allgemeinen Weltgeschichte interpretiert. Auf die Zeit Jesu als Mitte der Zeit (Lk 4, 14-22) folgt jetzt die Zeit der Kirche als Zeit des Geistes (vgl. Lk 24,49 und Apg 2,1ff).
Predigtimpulse
Alle gut gemeinten Regeln finden ihre Grenze an der Menschlichkeit. Anstandsregeln oder Etikette dürfen die Hinwendung zu dem, der Hilfe benötigt ebenso wenig hindern wie religiös begründete Regeln. Der Schutz des Lebens und damit die Bewahrung der Schöpfung stehen über diesen Geboten. Denn Gott ist ein Gott des Lebens, der sich selbst zum Wohl seiner Schöpfung einsetzt
und diesen Einsatz nicht verbietet.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Bewahrung der Schöpfung setzt nicht aus, wenn Ruhephasen anstehen. Daraus den Schluss
zu ziehen, dass eine rastlose Daueraktivität gefordert wäre, wäre jedoch falsch. Denn zu jeder Aktion gehört eine Kontemplation. Jedes Ausatmen ist mit einem Einatmen verbunden. Die Bewahrung
der Schöpfung sollte geplant und zielorientiert betrieben werden – und sich hin und wieder Auszeiten gönnen. Der im Einzelfall nötige Einsatz für den Nächsten kennt eine solche Auszeit jedoch nicht.
Die direkte Hilfe am Mitmenschen wird durch keine religiöse Regel ausgebremst.
Dr. Felix Blaser