Rogate / 6. Sonntag der Osterzeit
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Tim 2,1-6a | Apg 8, 5-8.14-17 | 1 Petr 3, 15-18 | Joh 14, 15-21 |
Die Kraft des Glaubens
„Rogate" – „Betet" heißt der heutige Sonntag im protestantischen Kirchenjahr. Der römisch-katholische liturgische Kalender spricht nüchterner vom sechsten Sonntag der Osterzeit. Das Gebet steht daher im Mittelpunkt der Lesungstexte der EKD-Leseordnung, aber auch in den Texten des römisch-katholischen Lesejahres geht es um die Kraft des Glaubens und des Gebetes.
Für nachhaltiges Predigen sind diese Aspekte insofern relevant, als sie Antwort auf die Frage geben können, wie Menschen ihr Engagement für eine lebenswerte Zukunft durch Widerstände und Rückschläge hindurch durchhalten können.
Die Hoffnung, die in uns ist (1. Petr 3,15-18)
„Warum engagiert sich die Kirche für die Umwelt? Kann das nicht der BUND viel besser?", viele, die christliche Schöpfungsverantwortung leben, werden sich schon mit dieser Frage konfrontiert gesehen haben.
Der Autor des 1. Petrusbriefes fordert seine Adressat:innen dazu auf, allezeit bereit zu sein, Rechenschaft zu geben, „über die Hoffnung, von der ihr erfüllt seid" (V. 15). Das Leben der jungen Gemeinde, so ist seine Überzeugung, soll nicht im Verborgenen stattfinden, sondern für alle sichtbar und nachvollziehbar. Auf diese Weise soll niemand die Christ:innen verleumden können. Und natürlich hat solches offene Auftreten auch eine missionarische Dimension.
„Tue Gutes und sprich darüber!", dieser Maxime folgt das Umweltengagement in vielen Gemeinden. Andere Menschen entdecken dadurch Möglichkeiten, ihr eigenes Handeln zu verändern, Kirchengemeinden werden zu Pionierinnen des Wandels. Wichtig ist, bei diesem Sprechen tatsächlich auch Rechenschaft darüber geben zu können, aus welcher Glaubensmotivation heraus unser Engagement erfolgt. Bezugspunkte dazu können die Schöpfungserzählungen sein, aus denen sich der Schöpfungsauftrag ergibt, die Erde zu bebauen und zu bewahren, in denen aber vor allem auch die enge Verbundenheit von Mensch und Mitgeschöpf zum Ausdruck kommt. Auch das Schöpferlob in den Psalmen sollte hier nicht unerwähnt bleiben: Psalm 104 spricht von der wohlgeordneten Welt Gottes und der Freude Gottes über alle seine Geschöpfe. Die Betenden stimmen mit ihrem Lobpreis ein in diese Freude Gottes.
Motivation kommt aber schließlich auch aus der Hoffnung, von der wir erfüllt sind – konkret: aus der Hoffnung auf die neue Welt Gottes. Sowohl in den Visionen vom Friedensreich Gottes beim Propheten Jesaja (Jes 11,1-9; 65,17-25) als auch in der Vision vom neuen Jerusalem in der Johannes-Offenbarung (Offb. 21,1-22,5) wird deutlich, welch' gute Perspektive Gott für diese Erde und alle seine Geschöpfe hat.
In der Hoffnung auf und in der Gewissheit des Reiches Gottes können wir daher für eine lebenswerte Zukunft eintreten – allen Rückschlägen und Widerständen zum Trotz. Ein Zitat Dietrich Bonhoeffers: „„Mag sein, dass morgen der jüngste Tag anbricht. Dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen - vorher aber nicht."
Die Kraft des Gebetes (1. Tim 2,1-6a, Apg 8,5-8.14-17 und Joh 14,15-21)
„Tut Fürbitte für die Obrigkeit, damit ihr in Frieden leben könnt!", so fordert der Apostel Timotheus und seine Gemeinde auf (1. Tim 2,1). In der liturgischen Tradition der Kirchen hat dieses Gebet für die Obrigkeit ihren festen Platz – die meisten Fürbitten folgen der Dreiteilung „für die Kirche" – „für die Welt" – „für die eigene Gemeinde".
Manch einem umweltengagierten Gemeindemitglied mag diese Aufforderung zum Gebet vielleicht befremdlich vorkommen, da angesichts der Dringlichkeit der ökologischen Krisen doch Aktion viel wichtiger wäre. Doch sollte die Kraft des Gebets nicht unterschätzt werden:
Im Gebet treten wir einen Schritt aus unserem Alltag und Aktionismus zurück. Das, was uns gelungen ist, bringen wir im Dank vor Gott, dem wir in der Klage aber auch unser Scheitern und unsere Verzweiflung anvertrauen können. Für die Herausforderungen, die vor uns lieben, erbitten wir in der Fürbitte seinen Beistand – und im Gebet für die Obrigkeit eben auch, dass die Regierenden dieser Welt zukunftsfähige Entscheidungen treffen, die dem Leben und dem Frieden dienen.
Diese Selbstzurücknahme und Selbstreflexion aber sind wichtige Elemente eines resilienten Lebensstils, wie er gerade für Engagierte und Aktivist:innen nötig ist, die angesichts der planetaren Herausforderungen nicht den Atem verlieren wollen. „Ora et labora", „bete und arbeite" hat daher schon Benedikt von Nursia in seiner Ordensregel zur Maxime eines guten christlichen Lebens gemacht. Und von Martin Luther ist der Satz überliefert „Heute muss ich viel arbeiten, daher muss ich viel beten."
Ein zweiter Aspekt: Im Gebet verbinden wir uns mit dem Raum Gottes. Die Wirklichkeit unserer Welt wird durchlässig für die Wirklichkeit Gottes. Das Gebet „zieht" Gott in unsere Welt. Auch das ist wichtig für einen resilienten Lebensstil: Nicht wir müssen die Welt retten – das ist Gottes ureigenste Aufgabe und Verheißung. Wir können ihm diese Welt im Gebet anvertrauen – und im Vertrauen darauf, dass wir ihn damit hineinziehen in diese Welt, dann das uns Mögliche tun, um diese Welt lebenswert für alle Geschöpfe und zukünftige Generationen zu bewahren.
Apg 8, 5-8.14-17 und Joh 14,15-21, die zwei weiteren Texte des römisch-katholischen Lesejahrs, sprechen ebenfalls von diesem Gott in die Welt Ziehen. In Joh 14 ist es Jesus selbst, der den Jünger:innen den Heiligen Geist verheißt – als Beistand Gottes, damit sie nach seinem Weggang nicht auf sich gestellt sind. Und in Apg 8 ist es das inständige Gebet der Jerusalemer Apostel für die junge Gemeinde in Samaria, dass dazu führt, dass die Menschen dort die Gegenwart des Heiligen Geistes erfahren.
In Dank, Klage und Fürbitte wird somit deutlich: Wir sind in dieser Welt mit ihren Herausforderungen nicht allein, Gott ist und bleibt mit uns und dieser Welt verbunden. Das gibt Kraft, das gibt Hoffnung und schafft Resilienz.
Von Frère Roger aus Taizé stammt dieser Satz: „Wir wissen nicht, wie oft der Lauf der Welt verändert wurde, weil viele einzelne Menschen über die ganze Erde verteilt, wider alle Hoffnung die Hoffnung nicht aufgaben." Das Gebet ist Ausdruck solcher Hoffnung wider alle Hoffnung.
Wolfgang Schürger, München