Rogate / 6. Sonntag der Osterzeit (10.05.15)

Vorschläge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): 1 Tim 2,1-6a;
2 Mose 32,7-14;
Joh 16,23b-28(29-32)33;
Lk 11,(1-4)5-13;
Sir 35,16-26 oder Dan 9,4-6.15-19;
Mt 6,5-15 [www.stichwortp.de]

 

Rogate / 6. Sonntag der Osterzeit

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 16, 23b-28 (29-32) 33 Apg 10, 25-26.34-35.44-48 1 Joh 4, 7-10 Joh 15, 9-17

Stellung im Kirchenjahr:

Die letzten Sonntage der Osterzeit schöpfen in den Leseordnungen der verschiedenen Konfessionen v.a. aus der Abschiedsrede Jesu in Joh. Sie blicken auf den Auftrag, den Jesus den ersten Gemeinde gibt, und die Zu-Mutungen, die sich damit verbinden. Damit einher gehen Ermutigungen, die den nahenden Beistand, die ganze bzw. unverhüllte Wahrheit thematisieren und auf das Kirchenjahr bezogen natürlich Vorgriffe auf das Pfingstfest bedeuten.

Exegetische Anmerkungen

Joh 16, 23b-28 (29-32) 33: In der Perikope bietet die Leseordnung einen Großteil des Abschlusses der Abschiedsrede Jesu (VV. 16-33) dar, überlässt es aber den Predigenden, die Intervention der Jünger (VV. 29-32) zu integrieren. Ähnlich wie in 14, 25 oder 15,11 fasst Jesus das bis dahin gesagte zusammen, wobei das Besondere der Zusammenfassung jetzt darin besteht, dass alles aktuell nur „in verhüllter Rede“ verkündet wird. Erst zur Stunde der Offenbarung, wenn der Geist die Jünger erfasst und erfüllt, werden diese endgültig in die Wahrheit eingeführt. So stellt Jesus die Jünger in einen Prozess eschatologischen Glaubens, der bei aller Bedrängnis inneren Frieden und Mut zum offenen Auftreten verleiht.

Apg 10, 25-26.34-35.44-48: Die Perikope entstammt der Kornelius- bzw. Petruserzählung (10,1-11,18), der längsten Einzelerzählung der Apg. Gott macht den Juden- zum Heidenmissionar, lässt ihn die einengenden Gesetze, seine Vor-Urteile, letztlich seinen eigenen Horizont überschreiten. Wieder einmal wird Petrus bekehrt, wieder einmal wird er Zögernd-Ängstlichen zu dem Verkünder, der auch gegenüber scharfer Kritik, die sich an Überholtem orientiert (11,1-3) aus Überzeugung und um Gottes und der Menschen willen standhaft bleibt.

Joh 15, 9-17: Im Kontext der Abschiedsrede Jesu entstammt die Perikope einer dritten Szene (15,1-16,3), die den Vater als den Weingärtner, Jesus als den wahren Weinstock und die Jünger als die fruchttragenden Reben beschreibt. Jesu Liebe ist die Energie, die verbindet, Freude schenkt und die Glaubenden von Knechten zu Freunden macht. Gott befreit den Menschen aus Unmündigkeit und Sklaverei, auch indem er ihm alles mitteilt, was er zum erfüllten Leben braucht. Als Befreiter wird der Mensch zugleich geöffnet zum Einsatz für anderen, der die Welt rettet und bleibend erlöst.

Predigtskizze

Gottes Grundanliegen ist die Befreiung der Schöpfung, insbesondere des Menschen aus der Verstricktheit in Egoismus, Sünde und Schuld, und die Versöhnung mit seinem Schöpfer und untereinander (Apg, Joh 15+16). Sein Geist kann den Menschen und das Angesicht der Welt verwandeln (vgl. Ps 104) und er zeigt dies, indem er einzelne Menschen dazu befreit, über den eigenen, begrenzten Horizont hinauszuglauben und zu handeln (Apg). Sie lassen sich von Gottes Geist leiten und teilen seine Liebe mit anderen, damit Unmündigkeit und Unfreiheit ein Ende haben, Menschen aufrecht gehen können (Apg, Joh 16) und die Zu-Mutung annehmen, von Gottes Wort inspiriert Menschen der authentischen und lebensbejahenden Gemeinschaft zu werden (Joh 15; vgl. 1 Joh 4).

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

1. Gottes Liebe hilft Grenzen überschreiten (Apg, Joh 15)

Gott ist die Liebe. Und gibt es ein größeres Glück als lieben und geliebt zu werden? Gott ist Glück, weil er Liebe ist. (…) Jeder von uns fühlt sich als Mittelpunkt der Welt, so wie das Weltbild der Astronomen vor Kopernikus falsch war. Wir interessieren uns nur insofern für die Dinge, als sie für unsere kleinen Interessen nützlich sind. Wir können aber nur glücklich sein, wenn Gott der Mittelpunkt unserer Welt ist. Dann erfreuen wir uns an allem, was lebt, und dass die Dinge so sind, wie sie sind, und das alles geschieht, wie es geschieht, weil Gott es so will, ganz gleich, ob es nun in unsere kleinen Pläne passt oder nicht.

Ernesto Cardenal, Das Buch von der Liebe, 2009, 3. Aufl., Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 47f.

2. Liebe und Wahrheit, die befreit (Apg, Joh 15+16)

Vor einigen Jahren wurde mir gesagt, ich solle meinen Sohn, der den Kindergarten besuchte, untersuchen lassen. Zacharias war vier Jahre alt. Er war oft zappelig und launisch. Es fiel ihm schwer, Tätigkeiten zu Ende zu führen. Schon Kleinigkeiten regten ihn auf. Er war reizbar, und auf Zornesausbrüche folgten Stunden mürrischen Schweigens. (…)

Zacharias wird zwar immer hypersensitiv bleiben, und er wird es immer hassen zu verlieren. Seine Erziehung wird eine Herausforderung bleiben, aber jetzt verstehe ich ihn und schätze seine vielfältigen Gaben. Er ist eine Quelle ungeheurer Freude. Weit davon entfernt, ein potentieller Straftäter zu sein, wie mir warnend prophezeit wurde, ist Zacharias ein wunderbares und glückliches Kind, das sich in aller Unbefangenheit für „genial“ hält. (…) Ich danke Dir Zacharias dafür, dass Du Deine Geschichte mit uns teilst, damit andere Eltern erleben und empfinden können, welche Freude darin liegt, das Leben ihrer Kinder zu verbessern.

Jeffrey Freed/Laurie Parsons, Zappelphilipp und Störenfrieda lernen anders. Wie Eltern ihren hyperaktiven Kindern helfen können, die Schule zu meistern, 2001, Beltz: Weinheim/Basel, 13.17

3. Im Einsatz gegen Knechtschaft und Unmündigkeit (Joh 15)

Die römisch-katholische und die anglikanische Kirche sowie die islamische Al-Azhar-Universität in Kairo und die Free-Walk-Stiftung (http://www.walkfree.org/) engagieren sich künftig gemeinsam gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei. Dazu gründeten sie im März 2014 gemeinsam mit anderen Partnern das „Global Freedom Network“, das sich mit allen verfügbaren Mitteln für Prävention, Opferhilfe und weltweite Aufklärung über diese Verbrechen einsetzen will.

Trotz großer Anstrengungen in vielen Ländern sehen sie Menschenhandel und moderne Sklaverei weiter auf dem Vormarsch. Betroffen seien weltweit mindestens 30 Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die Gründungserklärung betont: "Nur durch die Mobilisierung von Glaubensidealen und gemeinsamen menschlichen Werten schaffen wir die spirituelle Kraft, den gemeinsamen Einsatz und die Vision der Freiheit, um Menschenhandel und moderne Sklaverei auf unserer Welt für immer auszurotten." Die Verbrechen seien von Menschen gemacht und könnten auch mit menschlichem Willen überwunden werden.

Mehr Infos unter http://www.gfn2020.org/

Dr. Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim


Literatur:

Scatena, Silvia u.a. (Hg.): Der Handel mit Menschen = Concilium 47/3 (2011).
Scholl, Norbert: Lukas und seine Apostelgeschichte, 2007, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft.
Thyen, Hartwig: Das Johannesevangelium = Handbuch zum Neuen Testament 6 (2005), Tübingen: Mohr.