Rogate / 6. Sonntag der Osterzeit 2017 [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 11, 5-13 | Apg 8, 5-8.14-17 | 1 Petr 3, 15-18 | Joh 14, 15-21 |
Lk 11, 5-13
Exegetische Hinweise
Lukas als „Evangelist des Gebets“ [Schmithals, 130] stellt in 11,1-13 drei Abschnitte über das Beten zusammen. Die Vv 5-8 richten sich an „den enttäuschten, müde gewordenen, frustrierten Beter.“ [Schmithals, 131]. Der Text trägt eschatologische Züge. Wer bittet, dem wir gegeben etc. (V 9f.) Die Gewissheit um Erhörung und Empfang ist nicht durch gegenteilige diesseitige Erfahrungen umzubiegen: „… man darf seine Spitze nicht umbiegen; es steht nicht da, daß (sic.) der, welcher nicht bittet, auch nicht bekommt, sondern daß (sic.) jeder, der bittet, bekommt.“ [Schmithals 132].
Theologische Impulse
In der eschatologischen Pointe der Erhörungsgewissheit liegt eine enorme Herausforderung. Prekäre Lebensverhältnisse und Ungleichverteilung, Kriegstreiberei, Terror, die Herrschaft des Kapitals sind populäre, wenn auch in der Regel oberflächliche Synonyme für eine Welt, an der das Gebet zu zerschellen droht. Dass der Betende von Gott nicht nur angehört, sondern erhört wird, scheint auch vielen Christen ein brüchiger Trost. Der Betende gerät immer in den unbehaglichen Raum zwischen Verheißung, unabgegoltener Hoffnung und Erfüllung. Wo die Welt auf das Göttliche hin transparent wird, wird die Welt in ihrem Sosein bedrückend. Daran festzuhalten, dass Welt und Leben keine Skorpione sind, die man statt Fischen bekam (V.11), braucht Mut und Demut. Die Geschichte des Betenden ist keine banale oder triviale Siegergeschichte, sowie die Geschichte des Gekreuzigten nicht banal oder triviale Siegerliteratur darstellt. Es geht um „gefährlichen Erinnerung“ (J.B. Metz), die in eine grundlegende und auch unsichere Suche führt. Gefährlich für jene, die sich als Profiteure in den beklagenswerten Strukturen der Welt eingenistet haben. Gefährlich aber auch für jene, die nicht nachlassen, den Vater um das zu bitten, was die Welt am dringendsten braucht: Liebe, Gerechtigkeit, Frieden.
Nachhaltigkeitsaspekte
Nicht einfacher wird die Situation des Beters, wenn man – ganz weltlich - das Hauptgutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen liest. Es heißt dort um Hinblick auf die notwendige Transformation zivilisatorischer Grundorientierungen: „Die Politik muss den angestrebten Wandel für große Mehrheiten annehmbar machen (Akzeptanz), sich Zustimmung verschaffen (Legitimation) und ihnen Teilhabe ermöglichen.“ [WBGU, 8]. Dieser Anspruch führt dann zu der Feststellung, dass wir weltweit auch vor einer „Kooperationsrevolution“ [WBGU, 19] stehen. In dem Gutachten steht Kooperationsrevolution, nicht –evolution. Es stellt sich bereits hier die Frage, wer die Revolte gegen wen anführt bzw. aus welchem Interesse. Es ist von zivilisatorischem Quantensprung die Rede, von einer Umbruchsituation, wie sie vergleichbar ist mit dem „Übergang der Feudalsysteme zu Rechtsstaat und Demokratie“ [WBGU, 21]. Das Wesen politischer Nachhaltigkeit ist in großen Teilen auch eine Suchbewegung. In ihrem Kontext werden neues Wissen und neue Fortschritte immer auch neue Fragen und Herausforderungen hervorbringen. Nachhaltigkeit ist mehr als eine Sache ressourcenschonender operativer Orientierung. Nachhaltigkeit ist eine Sache neuen Denkens, neuen Fühlens, neuen Erkennens und damit umorganisierter und neu organisierter Existenz. Der Begriff der Nachhaltigkeit beschreibt ebenfalls keine Siegergeschichte. Die Suche nach Nachhaltigkeit ist Ausdruck des Seufzens der Kreatur. Dieses Seufzen setzt dort ein, wo Gottes Geist zu neuer Bewusstheit führt. Das Gebet ist in diesem Prozess kein Fremdkörper. Es ist wichtiges Instrument der Orientierung und Vergewisserung.
1 Petr 3, 15-18
Exegetische Hinweise
Der Text gehört zum zweiten Teil des 1. Petrus-Briefes (2,11 - 4,11), in dem es um die „Aufgaben der Christen in ihrer Umwelt“ [Gutbrod, 108] geht. Den Begriff „Umwelt“ fasst Gutbrod dabei (noch) nicht in ökologischer Perspektive. Es geht allgemein um soziale, natürliche, politische und gemeindliche Mitwelt. „Das Stichwort ‚Fremdling‘ aus 1,1 beherrscht den zweiten Briefteil … Er zeichnet die Verantwortung der Christen in ihrer Umgebung.“ [Gutbrod, 109f]
Theologische Impulse
Weil die Gemeinde Christus heilig hält, ist sie bereit zur Verantwortung. „Sie wird nicht mit der Welt paktieren. Sie wird auch nicht fromme Demonstrationen und Propagandaaktionen durchführen. Sie wird etwas sehr Einfaches tun: bereit sein, die Antwort wissen. Lauert auf der einen Seite die Gefahr des feigen Schweigens, so auf der anderen die des auf eigene Methoden vertrauenden Bekehrenwollens. Überzeugen kann die Gemeinde die Welt nicht.“ [E. Schweizer, 74] In der Orientierung an Christus als den Herrn über alle Dinge findet die Gemeinde jene Kernausrichtung, die sie firm macht für Alternativen und Hoffnung.
Nachhaltigkeitsaspekte
Nachhaltigkeit ist kein schlichtes Stoffstrommanagement, sondern ein mentales Projekt, das von alternativen Orientierungen lebt. Als mentales Projekt hat Nachhaltigkeit es zu tun mit den zahllosen Orientierungen, mit denen die unterschiedlichen Programmatiken versuchen, zu punkten und Relevanz zu erhalten. Nachhaltigkeit braucht das Nachdenken über sich selbst, sonst wird sie ohnmächtig in der dünnen Luft der Alltagspopularität und kurzlebigen politischen Programmatiken. Christinnen und Christen beschreiben Transformationsmodelle auf ihre Motive und Wirkungen hin. Aber sie deuten Welt nicht über deren Ziele. Dass die Welt Schöpfung ist, mithin ein Raum für Gottes Zukunft und Möglichkeiten, muss bezeugt werden, ohne dass es die Überzeugung aller werden wird. Anzeichen für Lebenskomplexität finden sich schon früh. Als ein Pionier der Nachhaltigkeitsidee wird häufig der kurfürstlich-sächsische Kammer- und Bergrat Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) genannt. In seiner Anweisung zum nachhaltigen Waldbau (genannt wilde Baumzucht) schreibt er: „Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine sothane [solche R.A.] Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen, dass es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weiln es eine unentbehrliche Sache ist, ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag.“ Kunst, Wissenschaft, Fleiß – bereits im 17. Jhd. wurde Nachhaltigkeit als transdisziplinäre Leistung kultureller Orientierung beschrieben. Die Predigt sucht nach Anknüpfungspunkten, wo solche Transdisziplinarität heute nötig ist, um die vernehmungsbehinderten und visionslosen Prozesse nackter Daseinsvorsorge wieder zum Leben zu erwecken. Auch von Carlowitz hat dabei Gott nicht vergessen. Auf dem Buchdeckel ist zu finden, welcher Instanz sich von Carlowitz in der Summe seiner Überlegungen verpflichtet fühlt. Da steht – klein aber bevor das Buch überhaupt beginnt: „mit Gott“.
Joh 14,15-21
Exegetische Hinweise
Die Abgrenzung der Perikope folgt einem älteren Strukturschema. Danach ist 14,1-26 in den Abschnitt „glauben“ (Vv 1-14) und „lieben“ (Vv 15-24) gegliedert. Jürgen Becker u.a. schlägt eine differenziertere Struktur des Textes vor [Becker, 458ff.], wobei die leitenden Stichworte „Fortgang“ und Wiederkehr“ lauten. Übergreifend thematisiert Joh 14,1-26 die Gegenwart des Erhöhten als Vermächtnis des scheidenden Gesandten.
Theologische Impulse
Die Erfahrung von Geist ist tautologisch. Was vom Geist Gottes gesagt wird, ist selbst eine Erfahrung von Geist. Gottes Geist wird nicht vom Menschen aufgebracht. Vielmehr sind Menschen mit dem Glauben und durch den Glauben eingefügt in diesen Kontext, der als Gegenwart des erhöhten Christus verkündigt wird. Insofern zielt die Predigt nicht auf einen pädagogischen Appell mit dem Ziel einer zu schaffenden oder zu ergreifenden Geistesstruktur. Es geht vielmehr um den Hinweis, dass die Welt nicht verlassen, d.h. geistlos ist.
Wo Fortgang sich ereignet, bleibt die Zukunft durch konkrete Geisterfahrung gestaltbar. Wo Scheitern sich auftut, wird das zukünftige als Einladung in den Geist zur Freude. Liebe (V. 15) und „Wahrheit“ (V. 17) sind keine ethischen Konstrukte, sondern Erfahrungen, die zum Impuls positiver Möglichkeiten werden.
Nachhaltigkeitsaspekte
Die Komplexität globaler Projekte mit dem Ziel, menschliche Zivilisation zu biosphärischen Rahmenbedingungen in die Balance zu bringen, stellt vor die Frage, was der christliche Glaube in ein solches Projektszenario eintragen kann. Christinnen und Christen sind nicht die einzigen Akteure auf der Welt, aber ein wirkungsmächtiger Teil. Ein christlicher Beitrag liegt nicht nur in einer normativen Programmatik, die mit Ge- und Verboten Verbrauchs- und Nutzungsrestriktionen konstruiert. Geist und eschatologische Gegenwart können vielmehr Räume definieren, mit welchen spirituellen Bausteinen die Adaptionsfähigkeit zivilisatorischer Grundentscheidungen an biosphärische Grundbedingungen angepasst werden können (z.B. gelebte Liebe und geübte Wahrheit). Konstatierende Sätze, in denen sich der Glauben innerhalb der Nachhaltigkeitsdebatte artikuliert, haben nicht die Aufgabe, die Welt in einer bestimmten Hinsicht zu charakterisieren. In Sätzen des Glaubens lokalisieren wir uns im Vermächtnis des Erhöhten. Unsere Beiträge haben keine semantisch-deskriptive, sondern eine pragmatisch performative Funktion. Sie stellen dabei zuweilen auch eine heilsame Balance zu jenen Produkten negativer Erbauungsliteratur dar, in denen es seit über hundert Jahren „5 vor 12“ ist. [vgl. dazu Hardmeier/Ott, S. 178].
Rolf Adler, Hannnover
Literatur
Walter Schmithals, Das Evangelium nach Lukas, Zürcher Bibelkommentare NT 3.1, hrsg. von Georg Fohrer et. al., Zürich 1980; Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Hauptgutachten, Berlin 2011;
Karl Gudbrod, Kurze Bibelkunde zum Neuen Testament, Stuttgart 1973; Eduard Schweizer, Der erste Petrusbrief. Zürcher Bibelkommentare, Zürich 19733;
Jürgen Becker, Das Evangelium nach Johannis, Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum Neuen Testament 4/2, hrsg. von Erich Gräßner und Karl Kertelge, Würzburg 1981; Christof Hardmeier/Konrad Ott, Naturethik und biblischer Schöpfungserzählung. Ein diskurstheoretischer und narrativ-hermeneutischer Brückenschlag, Stuttgart 2015