Die Bibel selbst äußert sich auf unterschiedliche Weise zum Ernährungsverhalten und gibt uns Hinweise. Natürlich findet man in der Bibel noch nicht den Begriff "Biosprit": Das Automobil hat erst vor etwa 100 Jahren begonnen, unsere Welt "umzupflügen".
Insgesamt sind christlich tragfähige Positionen gefragt, die über einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren hinausgehen - erreicht werden oft nicht einmal fünf Jahre...
Sind wir so intelligent, um aus 2000 Jahre alten Hinweisen Positionen ableiten zu können, die uns - und nicht nur historischen Adressaten - nachhaltig(e) Orientierung geben?!
Es gibt viele Bibelstellen, die sich direkt oder mittelbar mit dem Thema „Ernährung“ befassen (s.u.), ganz direkt in der Form von Hinweisen (Fleisch- / Blut- / Fettverzehr etc.) oder mittelbar im Kontext (Verteilungs-)Gerechtigkeit, (Land-)Bewirtschaftung oder Themen wie Völlerei, rechtes Maß und Lebensstil. Die zentrale Botschaft der Bibel in der christlichen Überlieferung im Zusammenhang mit „Ernährung“ ist jedoch die christl. Gemeinschaft, überliefert in der Geschichte des Abendmahls: Das gemeinsame Mahl, bei dem geteilt und gegeben wird und Christus mitten unter uns ist.
Gemeinschaft
Ernährung ist etwas Gemeinschaft stiftendes: nicht nur beim Abendmahl, auch die Ernährung in der Wüste, das Fischen mit dem Netz, das zuerst auf der „falschen“ Seite hinausgeworfen wurde, das nächtliche Herausklingeln des Nachbarn, weil zu später Stunde Besuch gekommen war und der Gastgeber nichts anzubieten hatte – in der Bibel überbrückt das Thema Ernährung regelmäßig Unterschiede, Trennendes, Gefahr für Leib und Leben, Angst. Selbst der Schwamm mit Essig angesichts des unausweichlichen Todes erscheint als Geste der Menschlichkeit, als Überbrückung aller sonstigen politischen und weltanschaulichen Differenzen.
Entscheidend und wegweisend ist vielleicht gar nicht so sehr das direkte „Instrument Ernährung zum Praktizieren einer Art Christenpflicht zu Gemeinschaft“, sondern das „Mittel" Ernährung, der Umgang mit Nahrung, Speise und Lebensmittel: dass Gemeinschaft als Gefühl erlebbar gemacht wird. Diese Chance - Gemeinschaftsgefühl auf der Grundlage der Ernährung - wird gerade auf globaler Ebene oft verpasst.
„Hilfe in der Not“ erzeugt ebenfalls ein Gefühl von Gemeinschaft, lässt es spürbar werden. Muss es immer nur Not sein, die uns von Egozentrik auf Gemeinschaft umschalten lässt? Die „Ernährung“ auf dem Planeten Erde, unserer bzw. Gottes Schöpfung, böte auch ohne Not alle Möglichkeiten des Umschaltens!
Können Kulturen, Gruppen und Gesellschaften überhaupt „egozentrisch“ gegenüber anderen sein, oder können das nur Individuen!?
Weitere Implikationen – Altes Testament:
In den fünf Bücher des Mose, angefangen mit der Speisenzuordung der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1, Vers 29 f.), tritt das Thema insbesondere im Zusammenhang mit der Drohung des Nahrungsentzugs aufgrund von Fehlverhalten (Levitkus 26, Vers. 26 ff.) oder Unzufriedenheit (Numerus 11, Vers. 4 ff.: Auszug aus Ägypten) auf. Bei genauem Hinsehen wird aber auch der Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Arm und Reich in Bezug auf Nahrungsmittel angesprochen (Levitkus 19, Vers 9 f.).
Fehlverhalten und Drohung des Nahrungsentzugs, Unzufriedenheit und Verteilungsgerechtigkeit
Drohungen werden in der heutigen Zeit weniger ernst genommen als in der Entstehungszeit der Texte des Alten Testaments (jedenfalls ist das zu vermuten). Jedoch wird implizit die Frage aufgeworfen, was „Fehlverhalten“ in Bezug auf die göttlichen Gesetze (in den alttestamentlichen Texten) in der zeitgeschichtlichen Übertragung bedeutet. Ist die künstliche Erzeugung von Pflanzen, deren Samen nicht mehr der Lage sind, sich selbst zu vermehren, nicht auch ein solches „Fehlverhalten mit der (Be-)Drohung des Nahrungsentzugs“ - ein Unterlaufen eines Grundprinzips der Schöpfung ohne wirkliche Not?
Um auf "Unzufriedenheit" bei der Nahrungsauswahl zu stoßen, muss man besonders in reichen Ländern nicht lange suchen. Interessanter: Die Unzufriedenheit scheint mit den Möglichkeiten zur Wahl anzusteigen. Das wundert uns eigenartigerweise nicht ...!
Der eher sanfte Hinweis zur "Verteilungsgerechtigkeit" in Lev 19, 9-10, nämlich die Nachlese und die abgefallenen Beeren dem Armen und dem Fremden zu überlassen, erinnert an die unglaublichen Mengen von Brot, Obst und Gemüse, die weggeworfen werden, um Marktpreise zu halten. Die Regeln des Marktes sind zu kompliziert, um sie hier detailliert zu diskutieren, aber es darf nachgedacht werden. (Nachdenken über Ernährung ist schon ein Schritt zur Nachhaltigkeit.)
Ein abschließender Gedanke zu Dtn 20 („Wenn du eine Stadt längere Zeit hindurch belagerst, ... sollst du ihrem Baumbestand keinen Schaden zufügen.“):
- "Belagern" Kulturen und Gesellschaften mit ihrer unersättlichen Nachfrage an Papier und (Brenn-)Holz den brasilianischen Urwald?!
- "Belagern" Weltwirtschaft und Konzerne die Städte und Dörfer, die ihr eigenes Saatgut verwenden und zufrieden sind?
Es wird erkennbar, dass die Bibel zum Thema Ernährung mehr zu sagen hat als nur die Regelung des Fleisch- oder Fettverzehrs.
Weitere Assoziationen und zeitgeschichtliche Übertragungen zu den vielen weiteren, unten genannten Bibelstellen seien der Leserin und dem Leser überlassen. Viele Denkanstöße geben die Predigtanregungen von „nachhaltig predigen“. Eine umfassende Betrachtung des biblischen Kontextes von Ernährung enthält der Beitrag von Wilhelm Wegner:
Besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass. –
Diesen Spruch (Spr 15, 17) stellt Wilhelm Wegner, ehemaliger Umweltbeauftragter der der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, seinem kurzen Essay „Was sagt die Bibel zur Ernährung?“ voran. Der Text ist freundlicherweise als direkter Beitrag zu unserem Schwerpunktthema „Ernährung“ verfasst worden.
zum Essay „Was sagt die Bibel zur Ernährung?“ von W. Wegner (PDF-Datei 23 kB)
Bibelstellen
Wolfgang Baur vom Kath. Bibelwerk e. V. stellte uns die folgende Sammlung von Bibelstellen zusammen, die sich mit „Nahrung“ befassen. (Anm. der Red.: Herr Baur bittet, an dieser Stelle auch auf die Hilfen und Materialien zu Bibelarbeit und Gottesdienst auf www.bibelwerk.de aufmerksam zu machen.)
zur Zusammenstellung von W. Baur – 180 Verse der Bibel zum Thema „Nahrung“ (PDF-Datei 27 kB)
(Bitte überlegen Sie im Sinne dieser Themenseite, ob diese 18 Seiten ausgedruckt werden müssen.)
In Kürze folgt außerdem eine kommentierte Auswahl von Bibelstellen, die speziell den sozialen Gesichtspunkt der Ernährung – Verteilung, Gerechtigkeit, Lebenskunst – in den Blick nehmen.
Ergänzende Literaturtipps zur historischen Einordnung:
Bühlmann, Walter: Wie Jesus lebte – Palästina vor 2000 Jahren; Wohnen, Essen, Arbeiten, Reisen, Rex-Verlag
Feinberg Vamosh, Miriam, Frisch, Hermann-Josef: Food of the time of the Bible / Essen und Trinken in biblischer Zeit, Patmos-Verlag
Geiger, Michaela; Christl M. Maier, Uta Schmidt (Hg.): Essen und Trinken in der Bibel. Ein literarisches Festmahl ..., Gütersloher Verlagshaus
Hieke, Thomas: Brot labt das Herz der Leute – Das Lebens-Mittel Brot im Alten Orient und in der Bibel (PDF-Datei 150 kB zum Herunterladen)
Hüttermann, Aloys P. und Aloys H.: Am Anfang war die Ökologie. Naturverständnis im Alten Testament, Kunstmann-Verlag
Paczensky, Gert von, und Anna Dünnebier: Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, Orbis Verlag (in Lizenz d. Knaus-Verlags)