Trinitatis / Dreifaltigkeitssonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
2 Kor 13, 11 (12) 13 | Ex 34, 4b.5.-6.8-9 | 2 Kor 13, 11-13 | Joh 3, 16-18 |
1. Der Sonntag Trinitatis
Viele Kirchenjahreszeiten erzählen Geschichten, bringen Bilder und Lieder zum Klingen. Der Sonntag Trinitatis (Genitiv des lateinischen trinitas, zusammengesetzt aus dem Zahlwort drei und lat. unitas [Einheit])1 bleibt in dieser Hinsicht auf den ersten Blick recht karg. Trinitatis gehört zu den Sonntagen, deren theologischen Gehalt man sich immer neu vergegenwärtigen muss: Hier geht es um die frühkirchlichen Auseinandersetzungen über Gottes Wesen und Gestalt, hier steht die Suche nach dem das logische Denken übersteigende „drei in einem Sein“ im Mittelpunkt. An diesem Ideenfest unserer Kirchen wird deutlich, dass es verschiedene Zugänge zu Gott gibt, hier wird die Heilsgeschichte noch einmal in großer Dichte erfahrbar – Weihnachten (Vater), Ostern (Sohn) und Pfingsten (Geist).2 Das Kirchenjahr erscheint an Trinitatis wie in einer Nussschale, Gottes vielfältige Gegenwart wird konzentriert lebendig in einer Welt gekennzeichnet von Zerrissenheit und Ungerechtigkeit, Kurzsichtigkeit und Unfrieden.
2. Horizonte
Dass Nachhaltigkeit eng mit der Predigtkultur und dem Leben der Kirchen zusammen gehört, ist nicht erst eine Idee aus dem 21. Jahrhundert. Diese Verbindung hat die Kirchen in Ost- und Westdeutschland während des Kalten Krieges intensiv geprägt.
Trinitatis 2014 fällt in eine Zeit, in der der Ökumenischen Versammlung in der DDR (Dresden-Magdeburg-Dresden) 1988/89 gedacht wird. Im April vor 25 Jahren ist sie mit zwölf theologisch bis heute bedeutsamen Ergebnistexten zu den Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung zu Ende gegangen.3 Grundorientierung der Texte ist die „Umkehr in den Schalom Gottes“4 und beinhaltet auch „eine vorrangige Option für den Schutz und die Förderung des Lebens“5, das heißt eine umfassende Schöpfungsverantwortung. Die Texte zu letzterem Thema haben die deutsche und internationale Diskussion zur Nachhaltigkeit in Kirchen und Gesellschaft geprägt. Im Text 8 „Auf der Suche nach einer neuen Lebensweise in der bedrohten Schöpfung“ wird trinitarisch argumentiert, wenn es heißt: „Wenn wir unser Leben nicht von Gott bestimmen lassen, gewinnen andere Dinge und Strukturen als Götzen Macht über uns. […] Jesus Christus hat uns ein von Liebe getragenes Leben in der Hoffnung auf das kommende Reich Gottes eröffnet. Mit einer vorwiegend materiellen Lebensorientierung verfehlen wir dieses Leben. […] Der Heilige Geist kann uns beflügeln, aus den Selbstrechtfertigungen, Sachzwängen und Strukturen herauszutreten und in der uns geschenkten Freiheit zu handeln.“6 Diese Interpretation der Trinität verdeutlicht den Reichtum des hier zu behandelnden Sonntages im Blick auf Fragen der Nachhaltigkeit.
3. Die Texte und Bezüge zum Themenbereich „Nachhaltigkeit“
Die zu bearbeitenden Texte atmen Orientierung für eine von der Verfasserin so genannten globalen „Spiritualität der Empathie“. Diese meint eine Mitleidenschaft über nationale und kontinentale Grenzen hinaus, eine Geschwisterlichkeit, die auch große räumliche Distanzen überwindet. In Zeiten wirtschaftlich entgrenzter Globalisierung erscheint diese geboten und auf dem Hintergrund christlicher Theologie und Kirchengeschichte möglich. Es wäre zerstörerisch, wenn nur Waren Grenzen überwinden und nicht auch das Mitleben und -denken mit den Menschen, die hinter ihnen und ihrer Produktion stehen. Eine „Spiritualität der Empathie“ öffnet einen Weg zu dieser globalen ‚Mitleidenschaft‘ (J.B. Metz).
3.1 - 2 Kor 13,11-13 – Eine trinitarische Perspektive auf den Schalom Gottes
Diese letzten drei Verse des Zweiten Korintherbriefes sind als Predigttext für den evangelischen und als zweite Lesung im katholischen Gottesdienst vorgesehen. Elemente des liturgischen Geschehens aus dem Gottesdienst (liturgischer Kuss V.12) sind hier ebenso präsent wie Züge antiker Briefsitte. Das für die Paulusbriefe typische Eschatokoll weist mit seiner Dreigliedrigkeit eine Besonderheit auf (V.13). 7 Inhaltlich erscheinen im Blick auf die Frage von Nachhaltigkeit drei Aspekte interessant:
a) Die Grüße, die in V.12 ausgerichtet werden, kommen nicht von bestimmten Menschen wie in anderen Briefen, sondern beziehen sich auf „alle Heiligen“. Nach Voigt deutet dies die „heimliche Präsenz der Gesamtkirche im Gottesdienst der Einzelgemeinde“8 an. Dies lässt Züge einer „Spiritualität der Empathie“ erkennen, denn Paulus verbindet die Christinnen verschiedener Gemeinden miteinander durch die Grüße. Heute in Zeiten unübersichtlicher und in erster Linie wirtschaftlich verstandener Globalisierung liegt hierin eine Aufgabe der Kirchen im weltweiten Kontext: Unter den Christinnen und Christen die Verbindung miteinander und auch die gegenseitige Verantwortung füreinander und die Verwobenheit deutlich zu machen.
b) In V. 11 ist vom „Gott des Friedens“ die Rede. Nach Wolff hat der griechische Begriff (eirene) seine Wurzeln in dem Bedeutungsfeld des hebräischen Schalombegriffs, der weit über einen engen Friedensbegriff hinaus geht und vielmehr „heilvolles Miteinander“ beschreibt.9 In den Ergebnistexten der Ökumenischen Versammlung in der DDR wurde dieser Begriff zur theologischen Grundorientierung und in den Kontext der Gegenwart übersetzt mit folgenden Worten beschrieben: „Schalom ist in den biblischen Überlieferungen ein überaus vielschichtiger Begriff. Er reicht hinaus über das, das wir normalerweise mit dem Wort ‚Frieden‘ ausdrücken. Er meint so viel wie: Ganzsein, Heilsein, Wohlsein. […] Schalom meint den Frieden des einzelnen mit Gott sowie Frieden, der Menschen und Völker miteinander verbindet. Er ist der verheißene Friede der ganzen Schöpfung. […] Dies hat entscheidende Bedeutung für unseren heutigen Umgang mit der Wirklichkeit. […] Der Friede kann in unserer wechselseitig verflochtenen Welt nicht gegeneinander errüstet, sondern nur miteinander vereinbart werden.“10 Diese Lesart des Begriffes scheint auch noch 25 Jahre später sehr relevant.
c) Vers 13 führt nun dreigliedrig die Fundamente des Schalom Gottes aus: die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Teilhabe am Heiligen Geist. Dies weist noch einmal auf die Grundlage hin, auf der eine „Spiritualität der Empathie“ mit der Erde und den Geschwistern weltweit einerseits und ein Engagement für einen nachhaltigen Lebensstil im Glauben stehen: Es ist das Fundament der Annahme, der zugesprochenen Liebe und der Ermutigung, der Befähigung, die diese Perspektiverweiterung und das Engagement ermöglichen. Das Fundament heißt nicht „Weltuntergangsszenarienmalerei“, es heißt auch nicht „Besserhandlerei“. Vielmehr gibt der Gott des Schalom in unterschiedlichen Ausdrucksweisen die Kraft und den Zuspruch dazu zu meinen, dass eine andere Welt möglich ist und unser Handeln Veränderung bewirkt.
3.2 - Ex 34,4b-6.8.9 – Die Chance für einen Neuanfang
Der alttestamentliche Text stellt als einziger eine Sequenz aus einer Geschichte dar, indem er das Moment des Auszugs des Volkes Israel beschreibt. Mose erhält auf dem Berg Sinai die neuen Gesetzestafeln. Nach Erfahrungen des Volkes, die mit Worten wie „Verfehlung“, „Strafe“ und „Sünde“ beschrieben werden, ist in Kapitel 34 von einem Neuanfang die Rede. Immer wieder begegnet dieses Bewegung Gottes im Alten Testament: Gott sucht Wege, dem Volk, was sich immer wieder den Geboten des guten Lebens widersetzt, Möglichkeiten zu eröffnen. Verschiedene Bundesschlüsse erzählen vielfältige Geschichten davon. In dem vorliegenden Abschnitt erhält Mose neue Gesetzestafeln. Dieser uralte Neuanfang könnte zur Ermutigung werden in Zeiten, in denen die drohenden Szenarien des Klimawandels eher Ohnmacht und Wegschauen auslösen als Aufbruch und Neuanfang. In der Geschichte der Erneuerung der Gesetzestafeln liegt die Chance für Hörende heute, den Schalom Gottes neu zu suchen und Weisungen des guten Zusammenlebens auf diesem Planeten zu konkretisieren.
3.3 - Joh 3,16-18 – Glaube und Weltrettung?
Die in diesen wenigen Versen auf gedrängtem Raum konzentriert entfaltete Theologie des Johannes steht im Kontext der Suche des Nikodemus nach rechtem Glauben. In den angegebenen Versen wird die Sendung des Sohnes in die Welt beschrieben, die parallel geht zum johanneischen Verständnis der Sendung des Geistes durch Gott (vgl. Joh 14,16).11 Zentral erscheint in diesem Abschnitt das Motiv des Glaubens, der Leben ermöglicht. Gottes Liebe und Zuwendung zum Kosmos, zur Erde kommen in der Sendung von Sohn und Geist ebenso zum Ausdruck wie das Ringen um den Vorrang des Heilsgedankens vor dem Gerichtsgedanken. Wenn der Begriff der „Weltrettung“ nicht allein individuell und personell, sondern strukturell und global gedacht wird, steckt in dem Glaubensbegriff dieses Abschnittes ein starker Auftrag an die Glaubenden: In Zeiten von Klimawandel und Finanzabstürzen gehört die mühevolle Suche nach Wegen nachhaltigen Zusammenlebens der gesamten (oikoumene d.h. des ganzen bewohnten Erdkreises) zum Grundbestand unseres Glaubens. Hier eröffnet sich eine neue Perspektive auf eine „Spiritualität der Empathie“ aus der Sicht johanneischer Theologie.
1 Vgl. Kirchenleitung der VELKD/ Kirchenkanzlei, Evangelisches Gottesdienstbuch, S.705f.
2 Vgl. Kirchenleitung der VELKD/ Kirchenkanzlei, Evangelisches Gottesdienstbuch, S.706.
3 Der vollständige Text ist zu finden unter http://www.klimawandel-lebenswandel.de/attachment/1dfb9a121d8e980b9a111df90879d009771bdc8bdc8/1dfcb0302015f70cb0311df9b321944f91e00670067/Texte_Oekumenische_Versammlung_1989.pdf.
4 ASF/Pax Christi, Ökumenische Versammlung. Eine Dokumentation, S.30.
5 ASF/Pax Christi, Ökumenische Versammlung. Eine Dokumentation, S.46.
6 ASF/Pax Christi, Ökumenische Versammlung. Eine Dokumentation, S. 134.
7 Vgl. Voigt, Die lebendigen Steine, S.263f.
8 Vgl. Voigt, Die lebendigen Steine, S. 264.
9 Vgl. Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, S.267.
10 ASF/Pax Christi, Ökumenische Versammlung. Eine Dokumentation, S.31.
Literatur:
- Aktion Sühnezeichen Friedensdienste/Pax Christi (Hg.): Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Dresden – Magdeburg - Dresden. Eine Dokumentation, Berlin 1990.
- Becker, J.: Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 1-10, Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum Neuen Testament 4/1, Gütersloh 19852.
- Kirchenleitung der VELKD/ Rat der Kirchenkanzlei der EKU (Hg.): Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, Berlin 20012.
- Voigt, G.: Die lebendigen Steine. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe VI, Berlin 19892.
- Wolff, C.: Der Zweite Brief des Paulus an die Korinther, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 8, Berlin 1989.
11 Vgl. Becker, Das Evangelium nach Johannes, S. 144f.
Almut Bretschneider-Felzmann