1. Advent 2012
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 1, 67-79 | Jer 33, 14-16 | 1 Thess 3, 12 - 4, 2 | Lk 21, 25-28.34-36 |
Die Autorin bearbeitet alle Texte. Den Akzent setzt sie darauf, dass Gott das Ziel vorgibt und wir Mitarbeitende Gottes auf dem Weg dahin sind.
Stellung im Kirchenjahr
Der Gottesdienst am 1. Advent soll die Gemeinde auf die „neue" Zeit einstimmen, die anbricht und deren Qualität in den Texten verschieden mit Gerechtigkeit, Frieden, Befreiung, Heiligkeit durch Liebe beschrieben wird. Früher war Advent die Fastenzeit, um sich auf das Kommen Gottes in diese Welt vorzubereiten.
Lukas 1, 67 - 79:
Exegetische Hinweise:
Das lukanische Schriftwerk sollte auf dem Hintergrund jüdischer Geschichte im 1. Jahrhundert betrachtet werden. Die Erfahrungen des Unheils und der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. sind hier von zentraler Bedeutung. Die Geschichten der in Luk. 1 und 2 genannten Personen sagen Wesentliches über die Werte und Grundsätze der Gemeinden.
Der Text gehört zum ‚Sondergut' des Lukas-Evangeliums, das den Kern der lukanischen Theologie bildet. Nach Claudia Janssen ist anzunehmen, dass dieses Evangelium in einer Gemeinschaft entstanden ist, die in einer jüdischen Diasporasituation lebte. Frauen und Männern schrieben darin ihre Hoffnungen, Erwartungen, Visionen und Konflikte nieder. Die lukanischen Gemeinden sind als Teil der jüdischen prophetisch-messianischen Befreiungsbewegung innerhalb der Pax romana zu verstehen. - (Literatur: Kompendium Feministische Bibelauslegung S. 513ff).
Mit dem „Benedictus" beginnt jede Laudes; hier steht das Lob Gottes am Beginn, des Kirchenjahres und der „neuen" Zeit, die verkündet wird.
Predigtimpulse:
Die Predigt könnte erzählen wie Zacharias die Sprache wieder findet und zuerst Gott lobt. Er erkennt wie Gott handelt, in der Geschichte und in seiner eigenen Familie. Seine „Vision" kann anregen über unsere eigenen Glaubenshoffungen, -erwartungen und -visionen nachzudenken, inmitten der Konflikte unserer Zeit. Zacharias sagt: Gott hat den Eid geschworen, dass wir ihm/ihr dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit (V. 73), denn „Rettung ist möglich. Sie werden davon befreit Unrecht zu tun." (V. 77)
Die erste Kerze am Adventskranz, ein Symbol für das Licht, das in „finsterer Ohnmacht" aufleuchtet, damit unsere Füße es wagen den Weg des Friedens (im umfassenden Sinne von Shalom) zu gehen.
Bezug zur Nachhaltigkeit:
„Benedictus" ermutigt dazu, aus unserer Glaubenshoffnung heraus unsere Sprachlosigkeit angesichts heutiger Probleme zu überwinden. Am Beginn der Adventszeit ist Gelegenheit zu entfalten wie Gerechtigkeit und Frieden sich gegenseitig bedingen und zu fragen: Wo setzen wir als (verfasste) Kirche, als Kirchengemeinde, als Christinnen und Christen konkret an? Ein positives Beispiel ist das Netzwerk Friedensbildung Rheinland-Pfalz (NFBRP), das der Bundeswehr nicht allein das Feld an den Schulen überlässt, sondern eigene Unterrichtsangebote zur Friedensarbeit anbietet. (Mehr unter www.Netzwerk-Friedensbildung-RLP.de).
Lukas 21, 25-28. 34-36:
Exegetische Hinweise:
Allgemeines siehe oben. V. 34-36 ist lukanisches Sondergut.
Claudia Jannsen kritisiert die sog. Parusieverzögerung als Konstrukt, das den Zeitvorstellungen jüdisch-christlicher eschatologischer Erwartungen nicht entspricht, weil eschatologisches Denken nicht linear ist. Es beschreibt vielmehr die Hoffnung der für Befreiung Kämpfenden, dass Gott ihnen in ihrer Gegenwart, in ihrem Kampf für gerechte Beziehungen beisteht.
(Literatur: Kompendium Feministische Bibelauslegung S. 513ff; auch Sutter Rehmann 1995; Schottroff 1995).
In Kap. 21 leitet der Abschnitt von der mittellosen Witwe über zur Frage wer letztlich die Macht haben wird, die „neue" Zeit zu gestalten.
Predigtimpulse:
Advent ist üblicherweise eher die Zeit des sanften (Kerzen)Lichts und der leisen, harmonischen Töne.
Die Aufforderung: „Richtet euch auf! Erhebt euren Kopf! Denn eure Befreiung ist nahe!" (V. 28) ist laut,
mit Ausrufezeichen. „Lebensangst" geht um, damals anders motiviert als heute. Das „habt Acht auf euch!" (V. 34) zielt auf den Lebensstil der Nachfolgegemeinschaft. Das Ende ist eben nicht der Untergang, sondern DER Mensch(ensohn) und in der Zeit seiner Erwartung ist die Gemeinde aufgefordert an der Befreiung mitzuwirken.
Bezug zur Nachhaltigkeit:
Die „leise" Zeit in diesem Advent bietet sich an über Alternativen nachzudenken. Dazu gehört auch ein Thema, das in Predigten oft ausgespart wird: die Finanz- und Weltwirtschaft mit ihrem Ruf nach immer mehr Wachstum, immer mehr Konsum und Gewinn. Eine ‚Predigtschelte' ist nicht intendiert, sondern die Suche nach Alternativen. Gerade weil wir eingebunden sind in das aktuelle System ist es nicht egal welchen Lebensstil wir als Einzelne und als Gemeinde beibehalten oder entwickeln. Ein anderes Wachstum ist möglich, in dem nicht ‚der Markt', sondern die Geschöpfe einschließlich der Menschen, mit ihren Grundbedürfnissen im Focus sind. Christinnen und Christen versuchen alternative Wege, weil sie als letzte Instanz den Menschensohn anerkennen und seine Gerechtigkeit.
Jeremia 33, 14 – 16:
Exegetische Hinweise:
Jeremia „schaut" über Grenzen hinaus. Er leidet so sehr an der unheilvollen Situation des Israel seiner Tage, dass sich sein Schmerz ins Unerträgliche steigert: „ich schaute die Erde, und siehe: Chaos... Ich schaute, und siehe, kein Mensch war vorhanden..." (Jer. 4, 23-26). Weil Israel JHWHs Weisungen total missachtet kann es von JHWH eigentlich nur verworfen, d.h. im Machtspiel der Großen vernichtet werden. Jeremia kommt zu der bitteren Einsicht, dass sein Volk aus eigener Kraft nicht mehr fähig ist zur Umkehr (Jer. 13. 13). Gott selbst wird das Neue herbeiführen. Und obwohl JHWH letztlich schweigt zu den Klagen Jeremias verkündet dieser Heilszusagen mitten in der Krise (Jer. 31, 31ff: der neue Bund; Jer. 23, 5ff der gerechte König; Jer. 33, 14ff. Gott unsere Gerechtigkeit).
Predigtimpulse:
Am 1. Advent ist die Kerze das Symbol für das Kommende. Trotzdem ist nicht reine Beschaulichkeit angesagt. Es kann ein Bezug hergestellt werden zu Luk. 21: die „aufgehende Sonne" wird sich denen zeigen, die „in Finsternis und Schatten des Todes sitzen" durch den „Spross aus dem Hause Davids". Dessen Name ist: „Gott ist unsere Gerechtigkeit!" (V. 16). Ich möchte die Verbindung ziehen zwischen den erst- und zweittestamentlichen Texten mit den Stichworten „Recht und Gerechtigkeit schaffen".
Bezug zur Nachhaltigkeit:
Wie schwierig gerechte Entscheidungen sind zeigen u.a. die negativen weltweiten Konsequenzen des gescheiterten Umweltgipfels „Rio+20" (Juni 2012). Üblicherweise wenden wir den Begriff „gerecht" auf alles an was mit uns Menschen zu tun hat. Nachhaltiger wäre es, über eine gerechte Beziehung zwischen Natur und Mensch nachzudenken, so dass der Schöpfung um ihrer selbst willen das Lebensrecht zugestanden wir und nicht nur weil sie uns Menschen nützt.
1. Thess. 3, 12 – 4, 2:
Exegetische Hinweise:
Dieser antike Trostbrief arbeitet mit dem Wirklichkeitsverständnis frühjüdischer Apokalyptik. Die AdressatInnen hatten vermutlich keine Beziehung zum Hoffnungswissen Israels bevor Paulus und seine Mitarbeiter dort predigten. Deshalb bedroht die Trennung die junge Gemeinschaft fundamental und ist in ihrer neuen Glaubensidentität ganz auf die Verbindung zu den Missionaren angewiesen. Sie trösten die Gemeinde in großer Bedrängnis mit der Grundüberzeugung: Mit Christus hat das endzeitliche Handeln Gottes begonnen (1, 9f). Aufgefordert wird dazu, eine Ethik der Heiligkeit zu vervollkommnen. Problematisch erscheint aus heutiger Sicht die Abgrenzungsstrategie nach außen.
(Literatur: Kompendium Feministische Bibelauslegung, S. 646ff.)
Predigtimpulse:
In einer „Trostpredigt" möchte ich einige Hinweise geben wie christliche Identität heute gelebt werden kann. Dabei verstehe ich „Heiligkeit" als Lebensgestaltung im Wirkungsbereich Gottes.
Liebevolle Gemeinschaft zu leben ist immer ein Experiment und ein Wagnis, selbst unter Menschen, die sich an Christus orientieren. Problematisch bleibt der Begriff „Liebe" in christlichen Kreisen wenn damit abgegrenzt und sogar ausgegrenzt wird, aus welchen Gründen auch immer. Deshalb möchte ich den Gedanken der liebevollen Gemeinschaft als Identitätsmerkmal von Christinnen und Christen
ausdehnen bis hin zum Leben mit der gesamten Schöpfung.
Bezug zur Nachhaltigkeit:
Jesus verstehen als Gottes menschgewordene Liebe zu seiner ganzen Schöpfung. Bezeichnender-weise sprechen wir von „Gemeinschaft", wenn wir menschliches Zusammenleben meinen. Die Schöpfung wollen wir „bewahren", mit dem Hintergedanken, sie soll auch noch zukünftigen Menschen-generationen nützen. Eine nachhaltigere Sicht sollte vermittelt werden: Die Schöpfung lebt von der Zuwendung Gottes und wir Menschen sind mitgemeint und tragen die Verantwortung vor Gott dafür, dass die von ihm/ihr intendierte liebevolle Gemeinschaft erhalten bleibt.
Susanne Käser
Alle Texte nach der Übersetzung der BigS (Bibel in gerechter Sprache)