1. Sonntag nach Epiphanias
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Joh 1, 29-34 | Jes 42, 5a.1-4.6-7 | Apg 10, 34-38 | Lk 3, 15-16.21-22 |
Drei der Texte am 1. Sonntag nach Epiphanias haben die Taufe Jesu auf unterschiedliche Weise zum Thema. So schlägt dieser Sonntag die Brücke vom Kind in der Weihnachtskrippe zum erwachsenen, etwa 30 Jahre alten Jesus (Lukas 3,23) zu Beginn seines öffentlichen Wirkens.
Es ergeben sich in der Weihnachtszeit spannende Bezüge zwischen dem Erschienen Jesu und seinem Handeln, zwischen dem Kind in der Krippe und dem Erwachsenen, der durch sein Wirken Widerstand und Feindschaft hervorruft. Von der Taufe her lässt sich eine Brücke zum Schöpfungselement Wasser schlagen, aber auch die Taufe als Anfang eines christlichen Lebens in der Orientierung an der Tora ist ein Bezug zum Thema Nachhaltigkeit.
Johannes 1, 29- 34:
Exegetische Überlegungen
Klaus Wengst verortet das Johannesevangelium im innerjüdischen Konflikt über die Bedeutung Jesu. Johannes der Täufer wird fokussiert auf seiner Funktion als Zeuge (vgl. Isenheimer Altar). Dass er Jesus getauft hat, wie er gekleidet war, das alles wird hier vorausgesetzt, Jesus erhält den Titel „Lamm Gottes". Damit verweist das Evangelist auf verschiedene alttestamentliche Bezüge, die den „Wahrheitsraum"1) darstellen, Jesus zu verstehen. Der Evangelist spannt „einen Bogen über fast das ganze Evangelium hinweg, vom ersten Auftreten Jesu bis zu seinem Tod. Als endzeitliches Pessachlamm trägt Jesus „die Sünde der Welt", vermittelt er allen Gottes barmherzige Zuwendung."2) Die Taufe mit dem Geist weist voraus z.B. auf die Abschiedsreden, in denen Jesus seiner Gemeinde den Geist des Trostes, der Wahrheit und Liebe verheißt. Die nachösterliche bedrängte Gemeinde erfährt im Geist die Gegenwart Jesu.
Nachhaltigkeitsbezug
Jesus, dessen Ankunft wir in der Epiphaniaszeit feiern, hält sich nicht heraus aus dem Leiden, seine Sendung ist auf den ganzen Kosmos, die ganze Schöpfung (V.29) bezogen. Mit der Geisttaufe wird der Gemeinde das Siegel der Tora eingeprägt. Jesus stärkt die messianische Hoffnung auf „die Beseitigung von Not und Bedrückung, auf das Ende von Unrecht und Gewalt"3). Die christliche Gemeinde wird zur Welt- und Schöpfungsverantwortung beauftragt.
Predigtanregungen
Auffällig ist das Fehlen von Zuschauern. Johannes gestaltet die Gesprächsszene von vornherein so, dass wir, die Leserschaft, das Publikum bilden. D.h., wir werden einbezogen, es kommt auf unser Hören und Tun an. In der Zeitung lese ich von einer sich ausbreitenden „Kultur der rohen Bürgerlichkeit". Der Klimagipfel in Rio ist gescheitert. Mit Strukturen der Sünde findet sich die Gemeinde nicht ab. Der in seinem Geist gegenwärtige Christus stärkt seine Gemeinde für eine Kultur des Mitgefühls und der Solidarität einzutreten.
Walter Lüthie: „Wenn Gott wissen will, wie sehr ich ihn liebe, so fragt er nicht mich, sondern meinen Nächsten."4) Maßstab der Gottesliebe ist Liebe zu seiner menschlichen und nichtmenschlichen Kreatur.
Jesaja 42,1-9:
Exegetische Überlegungen
Jes 42 handelt von der Beauftragung eines Dieners (Ebed), ist das erste der so genannten Gottesknechtslieder. Es stammt aus der Zeit des Exils. Kontext ist das babylonische Großreich mit seiner Gewaltherrschaft und Wirtschaftsmacht, die von der Ausbeutung der vielen eroberten Völker lebt. Jes 42 erzählt von einem Menschheitstraum, davon, dass es einen Beauftragten Gottes gibt, der schonend und ohne Gewalt das Recht zu allen Völkern bringt. Gott verbindet seine Ehre mit diesem Menschen (V. 9)
Der Knecht soll das Recht zu den Völkern bringen. Es geht zunächst nicht um einen religiösen Auftrag, nicht um Mission, sondern um etwas Politisch-Soziales, es geht um Recht. Im hebräischen Wort fallen Inhalt und Durchführung zusammen, „Recht erweist sich als Recht an den Lebensmöglichkeiten der Unterprivilegierten, der Schwachen."5)
Nachhaltigkeitsbezug
Neben dem Hinweis auf die Tora ist spannend, wie der Beauftragte das Recht zu den Menschen bringen soll. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, den glimmenden Docht nicht auslöschen. Es geht um ein gewaltfreies Verhalten, um ein schonendes, aufrichtendes Handeln. Der Beauftragte handelt nicht mit Gewalt, er setzt sich nicht mit Waffen durch. Gewaltfreiheit, Schonung von Mensch und Umwelt sind wichtige Kriterien für einen nachhaltigen Fortschritt. Raubbau an den natürlichen Ressourcen gefährdet die Zukunft aller. Statt des Rechts des Stärkeren geht es um die Stärke des Rechts.
Predigtgedanken
Wer ist dieser Beauftragte ? Crüsemann schlägt vor, die Entscheidung, ob es sich um einen einzelnen, um eine Gruppe oder das Volk Israel handelt, offen zu lassen. „Jeder, der und ... jede die gewaltlos und leise Recht aufrichtet, ist Knecht Gottes. Und es gilt wohl auch das Umgekehrte: Immer, wo etwas von diesem Auftrag erfüllt wird, ist der am Werk, von dem Gott hier spricht."6)
Crüsemann weist zum Verständnis dieses Textes auf die jüdische Legende von den 36 Gerechten hin. Diese über die ganze Welt verteilten Menschen handeln gerecht, oft ohne dass andere oder sie selbst es erkennen, und sorgen so dafür, dass die Welt weiter existiert.7)
Apostelgeschichte 10, 34-38:
Die Kapitel 10 bis 11,18 haben eine Schlüsselstellung in der Apg. Das Evangelium geht über zu den Menschen aus den Völkern. Die Petrusrede ist ohne den Kontext nicht verständlich. Bewegend: Petrus benennt eine neue Erkenntnis aufgrund der Begegnung mit dem heidnischen Hauptmann Cornelius. „Jetzt begreife ich, dass Gott nicht parteilich ist," formuliert Petrus seine neue Erkenntnis, die das Thema des ganzen Abschnittes auf den Punkt bringt. Gottes Güte reicht, so weit der Himmel ist, sie ist immer noch weiter ! Sein Heil, sein Shalom gilt allen Menschen, ja der ganzen Schöpfung, und er beruft aus allem Völkern Menschen, die Gott achten und rechtschaffen handeln.
Nachhaltigkeit
Erkenntnis vollzieht sich durch Gespräch und Begegnung. Christen vertrauen auf den Geist, der durch Gespräche wirkt, auch heute bis hin zum interreligiösen Dialog. Kirche ist eine lernende Kirche, sie orientiert sich in der der Nachfolge an Recht und Shalom.
Predigtanregungen
Der Heilige Geist ist ein Freund des Gesprächs und der Begegnung ! Lukas erzählt viele Begegnungsgeschichten, so auch hier zwischen dem Juden Petrus und dem gottesfürchtigen, der Synagoge nahe stehenden römischen Offizier Cornelius Beide werden durch die Begegnung verändert, bekehrt. Sie entdecken das Leben der befreienden Gnade Gottes neu. Die Geschichte nimmt auch die HörerInnen mit auf den Weg der Veränderung. Eine Erfahrung der Grenzüberschreitung, eine beglückende Gemeinschaftserfahrung wird erzählt. Aus Fremden entsteht eine Gemeinde. Erfahrungen der beglückenden Begegnungen in der weltweiten Ökumene könnten erzählt werden mit dem Hinweis, wie sich die deutsche Kirche durch den Kontakt mit den Kirchen des Südens verändert (hat), und Themen der Nachhaltigkeit mit geschärfter Aufmerksamkeit auf unseren Tagesordnungen stehen. Ich erlebe das zum Beispiel durch den Kontakt mit den Geschwistern der La-Plata-Kirche, von denen wir so viel über globalisierte Wirtschaft und Ungerechtigkeit lernen.
Ein anderer Aspekt: Eine nichthierarchische Gemeinde. Der Hauptmann fällt vor Petrus auf die Knie, doch der lässt das nicht zu. Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen, die christliche Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, Solidarität und Miteinander prägen die Gemeinde. Aufrechter Gang ist die Konsequenz des Vertrauens auf den Christus mit uns. Christus schafft sich eine mündige selbstbewusste Gemeinde, keine unmündige Hammelherde.
Evangelium Lukas 3 15-16 und 21-22:
Exegetische Überlegungen
Am deutlichsten ordnet das Lukasevangelium das Wirken Johannes des Täufers und die Taufe Jesu in den geschichtlichen Kontext ein (vgl. Lk 3,1ff). Die Ereignisse in einem Winkel des römischen Weltreichs werden der Herrschaft des römischen Imperators Tiberius, dem Vierfürsten Herodes Antipas und dem jüdäischen Präfekten Pontius Pilatus zugeordnet. „Dadurch gelangt das Handeln Gottes in die Bahnen der Zeit."8) Ich schlage vor, die Verse 3,17 bis 20 mitzulesen. Dadurch wird unterstrichen: Das Auftreten des Johannes und des Jesus von Nazareth sind nicht ohne den Konflikt mit der repressiven römischen Herrschaft zu verstehen
Die Verse klären die Bedeutung des Täufers und des Jesus von Nazareth. Das Auftreten des Johannes und des Jesus und die Taufe Jesu sind für Lukas heilsgeschichtliche Ereignisse. Sie bekräftigen die Verheißungen der hebräischen Bibel. Gott hat sein Volk nicht verlassen. Gottes Shalom ist den Menschen aus den Völkern zugesagt.
Jesus bleibt nach Ostern und Pfingsten in seiner Gemeinde gegenwärtig: In der Kraft des Geistes, die in der Taufe verbürgt ist. Jesu Auftreten knüpft an die Botschaft des Johannes an. Johannes tauft Menschen als Zeichen der Umkehr, des Vertrauens auf Gottes Vergebung und der Übernahme persönlicher Verantwortung. Damit entsteht eine „neue(n) Realität in Gedanken, Glauben und Praxis".9)
Die Feuertaufe und die Ernte verweisen auf das Endgericht. Damit wird der Ernst der Nachfolge herausgestellt. Nachfolge ist nicht billig und folgenlos, sondern erfordert die Umkehr. Gott arbeitet mit uns an seiner kommenden Welt der Gerechtigkeit und des Friedens. Er sucht uns als seine Bundesgenossen.
Predigt im Kontext der Nachhaltigkeit
Ich finde es spannend, die Verbindungen von Johannes- und Jesustaufe aufzuspüren. Taufe ist gewiss ein kräftiger Zuspruch, aber nicht folgenlos, sondern Ermutigung in der Gemeinde Jesu Wege der Umkehr zu gehen. Das Lk durchzieht das Wort „Umkehr" (Teschuba) wie ein roter Faden. Zachäus ist ein Beispiel für einen Zöllner, der durch die Begegnung mit Jesus sein Leben radikal ändert. Dabei geht es genauso wie bei der „Standespredigt des Täufers" nicht um Maximalforderungen, sondern durchaus um pragmatische Schritte, erfüllbare, mögliche Wege. Für uns heute kann es ja auch nur darum gehen, im Bezug auf die Themen des konziliaren Prozesses pragmatische Schritte zu finden.
Christoph Steffen, Bielefeld
Literatur:
1 Crüsemann, Frank, Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen. Die neue Sicht der christlichen Bibel, Gütersloh 2011
2 Wengst, Klaus, Das Johannesevangelium, 1. Teilband: Kapitel 1-10, Stuttgart, Berlin, Köln, 2000, 27. Auflage, S. 84
3 Wengst, a.a.O., S. 79
4 Krause, Joachim, Predigtmeditation für den 1. Sonntag nach Epiphanias; in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe V, Weihenzell 2006, S. 79.
5 Crüsemann, „Seht, welch ein Gott", Bibelauslegungen, Bethel-Beiträge 35, Bielefeld 1987, S. 31
6 Crüsemann, S. 36
7 Crüsemann, S. 38f
8 Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 1. Teilband, Lk 1,1-9,50, EKK III/1, Zürich 1989, S. 169
9 Bovon, S. 170