1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn (09.01.22)

1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jes 42,1-9 Jes 42, 5a.1-4.6-7 oder:
Jes 40, 1-5.9-11
Apg 10, 34-38 oder:
Tit 2, 11-14; 3, 4-7
Lk 3, 15-16.21-22


Jahresthema: „fair*frei*handeln“

Auch diesmal wirkt das Jahresthema „fair*frei*handeln“ zwar kreativ, aber auch artifiziell. Es eignet sich nicht fĂŒr stringente Auslegung der Predigtperikopen, allenfalls fĂŒr punktuell-assoziative BezĂŒge.
Impulse im Blick auf Nachhaltigkeit (klassischer ausgedrĂŒckt: Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung) können aus allen der vorgebenen Tagestexte gezogen werden, allerdings eigenen sich nicht alle Perikopen gleichermaßen.

Stellung im Kirchenjahr

In der evangelischen Perikopenordnung ist der 9. Januar 2022 der 1. Sonntag nach Epiphanias, nach katholischer Ordnung das Fest der Taufe des Herrn (Lesejahr C).


Predigtimpulse

Jes 42,1-9

  • Dem ‚Knecht‘, den Gott ‚auserwĂ€hlt‘, gibt er seinen ‚Geist‘: Er befĂ€higt ihn, so zu sehen, urteilen, handeln wie Gott selbst.
  • Dabei fĂ€llt auf, dass es weniger um das geht, was der Gottesknecht tut, als vielmehr um das, was er nicht tut: Er macht nicht durch LautstĂ€rke auf sich aufmerksam, nicht durch wortgewaltige AnkĂŒndigungen und auch nicht durch beeindruckende verbale Horrorszenarien.
  • Seine StĂ€rke liegt in der leisen Behutsamkeit. Indem er nichts aktiv tut, lĂ€sst er geschehen. Er vertraut stattdessen den KrĂ€ften und Gesetzen, die der Schöpfung eingestiftet sind: der stillen, aber kraftvollen Dynamik des Wachsens (wie sie etwa auch im Gleichnis von der selbstwachsenden Saat beschrieben wird). Und ebenso der Selbstheilungskraft, die in naturalen ZusammenhĂ€ngen immer am Werk ist.
  • Voraussetzung ist jedoch, dass der Gottesknecht (und damit der Mensch, der nach dem Vorbild des Schöpfers handelt) sich selbst und seinen herrschaftlichen Gestaltungswillen zurĂŒcknimmt und die leise Kraft des ‚Geistes‘ wirken lĂ€sst, die der Schöpfer als Wirkprinzip in seine Schöpfung gelegt hat und die auch in seinem ‚Knecht‘ wirksam ist.
  • Der nach dem Vorbild des ‚Gottesknechts‘ handelnde Mensch begegnet allem Geschaffenen behutsam, respektvoll, barmherzig, heilend, geradezu zĂ€rtlich (so das Bild vom geknickten Rohr und glimmenden Docht).
  • Diese Haltung der ‚Natur‘ gegenĂŒber gilt selbstverstĂ€ndlich auch fĂŒr den Umgang der Menschen untereinander. Hier gilt es, die ‚Gerechtigkeit‘, die Gott bei der Berufung seines ‚Knechts‘ zeigt, weiterzugeben und damit ebenso zu handeln wie dieser. Das bedeutet, Menschen zu befreien, die in irgendeiner Art von ‚Kerker‘ gefangen sind: im ‚GefĂ€ngnis‘ ungerechter Strukturen und VerhĂ€ltnisse, in entmĂŒndigender Unwissenheit (‚Blindheit‘), in der ‚Finsternis‘ aussichtsloser, prekĂ€rer Lebenssituationen.
  • Solche ungerechten, lebensfeindlichen VerhĂ€ltnisse entstehen, wo statt der ‚Gerechtigkeit‘ Gottes ‚Götzen‘ zur Herrschaft gelangen, etwa Ausbeutung im Dienst der Profitgier oder HerrschaftsansprĂŒche aufgrund vermeintlicher Überlegenheit.
  • Solchen ‚Götzen‘ zu widerstehen und sich nach KrĂ€ften fĂŒr Gerechtigkeit einzusetzen ist Auftrag aller, die sich auf den Gott berufen, den die Bibel im Alten und ebenso im Neuen Testament bezeugt.

Jes 42,5a.1-4.6-7

  • Da auch die gekĂŒrzte Fassung des Gottesknechtslieds alle wesentlichen Aussagen und Motive enthĂ€lt, lassen sich alle Impulse aus der obigen lĂ€ngeren Fassung ĂŒbernehmen.

Apg 10,34-38

  • Christus ist der Gottesknecht schlechthin, der – aus nachösterlicher Perspektive – alle prophetischen Zuschreibungen des ersten Gottesknechtsliedes auf sich vereinigt, sie im wörtlichen Sinn geradezu verkörpert.
  • Doch der Gottesknecht Christus transzendiert die alte Verheißung: Was bei Deuterojesaja noch auf das Volk Israel fokussiert ist (wenngleich schon darĂŒber hinaus greift), das wird in der Apostelgeschichte ausdrĂŒcklich und ohne EinschrĂ€nkung fĂŒr alle Menschen in allen Völkern gesagt. Denn ‚dieser (erg. Christus) ist der Herr aller‘.
  • Dies bewirkt und zeigt zugleich an, „dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fĂŒrchtet und tut, was recht ist.“
  • ‚Tun, was recht ist‘, können nicht nur Juden und Christen, sondern grundsĂ€tzlich alle ‚Menschen guten Willens‘. Denn letztlich sind (fast) alle Kulturen und alle Religionen dem universellen Ur-Ethos der Menschheit verpflichtet, wie es etwa in der so genannten Goldenen Regel gefasst ist: selbst das zu tun, was man auch von anderen erwartet bzw. erhofft.
  • Darin liegt eine ungeheure Weite, die vielfĂ€ltige AnsĂ€tze schafft im gemeinsamen Einsatz der Religionen fĂŒr die Verwirklichung ihrer verbindenden Werte: Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Lk 3,15-16.21-22

  • Alles Wesentliche braucht Vorbereitung. Aber die Vorbereitung ist oft mĂŒhsam, krĂ€ftezehrend, wenig prestigetrĂ€chtig. Und ungewiss, ob sich der Aufwand auch lohnt oder am Ende doch nur EnttĂ€uschung ĂŒbrig bleibt. Dies gilt in besonderer Weise auch fĂŒr Initiativen, die mehr Gerechtigkeit und Fairness in die Welt bringen sollen.
  • Johannes, der ‚VorlĂ€ufer‘ weiß: seine KrĂ€fte, sein Einsatz, seine VerkĂŒndigung, seine       AutoritĂ€t sind unverzichtbare Vorbereitung. FĂŒr das Eigentliche aber braucht es einen ‚GrĂ¶ĂŸeren‘.
  • Johannes könnte die hohe Erwartung, die ‚das Volk‘ mit seiner Person verbindet, leicht bestĂ€tigen, es wĂ€re schon genug, nicht ausdrĂŒcklich zu dementieren. Aber er widersteht der Versuchung der Macht. Er hat die GrĂ¶ĂŸe, den ‚GrĂ¶ĂŸeren‘ grĂ¶ĂŸer sein zu lassen. Er ist bereit, hinter ihm zurĂŒckzutreten.
  • Der ‚Heilige Geist‘, mit dem der ‚GrĂ¶ĂŸere‘ taufen wird, ist eben der ‚Geist‘, aus dem der Prophet Jesaja sprechen kann: der Geist, der Gerechtigkeit schaffen will (vgl. oben, erste Lesung).
  • Um Gerechtigkeit zu schaffen, braucht es den ‚Geist der leisen StĂ€rke‘, wie er etwa bei Jesaja beschrieben ist. Es braucht aber auch das ‚Feuer‘ der Leidenschaft, den gerechten Zorn, um ungerechte Strukturen verĂ€ndern.
  • Beides ist in Jesu Wirken vielfach zu spĂŒren. Es ging ein in das bekannte Motto zum MISEREOR-JubilĂ€um im Jahr 2008: „Mit Zorn und ZĂ€rtlichkeit an der Seite der Armen“. Griffiger lĂ€sst sich die jesuanische Verbindung von Gewaltverzicht und Einsatz bis zum Tod nicht fassen.

Elisabeth Schmitter, Rottenburg