1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn (13.01.19)

1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jos 3, 5-11.17 Jes 42, 5a.1-4.6-7 oder
Jes 40, 1-5.9-11
Apg 10, 34-38 oder
Tit 2, 11-14; 3, 4-7
Lk 3, 15-16.21-22

Zu Jos 3, 5-11.17   / Lk 3, 15-16.21-22

„Daran sollt ihr erkennen, dass ein lebendiger Gott mitten unter euch ist. […] Ganze Israel zog trockenen Fußes hindurch, fest und sicher mitten im Jordan auf trockenem Boden.“ (11.17)

Damals ein wunderbares Offenbarwerden der Rettungsmacht Gottes, heute eine nüchterne Realität: der Jordan wird immer trockener und wasserarmer. Wasser ist wertvoll, überall auf der Welt. Das Wasser des Jordans aber steht für einen Konflikt zwischen den Mächten Israel und den arabischen Nachbarstaaten. Der Fluss sollte nach der Staatsgründung Israels „die Wüste zum Blühen bringen“. Heute bewässert der Fluss tatsächlich Bananen, Tomaten, Mangos und Kiwis, auch in Jordanien und Syrien. Zudem wird viel Wasser abgepumpt und man lässt es verdunsten, um an die wertvollen Mineralstoffe aus dem Wasser des Jordan zu gelangen. Das Problem folgt: Von den 1,3 Billionen Kubiklitern, die einst ins Tote Meer flossen, sind nur noch 50 bis 100 Millionen übrig.

An der sog. Taufstelle Jesu wurden Pools installiert, damit Christen die Taufszene Jesu nachvollziehen können. Wer weiß, wie lange es noch Wasser im Jordan geben wird? Heute ist es leider kein Wunder mehr, trockene Stellen im Jordan zu finden.

Zu Jes 42, 5a1-4.6-7

Ich, der HERR, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen, 7 um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft.

Der Prophet Jesaja formuliert das Programm der Befreiung: Blinde werden sehen, Gefangene werden befreit und Inhaftierte ins Licht geführt. Diese Befreiungstat ist nicht dem Propheten überlassen, auch nicht dem Volk als Gemeinschaft, sondern es ist Gott selbst, der zur Befreiung bemächtigt. Jesaja macht es für sein Volk noch einmal mit starken Worten klar: Auch in der Umgebung der babylonischen Fremdgötter ist der Gott der Hebräer der einzige Gott: JHWH, der Schöpfergott, wirkt in der Geschichte.

Wirkt er auch heute noch? Wo ist heute Befreiung nötig? Wo leben Menschen wie in Haft und in Dunkelheit? Die moderne Sklaverei ist eine massive Form der Unfreiheit, unter der mehr Menschen leiden, als Viele glauben.

Beim Thema Sklaverei geht es heute nicht mehr um Menschen, die mit Ketten gefesselt beispielsweise aus Afrika nach Nordamerika verschleppt werden. Solche Bilder haben wir oft noch im Kopf: Schwarze Sklaven, die für weiße Plantagenbesitzer arbeiten. Viele denken, das seien Szenen aus vergangenen Jahrhunderten. Aber das Thema Sklaverei ist heute so brisant wie eh und je.

Denn: Damals wie heute – ein Sklave ist jemand, der wie das Eigentum eines anderen Menschen behandelt wird, wer wirtschaftlich und rechtlich von einem andren abhängig gemacht wird. Das trifft heute – laut global slavery-index[1] – für ca. 45,8 Mio Frauen, Männer und Kinder zu. Heute sind es unsichtbare Ketten, die durch Armut oder Gewalt dennoch vorhanden sind. Eine Form der Dunkelheit, für die der Prophet Jesaja Licht und Befreiung verkündet!

Eine Form moderner Sklaverei ist die Zwangsprostitution. Gewaltsam werden Mädchen und junge Frauen verschleppt. Mit dem Versprechen auf ein besseres Leben kommen viele nach Westeuropa – bis ihnen spätestens am Zielort Papiere und Handy abgenommen werden, um den Kontakt mit der Heimat zu kappen. So ist die völlige Anhängigkeit erreicht. Sie werden gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten, um zu überleben – eine Situation, aus der sie kaum entkommen können. Immer größer wird der Bereich des Sextourismus, von dem Frauen, Männer, wie Kinder betroffen sind: 

„Bedingt durch die schwachen wirtschaftlichen Verhältnisse in den Ländern Asiens, Afrikas, Südamerikas, wie auch Mittel- und Osteuropas sind die Lebensumstände für alleinstehende Frauen mit Kindern, besonders in den ländlichen Regionen, extrem schlecht. Auf der Arbeitsuche in den Touristenhochburgen finden sich die Frauen und die Kinder in einem Heer von Arbeitslosen wieder. In der Not liefern sie sich als Prostituierte, gesundheitlich und rechtlich ungeschützt, der Willkür der Sextouristen, Pädophilen und der nationalen Ordnungshüter aus. Emotional, sexuell und finanziell ausgebeutet werden die Frauen so von ihrem herkömmlichen sozialen Umfeld isoliert. Katastrophal ist die Situation für Kinder, die immer zahlreicher von Sextouristen missbraucht werden. Ein normaler Start ins Leben wird unmöglich.“[2]

Moderne Sklaverei erleiden weltweit auch viele Kinder – überall dort, wo große Armut herrscht. Kinder müssen arbeiten, um ihren Familien zu helfen, über die Runden zu kommen. Sie können nicht zur Schule gehen, keine Bildung erhalten und so auch nicht aus der Armut ihrer Familie entkommen. Viele müssen auch die Schulden ihrer Eltern abarbeiten. Auf Plantagen, in Minen oder auf Müllkippen – oft unter härtesten, sogar lebensgefährlichen Bedingungen, zu einem minimalen Lohn. In Kriegsgebieten werden Kinder als Soldaten missbraucht, gezwungen unter Androhung von Gewalt gegen sie oder ihre Familie. Auch die Situation von Arbeitsmigranten im Fußball-WM-Land Katar ist dem der Sklaverei vergleichbar: Wer als Ausländer zur Arbeit in das Emirat kommt, macht sich komplett von seinem Arbeitgeber abhängig, was die Unterbringung, Versorgung und die Arbeitsbedingungen angeht.

Sklaverei ist kein Phänomen aus vergangenen Zeiten, sie ist nur besser getarnt, in Deckmäntel der Legalität gehüllt oder so weit weg, dass in Deutschland nur die „erfreulichen Endprodukte“ wie erschwinglicher Sex, Coltan oder ein gelungenes Fußballstadion auf dem Bildschirm zu sehen sind. Die menschlichen Hintergründe bleiben oft unsichtbar oder werden als Nebenwirkung hingenommen.

Dies alles sind heutige Dunkelheiten, in denen der Prophet Jesaja das Licht des einzigen Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erde, leuchten lassen will. Dies sind heutige blinde Flecken, für die unsere „blinden Augen“ geöffnet werden sollen.

Zu Apg 10, 34-38

„Gott schaut nicht auf die Person, sondern ihm ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (34.35)

Wir Menschen unterscheiden uns untereinander und stecken Grenzen ab aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Leistungsfähigkeit, sexueller Orientierung, Rasse oder Einkommen. Gott legt andere Unterscheidungskriterien an als der Mensch. Er schaut auf das, was alle Völker verbindet: die Fähigkeit zur guten Tat und die Sehnsucht nach der Gottesfurcht.

Stefanie Völkl, Mainz

 

Quellen:

[2] https://www.solwodi.de. SOLWODI (SOLidarity with WOmen in DIstress / Solidarität mit Frauen in Not) ist ein überkonfessioneller und überparteilicher Verein, der Frauen in Notsituationen hilft. Der Ursprung liegt in Mombasa, Kenia, wo die Initiative 1985 von der Ordensschwester Lea Ackermann ins Leben gerufen wurde.