14.o7.24 – 7. Sonntag nach Trinitatis / 15. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2. Mose 16,2-3.11-18 Am 7, 12-15 Eph 1, 3-14 Mk 6, 7-13

Die Autorin betrachtet detailliert den Predigttext der ev. Perikopenordnung. Die kath. Lesungstexte lassen sich nur schwer unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit interpretieren. Das kath. Evangelium enthält den Satz »schüttelt den Staub von euren Füßen«, der sich leicht auch auf Uneinsichtigkeit im Hinblick auf Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung in die heutige Zeit übertragen lässt.

Von himmlischer Suffizienz und dem göttlichen „Es reicht“

Der Predigttext des Sonntags erzählt das Manna-Wunder und ist eine Nachhaltigkeitsgeschichte par excellence: Ein Wunder des irdischen Genugs in der Fülle himmlischer Möglichkeiten.

Homiletisch ist der Abschnitt ein überbordend volles Buffet. Um die Predigt nicht zu opulent darzureichen, ist es nötig auszuwählen. Das Hapaxlegomenon מְחֻסְפָּ֔ס (V.14) beschreibt das Manna als „geschält“ oder „freiliegend“. Auch eine Übersetzung mit „knisternd“ ist möglich. Das darf hier die Einladung sein für ein eklektisches Herauspicken von ein paar knisternd leckeren Gedankenhappen theologischer Nachhaltigkeits-Cuisine, die körnchenklein Appetit macht, das Wunder zu kosten und auf den Geschmack des „Reichlichen“ zu kommen.

  • wunderbar real – reichlich vorhanden

Wer in der Themenauswahl der Predigt auf eine Diskussion über die Art der Speise setzt und naturwissenschaftliche Herleitungen aus dem Alltag der Wüste (Schildläuse, Tamarisken…) referiert, sollte beachten, dass ein Reden über Essen nicht satt macht. Wichtig ist vielmehr, daraus ein nahrhaftes, schmeckbares Stück für die Hörer*innen anzubieten. Das könnte so aussehen: Lebensbedingungen sind nicht immer zu wählen, wohl aber zu gestalten. Mehr als die Speise selbst sind es die Ermöglichungen im Alltag, die das Wunder ausmachen. Das Mannageschehen ist Empowerment. Es ist die Befähigung, die eigenen Ressourcen angesichts schwieriger Umstände zu erschließen, damit das Leben zu gestalten und Zukunft zu ermöglichen.

  • Deutung des Wozu – es reicht hin…

Verantwortete theologische Rede gibt Auskunft auf die existentiellen Fragen der Menschen. Als Mutter aller Katechismusfragen „Was ist das?“ zielt das Manhu? schon über die real-faktische Konsistenz hinaus in dem Sinne von „Was geschieht hier?“. Deswegen ist Manhu? nicht nur mit Zahlen und Energiewerten zu beschreiben, sondern in den Kontext zu stellen, in dem alles Leben stattfindet: im Erkennen, dass Gott seine Menschen befreit, bewahrt und befähigt. Das Mannawunder bedeckt die Erde, aber reicht bis in den Himmel hin. Das meint: die Gegenwart, mein konkretes Erleben, wird mit dem himmlischen und irdisch gegenwärtigen Gott in Beziehung gebracht. Als Zweck des Wunders wird (V.12) von Gott her beabsichtigt: „ihr sollt satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin“.

  • Gerechtigkeit muss schmecken - weitreichend

Nach 40 Jahren täglich kann einer*m auch der Geschmack von Semmeln mit Honig und Koriander (V.31) leid werden. Dass es diesbezüglich nicht zu einer neuen Murrgeschichte gekommen ist, mag seinen Grund wohl darin haben, dass nach Whs 16,20 für jede*n Manna das ist, was sie*er am liebsten essen mag. Das Schmackhafte an dem Geschehen macht deutlich, dass gerechte gesellschaftliche Entwicklung allen Beteiligten schmecken soll. Darin liegt die eschatologische Perspektive von umfassendem Schalom. Gerechtigkeit wird in dem Text über das Maß der Bedarfe bestimmt. Ähnlich wie beim Pessach-Mahl ist die Anzahl der Menschen entscheidend für die Zuteilung der Menge. Dass die Einheit עֹ֣מֶר (V.16) im Hebräischen ähnlich zu „Wort“ oder „Verheißung“ אֹמֶר klingt, kann als delikate Würze wahrgenommen werden: Die Verheißung des Maßvollen; die Vorteile, wenn Güter der Welt für alle in gleicher Weise zur Verfügung stehen.

  • Das Wort, das nicht genannt werden darf – es reicht

„Suffizienz“ scheint gesellschaftspolitisch ein Wort, das nicht genannt werden darf. Während Effizienz und Konsistenz als akzeptabel propagiert werden, wird Suffizienz als Wähler*innenschreck vermieden. Zu sehr hat es noch den Geschmack des miesesauren Verzichtes. Dabei zielen Suffizienzstrategien auf positive Effekte. In den letzten beiden Jahren seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wurde die allgemeine Erkenntnis zur konkreten Erfahrung, dass Energiesparen zu einer Energieimportunabhängigkeit und der Unabhängigkeit von Kriegstreibern beiträgt. Die durch die Haltung des Genug-Habens erzielten Einsparungen ermöglichen Investitionen für das Allgemeinwohl; für Bildung, Gesundheit,… für die Zukunft. Das Mannawunder ist ein Befreiungswunder, ein Wunder für freie Menschen. Es ist eine Befreiung aus Sklaverei und von Abhängigkeiten. Der Weg dorthin geht durch die Wüste, in der Schritt für Schritt die Erfahrung des gewährten „täglichen Brotes“ als Vertrauen gelernt wird. Die Aussage „Es reicht“ ist theologische Gewissheit und politische Maßgabe.

  • Nicht die ersehnten Fleischtöpfe- anders dargereicht

Das Bedürfnis und die Sehnsucht der Israelit*innen werden erfüllt, aber nicht ihr Wunsch selbst. Die in Sklav*innenmentalität ersehnten Fleischtöpfe werden in die Situation der freien Menschen transformiert. Ohnehin bleibt zu fragen, ob die Sklav*innen tatsächlich Anteil an den Fleischessen ihrer Herr*innen hatten oder sie nur zubereiten und servieren mussten und für sie selbst solche Mahlzeiten die Ausnahme blieben. Bei den Wachteln ist aus dem Text nicht deutlich, ob sie regelmäßig, oder nur an diesem besonderen Tag zur Verfügung standen. Manna als vegetarische Kost hingegen war tägliche Speise. Sie sorgt für Überleben. Auch mit mehr als 8 Milliarden Menschen ist Ernährung für alle möglich, aber eben nicht, wenn die Herren auf Fleischtöpfe bestehen, deren Schweine mit Soja gemästet werden, das auf gerodeten Regenwaldflächen monokultiert. Wichtige individuelle Ansätze, wie sich persönlich für vegetarische oder vegane Kost zu entscheiden, verändern gesellschaftlich noch zu wenig; – Manna funktioniert, weil alle(!) es essen.

  • Arbeit, Würde und Rhythmus - was das Leben reich macht

Das morgendliche Sammeln (und in der späteren Erzählung das Pausieren am Sabbat) rhythmisiert und strukturiert gemeinsame Aktiv- wie Ruhezeiten. Es gibt ein kollektives Gleichmaß. Manna-Mentalität ist neben dem, was zum Leben reicht, zugleich die Befreiung hin zu dem, was ein Leben reicher macht. Gemeinsame Zeiten der Produktivität wie der Erholung, des Miteinanders von Familien, Freund*innen, …

Die Selbstwirksamkeit, das Manna eigenständig/eigenhändig zu sammeln ist Inbegriff sinnstiftender Arbeit. Ein wahrhaft er-lesenes Gut. Jede*r kann für das eigene Auskommen sorgen, so dass etwa Spenden überflüssig werden, die fortwährende Geber*innen-Empfänger*innen- Gefälle abbilden und somit hierarchische Strukturen und gesellschaftliche Trennlinien verfestigen.

  • Sonst stinkt es – jenseits des Bereiche(rn)s

Das Zuviel verdirbt. Dieser Satz kann intransitiv, aber auch transitiv gelesen werden. Die Haltung des Mehr-für-sich-haben-Wollens macht Menschen schlecht. Besitz befördert Egoismus. Nun gehört der Bericht über das Verderben des über das Maß Gesammelten nicht zum Predigttext (erst ab V.20), ist für die Hörer*innen aber vertrauter Kontext und reizvoll in der Aktualität. Die ekelhafte Widerlichkeit der Corona-Bunkermentalität haben wir noch als schlechten Geschmack auf der Zunge. Und wieviel Essen wird in Hotels weggeworfen, weil zum Wellnessurlaub aber mindestens auch ein gigantisches Frühstücksbuffet dazu gehört. Ach, der Beispiele gibt es zur Genüge….

Claudia Latzel-Binder, Bad Berleburg

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