19. Sonntag nach Trinitatis / 28. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Jes 38,9-20 | Weish 7, 7-11 | Hebr 4, 12-13 | Mk 10, 17-30 |
Krankheit, Hoffnung, Heil und Heilung – das sind die Stichworte, die den 19. Sonntag nach Trinitatis prägen. Wenn „nachhaltig predigen“ in diesem Jahr auch das Thema „Abgebrannt!?“ reflektiert, lässt sich dies an diesem Sonntag weiterdenken: Wie können „ausgebrannte“ Menschen wieder neu brennen für einen nächsten Schritt, eine neue Lebensperiode? Kann aus Krankheit Weisheit wachsen? Wie kann das Leben im Angesicht des Todes neu aufleuchten und dankbar und verantwortlich gelebt werden? Und wie kann der Lebensfaden wieder aufgenommen werden, der abgerissen war? In den Predigtimpulsen am Ende wird Bezug genommen auf ein tansanisches Altar-Tuch: Gott schenkt nachhaltig gutes Leben!
Jesaja 38, 9-20
Während ich diese Zeilen verfasse, erreichen mich – kurz nach dem ersten Corona-Lockdown- die Informationen zur Regelung von Gottesdiensten: Singen wurde als mögliche Ansteckungsquelle identifiziert und infolgedessen in Kirchen verboten. Der evangelische Predigttext konterkariert diese Anweisung energisch.
Der Vers 9 gibt den Rahmen eines Liedes vor, in dem Hiskia seine Erfahrungen mit schwerer Krankheit und mit der darauf folgenden Genesung zum Ausdruck bringt. Im Angesicht des Todes vom Leben singen: Hiskia macht es in diesem Predigttext vor.
Seine Person kommt in der Bibel gut weg. Seine Regierungsgeschäfte sind zwar geprägt von den politischen Wirren der Zeit, führen aber dazu, dass Jerusalem verschont bleibt von kriegerischen Aggressionen. Zudem wird Hiskias Frömmigkeit betont. Jesaja verheißt ihm darum ein langes Leben – ein Wunsch, den die römischen Könige auf sich beziehen und auf die Kaiserkronen eingravieren werden.
In seinem Lied verschweigt Hiskia nicht die Vorwürfe, die er Gott entgegenhält: Wie konnte er ihn an den Rand des Todes führen? Wie konnte er den Faden des Lebens so abschneiden, dass keine Energie mehr fließen kann? Schlaflosigkeit, Verzweiflung, Schmerzen in allen Knochen, ein Burn Out in jeglicher Hinsicht – all das ist aber nicht das Ende vom Lied.
Denn wenn plötzlich Tod und schwere Krankheit ins Leben ragen, ordnet das die Dinge neu. Bisher Selbstverständliches verliert an Bedeutung; die Randerscheinungen des Lebens rücken ins Zentrum. Hiskia verliert kein Wort über seine königlichen Qualitäten, über politische Strategien und die Außenpolitik seiner Zeit. Er singt von den existentiellen Nöten eines Menschen, der Angst hat zu sterben. Er singt von Hoffnung und kleinen Lichtblicken. Und er preist Gott für die Genesung, die er erleben durfte.
Weisheit 7, 7-11
„In den ersten Wochen der Corona-Einschränkungen habe ich den blauen Himmel genossen, die Ruhe und das Zwitschern der Vögel“: Als im Frühsommer 2020 die Zeit eine Weile still seht, entdecken Menschen die Weisheiten eines entschleunigten Lebens. Wie bleibe ich gesund? Diese Frage prägte die Brennpunkt-Sendungen. Aber sie wird relativiert durch die Frage: Wie können wir mit und trotz dieser Krankheit gut leben? Im Buch der Weisheit gibt es dafür viele Anregungen. Zugespitzt heißt es dort: „Ich hatte sie (die Weisheit) lieber als Gesundheit…“!
Nachhaltig gut leben, auf lange Sicht das Wesentliche erkennen und allem anderen – Geld, Macht, Einfluß – klare Grenzen setzen: Im Buch der Weisheit werden die Rahmenbedingungen des Lebens geprüft und auf das Wesentliche zugespitzt. Wesentlich aber ist, von Gott Einsicht und Weisheit geschenkt zu bekommen. Das rückt die Dinge in ein neues Licht.
Hebr. 4, 12-13
Auch im Text aus dem Hebräerbrief geht es um eine neue Weltsicht. Gott selbst sieht seine Schöpfung an und rückt die Menschen, die Natur und alle Dinge ins richtige Licht. Erst durch sein Wort können wir erkennen, worauf es ankommt. Dann aber sind wir aufgefordert, darauf zu reagieren und verantwortlich zu handeln.
Mk 10, 17-30
„Was soll ich tun --- um ewiges Leben zu erlangen?“ Der Spannungsbogen zwischen menschlichem Tun und Gottes Reich umfasst den Text aus dem Markusevangelium. Jesus gibt Hilfestellung um das Richtige vom Falschen zu unterscheiden und um Schritte zu gehen, die dauerhaft gut und nachhaltig sind. Das Leben so leben, dass die Ewigkeit darin aufleuchtet – in Jesu Augen kein unmögliches Vorhaben sondern eine verheißungsvolle Aufgabe.
Weitere Predigt-Impulse und Bild-Betrachtung
In einer Kirche in der Massai-Steppe im nördlichen Tansania fand ich dieses Altar-Tuch. Wie ein Zelt war die Kirche gestaltet, schon beim Anblick wurde deutlich: Hier kommen Menschen zusammen, die sich als Migrant*innen verstehen. Das Altar-Tuch greift dies auf und verbindet es mit einer uralten Segenserfahrung. Das Rind, Sinnbild der Schöpfung und wichtig für den Alltag der Massai, ist durch einen starken Faden mit einer stilisierten Wolke, Sinnbild Gottes, verbunden. Aus diesem Lebensfaden wächst Kraft und Vertrauen in eine gute Zukunft. Der Faden macht deutlich, was gutes Leben ermöglicht: Vergebung der Schuld, Gottes Zuwendung, Segen. In einer Schöpfungsgeschichte der Massai wird erzählt, dass dieser Lebensfaden auch abgeschnitten sein kann. Verzweiflung, Verlorenheit und Tod ist die Folge. Aber Gott knüpft neu an. In Jesus Christus schenkt er dieser Welt einen Neuanfang.
Wie ist das, wenn unser Leben den Zusammenhang mit Gott verliert? Wie reagieren wir, wenn wir erkennen, dass die Welt am seidenen Faden hängt?
„Du hast meinen Lebensfaden abgeschnitten“: Hiskia greift das alte Bild auf und macht Mut. Gott schenkt Heilung und Heil – und er gibt uns die Chance, mit uns mit dieser Welt neu anzufangen.
„Heile du mich, Herr, so werde ich heil, hilf du mir, so ist mir geholfen“. Der Wochenspruch gibt den Ton vor, der uns vom Leben singen und das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden lässt.
Beate Heßler, Dortmund
Lieder
Mein engen Grenzen, meine kurze Sicht (Ev. Gesangbuch Rhein-Westf. 600, auch Internet)
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden (Ev. Gesangbuch 66)