Letzter Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis (27.01.19)

Letzter Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2 Mose 3, 1-8a (8b.9) 10
(11-12) 13-14 (15)
Neh 8, 2-4a.5-6.8-10 1 Kor 12, 12-31a oder
1 Kor 12, 12-14.27
Lk 1, 1-4; 4, 14-21

Zur Einstimmung

Nachhaltiges Leben braucht Werte, die auch und gerade im Blick auf Zukunft gelten. Diese Werte sind verwurzelt in der Tradition des eigenen Herkommens und sollen das Überleben sichern:Was dient dem Leben und damit der Ehre Gottes? Was gefährdet das Leben und damit die Beziehung zu Gott? In jederZeit erheben Menschen ihre Stimme und erinnern an diese Werte. Eine solche Zeitansage kann auch unbequem sein. Biblische Propheten und Leitfiguren sind solche „Zeitansager“. Und wenn es gelingt, für eine Situation die richtigen Worte zu finden, so bleiben sie nachhaltig in Erinnerung.

Diese Aspekte- mit je eigener Zuspitzung – finde ich in den vorliegenden biblischen Texten.

2. Mose 3, 1-15

Um eine Gottesbegegnung der besonderen Art geht es in diesem Text. Er handelt aber auch von der Beauftragung Mose, von der Offenbarung des Gottesnamens und der Identifizierung dieses Gottes mit dem Gott der Erzväter und der Verheißung der Befreiung aus Ägypten.
Von Neugier und Respekt ist diese Begegnung geprägt, die auf der Grundlage der Vätertradition den Dialog eröffnet. Die Berufung folgt der klassischen Form biblischer Berufungsgeschichten[2]. Mose wird zu Beginn zweimal mit Namenangesprochen und äußert insgesamt fünfmal Zweifel[3], auf die Gott jeweils antwortet: M: Wer bin ich, dass ich so einen Auftrag ausführen könnte?- G: Ich gehe mit. M: Wie ist dein Name? – G: Ich werde sein, der ich sein werde. M: Sie werden mir nicht glauben! – G: Ich gebe dir die Schlange als Zeichen. M: Kann nicht jemand anders gehen? – G: Aaron begleitet dich.

Solche Zweifel an einem Auftrag, der groß und umfassend ist, kennen auch alle, die sich für nachhaltige Projekte und Ideen engagieren. Meist gilt es erst einmal Mitstreiter*innen zu gewinnen – dabei sind unterschiedliche Kompetenzen durchaus erwünscht. Innere Motivation und klare Ziele sind nötig, um die Aufgaben anzupacken, die nachhaltig Überleben sichern. Mose beweist Weitsicht und Verantwortung und lässt sich schließlich überzeugen, denn es geht um die Zukunft seines Volkes Israel und damit steht zu viel auf dem Spiel, als dass er den Auftrag ablehnen könnte.
Seine Motivation gewinnt Mose durch die glaubwürdige Verschränkung seiner Erfahrungen mit dem Gott der Väter und der Zeitansage Gottes in die aktuelle Situation: „ Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen…“
Mose darf diskutieren; seine Sorgen und Bedenken, sich an die große Aufgabe zu machen, werden nicht nur ernst genommen, sondern auch argumentativ bearbeitet. Ein Gefährte wird ihm schließlich zur Seite gestellt (2. Mose 4, 14ff).
Und über allem steht die große Zusage Gottes: Ich gehe mit - ich werde sein, der ich sein werde.
Was für eine ermutigende Verheißung für alle, die Zukunft sichern wollen!

„Die Erde ist mit Himmel vollgepackt,
und jeder gewöhnliche Busch brennt mit Gott-
aber nur der, der es sieht, zieht die Schuhe aus.
Die anderen sitzen herum und pflücken Brombeeren“
(Elisabeth Barret-Browning: The poeticalworks, New York 1910)[4]

Neh. 8, 2-4a.5-6.8-10

Auch in der Überlieferung von Nehemia kommt die Zukunft in den Blick – was soll die Basis sein für den Neubeginn nach der Rückkehr aus dem Exil im 5. Jahrhundert vor Christus? Nehemia hat die äußeren Mauern Jerusalems (wieder) aufbauen lassen und die kultische Ordnung reformiert. Der Priester Esra übergibt die innere Ordnung an das Volk. Interessanterweise wird das Gesetz verlesen an „Männer und Frauen und alle, die es verstehen konnten“ – es handelt sich also nicht nur um eine beiläufige zur Kenntnisnahme, sondern um inneres Begreifen. Die angesprochenen Menschen antworten mit der entsprechenden Aufmerksamkeit und Ergriffenheit – ja, sie weinten sogar, als sie das Gesetz hörten.

Esra steht in der Tradition des Gewesenen und weist in eine neue Zukunft mit Gott, er vermittelt die Regeln, die für das Zusammenleben und die Religiongelten sollen, um das Überleben zu sichern.

Mit der Verlesung und Übergabe des Gesetzes an die Männer und Frauen wird auch die Verantwortung deutlich, die die Menschen für Überleben und Zukunftsfähigkeit ihres Volkeshaben. Äußerer Aufbau und innere Erbauung gehen dabei Hand in Hand.

1. Kor.12, 12—31a

Wenn Paulus vom Leib mit den vielen Glieder schreibt, präsentiert er damit ein biblisches Bild für systemisches Denken, das bis heute einleuchtend ist. Ja, es ist durch seinen Vergleich sogar Christus selbst, der zum Bild dafür wird, wie alles miteinander zusammenhängt und verbunden ist. Im System kann auf kein Teil verzichtet werden. Und wenn ein Glied leidet, sind alle betroffen. Alle Glieder haben den selben Wert (die gleiche „Ehre“ V. 24). Mit einer solchen Sichtweise lassen sich alle 17 Nachhaltigkeitsziele[5] durchbuchstabieren und miteinander in Verbindung setzen.

Mit diesem systemischen Blick ermutigt Paulus die Gemeinde in Korinth und die Christinnen und Christen darüber hinaus, mit ihrer jeweiligen Gabe am richtigen Platz für die Gemeinde zu wirken.

Die gegebenen Ressourcen sollen also so gewinnbringend wie möglich eingesetzt werden. Auch hierin findet sich ein Grundprinzip von Nachhaltigkeit.

Lk 1, 1-4;4,14-21

Mit dem Rückgriff auf diejenigen, die auch schon die Geschichte Jesu niedergeschrieben haben, stellt sich der Verfasser des Lukasevangeliums in die Tradition der Überlieferung und führt sie fort. (1,1ff).

Jesu erste Predigt (4,14ff) knüpft an die prophetische Tradition des Jesaja an und benennt die Adressaten erneut: die Armen, die Gefangenen, die Blinden und die Zerschlagenen. Ihnen gilt das Evangelium, die gute Botschaft, die Jesus mit alten Worten neu in ihre Situation hinein spricht. Er lässt wahr werden, was voraus gesagt ist und stellt den Menschen die Erfüllung des Versprechens vor Augen. Darin erkenne ich einen Ansatz von Nachhaltigkeit. Denn nachhaltiges Denken erfordert die Vision der Zielerfüllung und schöpft daraus die Motivation, sich auf den Weg zu machen.

Barbara Deml, Berlin

 

[1]Den Überlegungen liegt die Lutherübersetzung 2017 zugrunde.

[2]Diese enthält folgende Schritte: 1. Gotteserscheinung und Angabe der Umstände, in die hinein die Berufung erfolgt; 2. Gott gibt den Auftrag; 3. Der Berufene äußert Vorbehalte und Bedenken; 4. Gott beseitigt die Bedenken und gewährt zur Bekräftigung ein äußeres Zeichen. (Vgl. z.B. Aaron Schart, www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15008/)

[3]Die letzten beiden „Zweifel“ werden in Kapitel 4 überliefert

[4]Übersetzt in www.bibelwerk.de, Materialpool

[5]Wie 5.