4. Adventsonntag (23.12.12)

4. Advent 2012

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 1, 19-23(24-28) Mi 5, 1-4a Hebr 10, 5-10 Lk 1, 39-45

Der Autor betrachtet den Predigttext der ev. Reihe und die 1. Lesung im kath. Lesejahr C. Unmittelbar vor dem Fest der Geburt Jesu ist die Spannung zwischen den Übeln der bestehenden Welt und der Erwartung eines kommenden Reiches des Friedens und der Gerechtigkeit das zentrale Thema.

 

Johannes der Täufer: Eine Stimme in der Wüste

Exegetische Überlegungen
Das Verhör des Johannes durch die Religionsbehörde setzt sein Wirken als Bußprediger und Täufer voraus. Seine Gesellschaftskritik und sein Ruf zur Umkehr lassen sich mit einem Wort Theodor W. Adornos zusammenfassen: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Schon der Name des Täufers wirft ein Licht auf sein Wirken: Johannes (Johanan) heißt „Der Herr hat Gnade erwiesen" Er versteht sich als Zeuge des richtigen, gottgewollten Lebens und dessen Verkörperung in dem, der nach ihm kommen wird, „aber vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich." (Joh 3,30). Die bevorstehende Zukunft ist eine Wiederkehr: die des gottgewollten Ursprungs. Die verdorbene Gegenwart nennt Johannes mit dem Zitat aus Jes 40,3 eine „Wüste". Deshalb gilt es, das Leuchten der messianischen Zukunft zu bezeugen und Wege dorthin zu bahnen. Licht ist ein Leitmotiv der Täuferbotschaft; denn das aus dem göttlichen Wort entstandene Leben „war das Licht der Menschen". (Joh 1,4-8) Der, dessen noch unerkannte Gegenwart Johannes bezeugt, wird später von sich sagen „Ich bin das Licht der Welt", (Joh 8,12).
Als Zeuge tauft Johannes „nur" mit Wasser, dem Symbol einer spirituellen Reinigung. Der nach ihm Kommende wird jedoch „mit dem heiligen Geist taufen" (Joh 1,33). Die Taufe des Johannes „dient dazu, auf das zu verweisen, was er selbst nicht erreichen kann, die Hinwegnahme der Sünde der Welt durch das Lamm Gottes." (Barret S. 197) „Was die synoptische Tradition naiv tut, wenn sie die Prophetie des Täufers auf Jesus bezieht, das tut also der vierte Evangelist bewußt: in Jesus hat die Verkündigung des Täufers ihre Erfüllung gefunden." (Bultmann, S. 67 f.)

Predigtimpulse
Die hier skizzierten Zusammenhänge des Predigttextes lassen sich auf andere Weise in Motiven der Weihnachtsgeschichten bei Matthäus und Lukas wiederfinden. Bevor Maria ihr Kind zur Welt bringt, ist ja der kommende Heiland in ihrem Leibe unerkannt bereits in der Welt. Ihn bezeugt das „Hüpfen" des ebenfalls noch ungeborenen Johannes bei der Begegnung von Maria und Elisabeth. Die ärmliche Geburt im Stall, der Mordbefehl des Herodes und das Pogrom in Bethlehem sowie die Flucht nach Ägypten lassen als sich Präsenz des göttlichen Wortes in einer todbringenden Welt, in einer „Wüste", auslegen. Doch „das Licht leuchtet in der Finsternis": über den Hirten auf dem Felde, als Stern von Bethlehem, in der Friedensbotschaft der Engel.

Es fällt nicht schwer, die Wüste Deuterojesajas und die des Täufers im Zustand der gegenwärtigen Welt wiederzufinden. Findet doch weithin immer noch buchstäblich die skrupellose Verwüstung unseres blauen Planeten statt. Es gibt nach wie vor genügend „Herodesse", Korruption und Unersättlichkeit auf der einen Seite, unsägliches Elend, Gewalt und Leid auf der anderen. Ebenso aber ist das adventliche Licht in der Welt und sind seine Zeugen unüberhörbar. „Brot für die Welt" ist nur ein populäres Beispiel - neben ungezählten anderen. Das gilt sowohl im globalen Maßstab wie vor allem auch für die vielen konkreten Aktionen von mutigen Einzelnen vor Ort sowie von Kirchengemeinden und Bürgerinitiativen. Das adventliche Licht ist mehr als nur eine Dekoration der Häuser und der Städte. Es ist - wie seinerzeit Johannes - ein Zeugnis des messianischen Leuchtens dessen, der da kommt. In vielen unserer Adventsliedern wird das besungen, so z.B. in Jochen Kleppers Lied „Die Nacht ist vorgedrungen" (EG 16).

Bezug zur Nachhaltigkeit
Initiativen, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen, werden oft nur von Minderheiten oder gar Einzelnen getragen. Ihre Manifeste und Botschaften stoßen immer wieder auf den Widerstand der „herrschenden Verhältnisse" und ihrer Vertreter. So gleichen sie der „Stimme eines Predigers in der Wüste". Es kommt darauf an, ihre Impulse zu verstärken und so - ähnlich wie Deuterojesaja und Johannes - Wege in die Zukunft zu bahnen. Die Parole „Frieden, Gerechtigkeit und die Schöpfung bewahren" bleibt weiterhin das Leitbild für kirchliches Handeln.

Literatur: Josef Ernst, Johannes der Täufer – Der Lehrer Jesu?, 1994; Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes. Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, 1959; Charles Barret. Das Evangelium des Johannes. Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, 1990.

 

Micha: Der Verkünder des guten Hirten

Exegetische Überlegungen
Micha, die Kurzform von Michael und Michaja, bedeutet „Wer ist wie Gott (bzw. Jahwe)?" – ein pro-gram¬matischer Name (vgl. Mi 7,18!). Das nach ihm genannte Buch erhielt seine endgültige Gestalt erst in der Zeit des babylo¬ni¬schen Exils und nach dessen Ende und ist eine im besten Sinne gelungene Komposition.. Es enthält damit außer den Texten des Propheten über die korrupten Strukturen seiner Zeit die Erfah¬rungen der Katastrophe von 587 v.Chr. (Zerstörung Jerusalems) und des Exils, aber auch der Befrei¬ung. - Das Wirken des Propheten fällt in die zweite Hälfte des 8.Jahr¬hunderts v.Chr. Seine Bot¬schaft ist bestimmt von der Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen im Lande. Er prangert die aus¬beuterischen Praktiken der herrschenden Klasse an (vor allem Mi 3) und mahnt soziale Gerech¬tig¬keit und ein Ende des Aus¬plünderung des Volkes an (Mi 2,1-5; 6, 9-16). Energisch ruft er zu einer Politik des Frie¬dens statt der Kriege auf. Politischer Hintergrund ist die aktuelle Be¬drohung Israels durch die kriegerische Expansionspolitik des Großreiches Assur. Der künftige Frieden wird deshalb global sein - „bis an die Grenzen der Erde." (Mi 5,3) Hier wird gewisser¬maßen die Politik der Vereinten Nationen angekündigt.

Predigtimpulse
Mi 5, 1 ff. ist ein - damals wie heute – ‚adventlicher' Text, Ein Hirte in der Kraft des Herrn wird die Ver-kör¬¬¬¬pe¬¬rung eines guten Lebens und dauerhaften Friedens sein. Die Kleinstadt Bethlehem-Efrata – zu deutsch „Brot¬hau¬sen" auf den „Fruchtfeldern" - wird der Geburtsort dieses guten Hirten sein und nicht etwa die Königsstadt Jerusalem. „Jahwe beginnt aufs neue sein messianisches Werk am ruhmlosen Ort unter kleinen Leuten." (Wolff, S. 116) Das ist eine deut¬li¬che Anspielung auf David, den einfachen Hirten¬jun¬gen aus Bethlehem. Er wurde der von Gott gesegnete König ganz Isra¬els und galt für Jahr-hunderte als politisches Vorbild des guten Herrschers. Sein Bild hat auch die Erwartung des kom¬men-den Mes¬sias geprägt.
Die Christenheit wird das Krippenkind Marias als „Sohn Davids" ver¬ehren. Im Choral „Tochter Zion, freue dich" wird gesungen: „Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet König mild! Ewig steht dein Frie¬dens-thron, du des ewgen Vaters Kind." (Ev. Gesangbuch 13,3). Als „König der Juden" wird ihn aller¬dings erst Pilatus bezeichnen! Im Handwerkerhaushalt seines Ziehvaters Josef aufgewachsen, hat Jesus das Leben der einfachen Leute und ihre Sorgen und Nöte von früh auf geteilt. Sein ara¬mäi¬scher Name Jehoschua – „Gott hilft" – kann zum Namen des Propheten in Bezie¬hung gesetzt werden. Denn die Frage Micha(ja) -„Wer ist wie Jahwe" - wird mit der Geburt und dem Leben Jesu beant¬wor¬tet: „Gott hilft". Als Erwach¬se¬ner wird der in „Brothausen" Gebo¬re¬ne von sich sagen: „Ich bin das Brot des Lebens" (Joh 6,35) und „Ich bin der gute Hirte" (Joh 10,11).

Bezug zur Nachhaltigkeit
Michas Wort „Schwerter zu Pflugscharen" (Mi 4,3) ist zur Parole der Friedens¬be¬we¬gung im 20. Jahr¬hun-dert geworden und – etwa angesichts des Waffenhandels und der atomaren Auf¬rüstung etlicher Staaten – bis heute aktuell. - Ein beeindruckendes Beispiel nachhaltigen Einsatzes für den Frieden ist die Aktion „Ferien vom Krieg", initiiert und getragen vom „Komitee für Grundrechte und Demokratie" und finanziert ausschließlich aus Spenden, auch aus Kirchengemeinden. Die Aktion begann in den Balkankriegen des 20. Jahr¬hunderts: Kinder und Jugendliche der verfeindeten Volksgruppen wurden zu gemeinsamen Ferienfreizeiten eingeladen, um die jeweils „Anderen" kennen und verstehen zu lernen. Die Aktion war und blieb bis heute sehr erfolgreich. Seit einigen Jahren werden außerdem Treffen von jungen Israelis und Paläs¬tinen¬sern orga¬nisiert, die ebenfalls zur gegenseitigen Verstän¬di¬gung und zu inten¬si¬ven Freundschaften führen. Ein¬drucks¬volle Infor¬matio¬nen dazu in: „Bericht über die Aktion ‚Ferien vom Krieg' im Sommer 2011", zu bestellen unter www.ferien-vom-krieg.de.

 

Dr. Wolfgang Herrmann

Literatur:
Hans Walter Wolff, Dodekapropheton 4 Micha, Biblischer Kommentar Altes Testament, 1982;
Antoon Schoors, Die Königreiche Israel und Juda im 8. und 7. Jahrhundert v.Chr..Biblische Enzyklopädie Bd.5, 1998;
Friedrich Heinrich Ranke, Tochter Zion, freue dich. Ev. Gesangbuch 13.