4. Advent 2018
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 1, (26-38) 39-56 | Mi 5, 1-4a | Hebr 10, 5-10 | Lk 1, 39-45 |
Vorbemerkungen zum Tag
Die Chance für einen „normalen“ Gottesdienst ist an diesem Sonntag in vielen Gemeinden eher gering – zu sehr steht in diesem Jahr der 4. Advent schon im Schatten des Heiligabend. Das ist schade, denn die Texte bieten einen guten Einstig in das Geheimnis von Weihnachten – die Menschwerdung Gottes.
Lukas 1,(26-38)39-56
Es ist schade, dass die Ankündigung der Geburt Jesu durch die Platzierung am 4. Advent wohl eher selten als Predigttext dient. Die Komposition des Lukas breitet vor dem inneren Auge des Hörers einen Bildteppich aus, der den Boden bereitet für das ganz große Wunder: die Christgeburt. Ich empfehle, die Texte nicht exegetisch zu zerpflücken, sondern den Erzählzusammenhang zu respektieren und Maria in den Mittelpunkt zu stellen. Sie erscheint hier nicht nur als die Magd des Herrn oder die mehr oder weniger passive Gottesgebärerin. Sie ist die letzte Prophetin des Alten Bundes und erste Glaubende, Hoffende und Liebende des Neuen Bundes. Sie war der Mensch, der Jesus am nächsten stand. Sie hat ihn geboren. Sie hat ihm ihre Liebe gegeben. Sie hat ihn beten gelehrt. Sie hat mit ihm gelitten, geduldet, getrauert. So ist sie ein Urbild der Mutterliebe und des Glaubens. In ihrem Lied, dem Magnificat stellt sie die Machtfrage: Wer ist der Herr der Welt? Hier begegnet uns einer der leidenschaftlichsten Texte für Gerechtigkeit. Der Messias macht Kleines groß und Großes klein, er zerstreut die Hochmütigen. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Kurz: der Messias bringt das Unrecht dieser Welt in Ordnung. Das bedeutet Hoffnung für alle Unterdrückten – eine klare Option für die Armen, wie sie auch in der Vertonung nach dem Text von Diethard Zils zum Ausdruck kommt:
Ich lasse Gott groß sein, ihn will ich loben, der mich aus dem Staub und Elend gehoben, mein Schicksal mit dem der Menschen verwoben: sie singen sein Lob, weil er mich erhob.
Das Wort, das mich traf im ärmlichen Zimmer, das Bollwerk der Herren legt es in Trümmer, ist Brot auf dem Weg für heute und immer, ist Heil, das geschieht, Schalom, der uns blüht.
Trotz Zeichen des Fluchs an Tischen und Wänden, ich fühl mich geborgen in seinen Händen, die stark sind, die Nacht des Tods zu beenden: Sein Atem in mir, sein Leben in dir.
Die Mächtigen stürzt er von ihren Thronen, er will bei den Kleinen und Armen wohnen, die Hunger gelitten, wird er entlohnen: Zu Ende die Not, wir teilen das Brot.
So zog er schon immer unsere Straßen, erinnert an Freiheit, die wir vergaßen, seit Abraham Anstoß über die Maßen und Licht das die Welt erwärmt und erhellt.
(Melodie: Singt Gott unserm Herrn EG Bayr/Thür: 600)
Micha 5,1-4a
Hier begegnet uns eine der bekannten messianischen Weissagungen, die eine wesentliche Klammer der heilsgeschichtlichen Verzahnung zwischen altem und neuem Bund darstellt. Nach Mt.2,5erforschten die Schriftgelehrten im Auftrag von Herodes den Geburtsort des Messias: Bethlehem. Doch diese Weissagung enthält nicht nur den Hinweis auf den Geburtsort. Der Messias wird auch charakterisiert: „Und er wird der Friede sein.“ Dies ist eine Spitzenformulierung von enormer Tragweite. In der hebräischen Bibel steht hier für Friede das Wort „Schalom“ - hier verbunden mit der Vision vom „sicher wohnen“. Das war für die Zeitgenossen des Propheten Micha schon eine großartige Hoffnung – wie es auch angesichts von gegenwärtig mehr als 60 Millionen Flüchtlingen für unzählige Menschen eine großartige, oft leider unerfüllte Hoffnung darstellt. Für Micha ist „Schalom“ das Markenzeichen des Messias. „Schalom ist in den biblischen Überlieferungen ein überaus vielschichtiger Begriff. Erreicht weit über das hinaus, was wir normalerweise mit dem Wort „Frieden“ ausdrücken. Er meint soviel wie Ganzsein, Heilsein, Wohlsein. Schalom ist Frucht der von Gott geschenkten Gerechtigkeit und gewinnt Gestalt, wo die Gerechtigkeit Gottes Menschen zueinander in neue Beziehungen treten lässt. Schalom ist auf die Schöpfung bezogen auch dadurch, dass Gott den Chaosmächten wehrt. „Schalom“ meint also das Ganzsein des Lebens (nicht allein des menschlichen) in heilen Beziehungen, wie es in der Schöpfung angelegt ist und in Gottes rettendem Handeln hergestellt wird. (siehe: Ergebnisse der Ökumen. Versammlungen von 1989) Die Hoffnung auf den Schalom Gottes ist durchaus anschlussfähig an das vernetzte Naturverständnis, das in der Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus begegnet.
Wolfram Hädicke, Köthen