Energiewende â im Begriff allein steckt schon viel von Wandel. "Wende" geht ĂŒber "Wandel" hinaus â impliziert: Der bisherige Weg lĂ€sst sich grundsĂ€tzlich nicht weiter gehen.
Bausteine sind Effizienz und Einsparung, neue Technologien, Suffizienz, sowie erneuerbare Energien und "social innovations" - also auch organisatorische StrukturverÀnderungen.
Ein Beispiel sind Energiegenossenschaften: Wussten Sie, dass die ethischen GrundsÀtze der Herren Schulze-Delitzsch und Raiffeisen viel mit christlicher Soziallehre gemeinsam haben?
Wandel gestalten: Energie.
Problemaufriss
- Ăber Millionen Jahre entstandene fossile EnergietrĂ€ger neigen sich nach einem etwa hundertjĂ€hrigen Raubbau global dem Ende entgegen.
- Das Verhalten der Menschen allgemein â global â spiegelt diese Tatsache nicht.
- Die Menschheit betreibt Kraftwerke, die dazu geeignet sind, Teile der ErdoberflÀche dauerhaft unbewohnbar zu machen (Tschernobil, Fukushima, Sellafield).
- Bei âordnungsgemĂ€Ăem" Betrieb verursachen diese Kraftwerke weltweit ansteigend tödlich strahlende AbfĂ€lle, die nirgends ordnungsgemÀà entsorgt werden können.
- Werden Menschen und Institutionen (â auch christliche â) aufgefordert, vorhandene Technologien zur Energieeinsparung tatsĂ€chlich zu verwenden, um eine Katastrophe abzuwenden, verweisen sie meist auf die Kosten und den Verlust an LebensqualitĂ€t â "PrioritĂ€tensetzung", was das auch immer im Einzelfall bedeuten mag.
- Die Mönche in MĂŒnsterschwarzach ĂŒberlegen sich, was ihre Nachfolger in 500 Jahren ĂŒber sie denken werden, wie sie auf die globalen Herausforderungen heute reagieren â eine solche Einstellung ist eher die Ausnahme.
- Verantwortliche in reichen Industriestaaten beobachten kopfschĂŒttelnd, dass Kamele durch Nadelöhre springen können. Sie kaufen in fremden LĂ€ndern AckerflĂ€chen auf, die ErnĂ€hrungsgrundlagen ihres "NĂ€chsten", um auf kostengĂŒnstigem Boden Energiepflanzen anzubauen.
- Der klare christlich-verantwortliche Weitblick ist oft alltagsgetrĂŒbt.
Energiewende â warum?
"Energiewende" ist ein Begriff, der schon in den 70-er Jahren geprĂ€gt wurde, ĂŒber Jahrzehnte vor sich hin "dĂŒmpelte" und mit der Kernreaktorkatatrophe 2011 in Japan erschreckend-traurig an Bedeutung gewann: Offensichtlich steht ein globaler Wandel in Sachen Energie an, der konsequent zukunftsfĂ€hig zu gestalten ist.
Fukushima ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Der gröĂte Teil des Problems liegt unter der OberflĂ€che: endliche Ressourcen, sich weltweit dramatisch anhĂ€ufende radioaktive AbfĂ€lle ohne jedes Entsorgungskonzept, zuversichlich geschlossene Augen.
Es ist an der Zeit, nicht nur nachzudenken, sondern den Wandel zu gestalten, aktiv! Wenn es keine Entsorgungskonzepte gibt, muss der globale Stromverbrauch abgesenkt werden, bis es Entsorgungskonzepte gibt; logisch ...! Wir mĂŒssen also nicht warten, wir können sofort etwas tun.
Auch wenn es irgendwann vielleicht Entsorgungskonzepte geben sollte, schadet es nicht, bis dahin den Verbrauch dauerhaft gesenkt zu haben ...
Energiewende â Bausteine:
Senkung des Energiebedarfs und Effizienz: Der wichtigste Baustein ist die Senkung des Bedarfs. Energie, die nicht mehr nachgefragt wird, muss auch nicht mehr bereitgestellt werden â nicht mit Erdgas, nicht mit Strom, ... gar nicht.
AnsĂ€tze sind: Verbesserung der Effizienz von Prozessen, WĂ€rmedĂ€mmung der GebĂ€ude, Verringerung der FlĂ€cheninanspruchnahme pro Person, weniger Benzin- / Kerosinverbrauch, im privaten, im beruflichen und im kirchlichen Umfeld. Eine Orientierung (vertrĂ€gl. Zielwerte) gibt das an der ETH ZĂŒrich entwickelte Konzept der "2000 Watt-Gesellschaft".
Erneuerbare Energien: Der nach der Senkung des Bedarfs global noch verbliebene Energiebedarf lĂ€sst sich viel einfacher mit erneuerbaren Energien abdecken als der heutige. Auf erneuerbare Energien umzustellen ist gleich aus mehreren GrĂŒnden sinnvoll. Die fossilen Weltreserven werden zeitlich gestreckt, die Gefahren durch Atomkraftwerke werden verringert, das AtommĂŒllproblem wird entschĂ€rft, der Klimawandel wird aufgehalten. Die globale Herausforderung ist umso besser zu bewĂ€ltigen, je besser die Völker und Staaten sich verstehen und kooperieren.
AnsĂ€tze sind: Ausbau der Solarstrom- und SolarwĂ€rmeerzeugung in Verbindung mit flexiblen Energiekonzepten, in denen z.B. Strom und WĂ€rme intelligent, also nachfragegerecht, ineinander umgewandelt werden können. Sonnenenergie steht oft gerade dann zur VerfĂŒgung, wenn die Nachfrage nach WĂ€rme oder Strom gering ist, WĂ€rme lĂ€sst sich einfacher und umweltfreundlicher speichern als Strom. Holz und andere Formen von Biomasse sind dann eine Alternative, wenn sie regional ökologisch vertrĂ€glich in ein Gesamtkonzept eingebunden werden können.
Photovoltaik und die Erhöhung des Eigenstromanteils: Photovoltaik-Anlagen auf kirchlichen Einrichtungen sind noch keine SelbstverstĂ€ndlichkeit. Doch gibt es immer wieder neue Projekte. Diese mĂŒssen sich â wie im nichtkirchlichen Bereich â mit Fragen wie der Erhöhung des Eigenstromanteils auseinandersetzen.
Was bedeutet das? Bei neuen Anlagen ist die EEG-VergĂŒtung des eingespeisten Stroms niedriger als die Kosten fĂŒr eine eingekaufte Kilowattstunde. Es ist also betriebswirtschaftlich sinnvoll, den Solarstrom bei Bedarf selbst zu nutzen, anstatt ihn in das öffentliche Netz einzuspeisen. Die Wirtschaftlichkeit hĂ€ngt damit zunehmend davon ab, wie viel Strom selbst genutzt werden kann.
AnsÀtze sind: Zeitliche Verbrauchsstrukturen in den Blick nehmen, Strom nachfragen, sobald Solarstromangebote bestehen, Kooperationen und Partnerschaften in der Nachbarschaft finden.
Organisationsformen (z. B. Energiegenossenschaften): Ganz gleich, ob Sie â wie in Schönau im Schwarzwald â das ganze Stromnetz kaufen und betreiben wollen, um die Verantwortung fĂŒr âsauberen" Strom im Versorgungsgebiet zu ĂŒbernehmen, oder ob Sie mit Ihren unmittelbaren Nachbarn eine Win-Win-Kooperation zur intelligenten Energieenutzung eingehen: neue soziale Formen ("social innovation") mĂŒssen gefunden bzw. ausgedacht werden, um flexibel agieren zu können. Ob Ihr Nachbar / Ihre Nachbarin fĂŒr "social innovations" ansprechbar ist ... Einen Versuch ist es wert.
(Energie-)Genossenschaften:
In den letzten Jahren wird bei der Suche nach flexibleren Möglichkeiten, verantwortungsvoll mit Energie umzugehen, von Energiegenossenschaften gesprochen. Zwar kann seit der Liberalisierung des Strommarktes Jede(r) von jedem Stromanbieter den Strom beziehen. Jedoch gibt es intelligente kleinrÀumige Lösungen, die erst bei der Beteiligung mehrerer Partner ihr (Energiewende-)Potential voll entfalten. Damit stellt sich die Frage nach einer geeigneten Organisationsform.
Eine Besonderheit von Genossenschaften sind ihre ethischen GrundsĂ€tze, etwa SolidaritĂ€t und SubsidiaritĂ€t, die an die christliche Soziallehre erinnern: ein seit 150 Jahre erprobtes Prinzip. Die GrundsĂ€tze des Genossenschaftswesens erlĂ€utert der Vortrag von Prof. Dr. Doluschitz im Rahmen des Forums fĂŒr FĂŒhrungskrĂ€fte, Kloster Hegne am 10.03.15. Genossenschaften sind keine âlinke" Angelegenheit, sondern beruhen auf ethischen Werten und Prinzipien, die Gemeinsamkeiten mit dem christlichen Welt- und Menschenbild erkennen lassen.
(Vortrag "Genossenschaften" als HTML-PrÀsentation)
(Energie-)Genossenschaften im kirchlichen Umfeld:
Im kirchlichen Umfeld wurde der (energie-)genossenschaftliche Ansatz vielfach durch Initiativen und Weiterbildungen unterstĂŒtzt und verbreitet. Was wird damit bezweckt? Eine Reinvestition der Stromerlöse in MaĂnahmen zur Senkung der Nachfrage und in den Ausbau erneuerbarer Energien wird erleichtert, auf lokale Besonderheiten und Möglichkeiten kann flexibel reagiert werden. Alle Verantwortlichen sind am Erfolg des Konzepts interessiert, Gewinne werden nicht einseitig abgezogen.
(Ăbersicht und Kontaktadressen zur Energiegenossenschaften)
Eine Welt
Wie oben erwĂ€hnt - Fukishima steht nur fĂŒr die Spitze eines Eisbergs. Die kompromisslose globale Energienachfrage besonders der Industrienationen beeintrĂ€chtigt nicht nur das Weltklima mit drastischen Folgen. Sie beeintrĂ€chtigt die existenziellen Verwirklichungsmöglichkeiten in EntwicklungslĂ€ndern, die Existenzgrundlagen unseres "fernen NĂ€chsten", durch "Energie-Imperialismus": "Landgrabbing", um weiterhin möglichst billig Energie - fĂŒr uns - bereitstellen zu können.
Tief unter der WasseroberflÀche versteckt liegt die fehlende wirksame - christliche - Bereitschaft, an den MissstÀnden etwas zu Àndern, auch wenn der eigene so genannte Wohlstand betroffen ist.
Darauf wurde im Schwerpunktthema 2012/13 "ErnĂ€hrung" bereits ausfĂŒhrlicher eingegangen.
Folgen des âImmer-so-weiter":
- weltweit weiterer Anstieg der tödlich strahlender radioaktiver KraftwerksabfÀlle
- doppeltes betriebswirtschaftliches Risiko durch knappheitsbedingt steigende Preise, gleichzeitig fĂŒr die Energie selbst und fĂŒr Einspar- und Effizienztechnologien und die benötigten handwerklichen Leistungen
- soziale Ausgrenzung
- Altersvorsorge wird durch Energiekosten aufgebraucht bzw. deutlich gefÀhrdet
- existenzielle RivalitÀt um verbliebene Ressourcen
- Verlust von Gestaltungsfreiheit im Kernaufgabenbereich von Institutionen
- Kapitalbindung durch langfristige Betriebskostenverpflichtungen von GebÀuden
- Fracking etc.
Folgen des âWandels":
- Kapital bleibt regional verfĂŒgbar, indem langfristig intelligent jetzt in Einspartechniken, Innovationen bzw. in Handwerksleistungen investiert wird, anstatt ĂŒber weitere zehn bis fĂŒnfzig Jahre in die Ausbeutung der Ălfelder (mit der Folge, dass das Geld dauerhaft verloren geht und die Energiewende zusĂ€tzlich finanziert werden muss.)
- Die zukĂŒnftigen Energiekosten stellen betriebswirtschaftlich einen riesigen Geldspeicher dar, der angezapft werden kann: sofort und durch alle! Allerdings leider nur fĂŒr EnergiesparmaĂnahmen ...
- HandlungsfĂ€higkeit und FlexibilitĂ€t von (kirchlichen) Institutionen bleiben gewahrt: Das Geld kann unkompliziert dem genannten Geldspeicher entnommen werden, falls man sich auf KapitalrĂŒckflusszeiten von 10 bis 25 Jahren einlĂ€sst. Das Problem ist lediglich die Kameralistik.
- ZukĂŒnftige Energiepreissteigerungen verbessern die Rendite, statt sie zu verringern!
- Technologischer Vorsprung und Erfahrung sichern das wirtschaftliche Ăberleben und den Standort und damit ebenfalls die HandlungsfĂ€higkeit in Bezug auf die Kernaufgaben.
- Identifikation besonders der Jugend durch die christlich authentische Botschaft einer kreativen, zukunftsfÀhigen Gesellschaft und neue Formen des verantwortlichen (Mit-)Gestaltens.
- Vertiefung des Glaubens und des Gottvertrauens in das Getragensein, anstatt Zukunftsangst oder Flucht in die oberflĂ€chliche SpaĂgesellschaft.