26.o1.25 – 3. Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 4,5-14 Neh 8, 2-4a.5-6.8-10 1 Kor 12, 12-31a oder
1 Kor 12, 12-14.27
Lk 1, 1-4; 4, 14-21

Die Bibelstellen können gut in Bezug zueinander gebracht werden. Sie laden dazu ein, gemeinsam über alte – heute aber schon fast revolutionäre – Ideen nachzudenken (Lk 4, 14-21) und sie geben eine Anleitung dazu, wie wir Barrieren überwinden und unsere Vorstellungskraft für eine nachhaltige Zukunft so stärken können, dass eine Transformation möglich wird (Joh 4, 5-14).

 

Predigttext, Joh 4, 5-14

Einordnung:

Jesus spricht am Jakobsbrunnen mit einer samaritanischen Frau. Als die Frau von Jesus angesprochen wird, reagiert diese erstaunt. Der Hintergrund dieser Irritation ist ein jahrhundertealtes Zerwürfnis zwischen Samaritern und Juden.

Nachhaltigkeitsbezug:

Aus jüdischer Sicht begeht Jesus, indem er die samaritsche Frau am Brunnen anspricht und um Wasser bittet, einen Tabubruch. Er ist unkonventionell und bricht soziale Konventionen, die zu dieser Zeit das Zusammenleben prägten. Schon im miteinander Reden bestand für eine samaritische Frau und einen Juden eine Grenze. Kommt uns das heute nicht bekannt vor? Wie oft sprechen wir nur noch in unserer eigenen „Bubble“? Wie oft haben wir verlernt oder weigern uns, mit Personen oder Gruppen ins Gespräch zu kommen, von denen wir schon im Vorfeld annehmen zu wissen, wie sie denken oder zu welcher Gruppe sie gehören? Doch Jesus durchbricht die damalige Konvention. Er geht anders auf Unbekannte zu. Was bedeutet Jesus Handeln am Jakobsbrunnen für unsere heutigen Umgang mit Gruppen, deren Meinung und Haltung wir nicht nachvollziehen können, oder mit Menschen, die wir nicht kennen? Für mich ist die Geschichte am Jakobsbrunnen eine Ermutigung, unkonventionell auf Unbekannte zuzugehen, Gruppen neu zu denken und bestehendes Lagerdenken zu überwinden. Beides stärkt das Netzwerk. Und aus einem dichten Netzwerk entsteht ein konstruktives Ganzes (-> 2. Lesung 1 Kor 12, 12-31a: Der eine Leib und die vielen Glieder).

Auf die irritierte Rückfrage der Frau antwortet Jesus mit einem Ratschlag, was sie anstelle fragen respektive worum sie hätte bitten sollen. Die Frage, die Jesus vorschlägt, würde der Frau einen Mehrwert geben. Er sagt ihr das lebendige Wasser zu. Welche Fragen wir während der Arbeit, Zuhause oder in der Kirche stellen, hat also einen Einfluss darauf, welche Antwort wir erwarten können. Es geht also nicht nur darum, neue Gruppen zu denken, sondern auch bessere Fragen zu stellen. Wenn wir uns mehr fragen, wofür wir etwas tun anstelle wogegen, nehmen wir eine neue Perspektive ein. Diese Haltung braucht Übung – Jesus verspricht aber, dass man dafür reich beschenkt wird.

Die Geschichte am Jakobsbrunnen deutet zwei wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit an. Sie lädt uns ein, soziale Gruppen neu zu denken und andere Fragen zu stellen. Beides ist wichtig, damit wir uns eine nachhaltige Zukunft vorstellen und so einen aktiven Beitrag zur Transformation leisten können. Beides sind Mechanismen, die auch wissenschaftlich belegt sind. Wer sich mehr dafür interessiert, kann sich vom spannenden Referat von Prof. Dr. Maren Urner inspirieren lassen.

 

Evangelium, Lk 1, 1-4; 4, 14-21

Einordnung:

Jesus kommt nach Beginn seines öffentlichen Wirkens zum ersten Mal zurück in seine Geburtsstadt Nazareth. In der Synagoge liest er eine Stelle aus dem Buch des Propheten Jesaja.

Nachhaltigkeitsbezug:

Der Auftritt von Jesus hat in seiner Heimatstadt einiges ausgelöst. Er kommt und adressiert die grossen Probleme dieser Zeit: Armut, Leid, Unterdrückung, Krankheit. Nachhaltigkeitsbezüge können daraus einige gezogen werden. Viele Menschen sind auch heute noch (vielleicht in anderer Form) davon betroffen. Als Nicht-Theologe ist mir bei der Vorbereitung dieses Predigtimpulses etwas besonders Revolutionäres aufgefallen. Jesus Ankündigung endete, in dem er sagte, er kam, „um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen.“ Eine Ankündigung, die einen neuen Zeitabschnitt einläutet.

Was hat es mit diesem Gnadenjahr auf sich? Es geht zuerst auf das Brachjahr zurück, in der Bibel Sabbatjahr genannt. Der Idee, alle sieben Jahre der Natur Ruhe von menschlicher Nutzung zu gewähren. Ein erstes Konzept, um den fruchtbaren Boden langfristig gesund zu erhalten. Heute würde man von Resilienz, Widerstandsfähigkeiten oder Regenration von natürlichen Ressourcen sprechen. Etwas brach liegen zu lassen, kommt in der tempogetriebenen Gesellschaft und Wirtschaft von heute als Verschwendung daher. Dass wir mit der intensiveren Nutzung unserer Böden und dem Verwenden schwerer Geräte und Fahrzeuge stattdessen viel häufiger Regenerationszeiten einbauen sollten, um der fortschreitenden Bodenverdichtung entgegen zu wirken, ist eigentlich logisch. Die grosse Bedeutung von Regenrationszeiten kennen wir auch aus anderen Bereichen wie der Medizin und dem Sport. Jesus kündigt aber ein Gnadenjahr respektive ein Jubeljahr an und nimmt damit ein Motiv aus dem Buch Levitikus (Kapitel 25) auf: Nach sieben Brachjahren, also nach 49. Jahren folgt im 50. Jahr das Jubeljahr, in dem alles wieder auf Anfang gestellt wird – und das in einem revolutionären Ausmass: Aller Besitz soll zurückgegeben und alle, die in Schuldknechtschaft geraten sind, befreit werden. Damit soll die Gesellschaft der ursprünglichen Schöpfungsordnung wieder nahekommen. Ich kann mir kaum vorzustellen, wie das für landlose Menschen in einer Zeit der Subsistenzwirtschaft, für Schuldner oder für Schuldsklaven war. Es bedeutete auf einmal Freiheit von jeglichen Schulden. Ein Neustart wurde möglich. Das ermöglichte auch einer strukturellen Ungerechtigkeit vorzubeugen. Eine solche Umverteilung wäre heute unvorstellbar. Sie würde nicht nur als revolutionär, sondern als radikal oder extrem bezeichnet werden. Dabei stellen wir im globalen Kontext und in vielen Ländern fest, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht. Ich kenne mich zugegebener Massen zu wenig fundiert mit ökonomischen Prozessen aus. Auffällig ist jedoch, dass uns heute die Vorstellung für etwas fehlt, was vor über 2000 Jahren als Idee im Umlauf war. Umso wichtiger scheint es mir, dass wir diese Ideen als Inspiration nutzen, um unsere Vorstellungskraft für Lösungen und eine nachhaltige Zukunft zu stärken.

Kevin Ischi, Katholische Kirche im Kanton Zürich