Allerheiligen (01.11.17)

Allerheiligen 2017 [A]

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
  Offb 7, 2-4.9-14 1 Joh 3, 1-3 Mt 5, 1-12a

Der Autor geht auf alle Bibelstellen des Tages ein. Stichworte sind: „Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu“ (Offb 7, 2-4.9-14), „Kind sein“ (1 Joh 3, 1-3), „Seligpreisungen“ (Mt 5, 1-12a).

Exegetische Anmerkungen zu den Bibelstellen

Offb 7, 2-4.9-14

Das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes, kann auch als Johannesapokalypse bezeichnet werden. Das griechische Wort „apokálypsis“ bedeutet „Enthüllung“, was darauf hinweist, dass am Ende der Zeiten von Gott Klarheit geschaffen wird.

Im heutigen Abschnitt handelt es sich um eine endzeitliche Vision, die auf dem Hintergrund der vorherigen beängstigenden Bilder, einen tröstlichen Charakter hat, indem Gottes endzeitlicher Heilswille seinen Gläubigen gegenüber ausgedrückt wird. Es geht um Schonung und Rettung der zwölf Stämme Israels in Gestalt der 144.000 Menschen. Weiterhin zu nennen ist der „Aspekt der Versiegelung“, der den Trägern das Überleben am „Tag des Herrn“ ermöglicht und somit als Schutz dient.[1]

1 Joh 3, 1-3

Gotteskindschaft klingt heute so unspektakulär und selbstverständlich, hat aber existentielle Bedeutung für uns Menschen. Das „VATER unser“ ist eine Beziehungsaussage, die der Kindschaft zugrunde liegt und im Alltag oftmals als zu gegeben angesehen wird. „Kinder Gottes“ sein zu dürfen ist im 1. Johannesbrief ein „Würdenamen für alle Glaubenden, den diese mit Stolz tragen können.“[2]

Predigtskizze

Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen. Vor allem soziale Fragen, Fragen des Miteinanders und des täglichen Lebens sind von zentraler Bedeutung. Die „Seligpreisungen“ haben nachhaltig das Denken, Fühlen und Handeln unzähliger Menschen geprägt. Sie zu aktualisieren und auf das hier und heute zu übertragen kann uns helfen, die Fragen der Zeit aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten:

Ich wäre selig, wenn arm sein bei uns keine Schande sein würde. Wenn Geldmangel nicht zu Bildungsmangel führen würde, dann hätten Kinder wieder bessere Chancen auf eine Zukunft frei von Armut. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie nicht mehr arm wären?!

Ich wäre selig, wenn Traurige und Verzweifelte mehr offene Ohren und mehr Schultern zum Anlehnen finden würden. Wenn ein Mann nicht als Weichei bezeichnet werden würde, wenn er an seiner Not zu zerbrechen droht und wenn eine Frau nicht als Heulsuse abgestempelt werden würde, wenn sie sich ihrer Tränen nicht mehr erwehren kann. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie die Gewissheit hätten, in ihrer seelischen Not nicht allein zu sein?!

Ich wäre selig, wenn besonders Frauen nachts an Bahnhöfen, in Fußgängerzonen und auf dem nachhause Weg keine Angst vor Übergriffen haben müssten. Wenn das Faustrecht durch rechtstaatliches Recht besiegt werden würde und wenn Kinder in Familien nicht geschlagen, missbraucht, verwahrlosen und verhungern würden. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie ohne Gewaltanwendung wieder leben dürften?!

Ich wäre selig, wenn „Gerechtigkeit“ nicht bloß eine schöne Worthülse wäre, sondern auf dem Boden der Tatsachen Gestalt annehmen würde. Wenn unser Wohlstand nicht von ungerechter Ausbeutungssituationen der Dritten Welt gegenüber abhängen würde. Doch Hunderttausendfach, wenn nicht sogar Millionenfach ist „Gerechtigkeit“ nur ein Farce. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie das wirklich bekämen, was ihnen zusteht und was sie zum Leben nötig haben?!

Ich wäre selig, wenn Verzeihung und Erbarmen Rachegedanken entgegen treten würde. Wenn es nicht darum ginge, dem anderen, der einem Unrecht angetan hat, eins auszuwischen und sich zu revanchieren. Ich wäre selig, wenn wir innerlich nicht so viele „Rabatmarken“ der begangenen Fehler kleben würden, die wir bei passender Gelegenheit dem Partner um die Ohren hauen wollen. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie Erbarmen im Hinblick auf einen großen Fehltritt erfahren würden?!

Ich wäre selig, wenn wir unverstellt, unvoreingenommen und ungetrübt miteinander umgehen könnten. Wenn wir die vielen negativen Einflüsse abstellen könnten und klar, rein und ehrlich auf die Menschen und Dinge, die uns aufgegeben sind, blicken könnten. Ich wäre selig, wenn unsere Grundhaltung „rein“, das heißt positiv und offen, sein könnte und wenn wir die Scharfmacher und Schwarzmaler eines Besseren belehren könnten. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie die Welt wieder mit anderen (reineren) Augen und Herzen sehen zu dürfen?!

Ich wäre selig, wenn mehr Frieden gestiftet werden würde. Wenn es in Firmen, Betrieben und Abteilungen anstatt zu Mobbing zu einer offenen und konstruktiven Aussprache käme und wenn verfeindete Länder und Parteien weltweit wieder zu einem friedlicheren Miteinander finden könnten. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie mehr in Frieden leben könnten?!

Ich wäre selig, wenn es keine Verfolgungen und Benachteiligungen aufgrund Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Meinung, Hautfarbe oder Geschlecht geben würde. Wenn anders Denkende und Querdenker nicht mit Augenrollen, Belächeln und Kopfschütteln bedacht werden würden. Wären sie als Betroffener nicht auch selig, wenn sie in Schutz vor Schimpf und Schande genommen werden würden.

Das Leben findet aber nicht im Konjunktiv statt. „Wäre, wenn und würde“ sind schön und gut, aber wollen von uns angepackt werden. Jesus öffnet uns in seiner programmatischen Rede die Augen für das, was zählt. Wenn wir uns für sein Programm einsetzen, dann können wir nur gewinnen. Nämlich wir können ein Gewinn sein für die Menschen, die unsere Hilfe benötigen und selbst das mit Gott gewinnen, von dem wir nicht zu träumen gewagt haben.

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

„Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu“ (Offb 7, 2-4.9-14)

Am Ende der Zeiten, wo alles und jeder auf den Prüfstand und vor den Richterstuhl treten muss, soll Land, Meer und Bäumen kein Schaden zugefügt werden. Was für eine Vision. Welche Wertschätzung und Hochachtung der Natur bzw. der Schöpfung gegenüber im Angesicht der Apokalypse. Im Gegensatz dazu sind wir heute leicht (-fertig) bereit der Natur fast jeglichen Schaden zuzufügen, wenn wir dadurch einen Nutzen für uns herausziehen können. Die Natur rangiert schnell nur „unter ferner liefen“, Hauptsache ist doch heute, dass wir unsere Schäfchen im Trockenen haben. Mehr als fraglich ist, ob unser Handeln Land, Meer, Bäumen gegenüber, am Ende der Zeiten uns zur Ehre gereichen wird.

Kind sein (1 Joh 3, 1-3)

Die Frage, welchen Platz Kinder in unserer Gesellschaft wirklich haben, ist nicht leicht zu beantworten. Störfaktor, Karrierebremse, oder Gefahr für finanziellen und sozialen Abstieg?
Wir sind „Kinder Gottes“, das ist eine Ehre, oder nicht? Doch, wenn wir Kinder nicht wertschätzen, wie können wir uns freuen, selbst ein göttliches Kind zu sein?
Kinder stehen für Zukunft. Es wird nur eine Zukunft geben mit ihnen.
In den Augen Gottes sind wir die Zukunft seiner Botschaft. Im Vertrauen auf ihn, unseren Vater, kann sein Reich auf dieser Welt Wirklichkeit werden. Er vertraut auf uns. Es liegt an uns.

Thomas Stephan

 

Literatur:

Die Bibel. Einheitsübersetzung. Altes und Neues Testament, (Hrsg. Im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz…), Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1980.