Die "friedliche Nutzung der Kernenergie" durch Atomkraftwerke ist ein anschauliches Beispiel, wie in zunächst guter Absicht in erheblichem Umfang "Strukturen der Schuld" aufgebaut wurden - und werden.
Abgesehen von aktuellen tödlichen Gefahren (s. Tschernobyl, Fukushima) wird selbst bei ordnungsgemäßem Betrieb durch radioaktive Abfälle massiv "neue Schuld" aufgeladen!
» Botschaft der "Frauen von Fukushima" zum 6. Jahrestag der Reaktorkatastrophe (PDF)
Die „friedliche Nutzung der Kernenergie" zur Stromerzeugung ist ein Beispiel für Strukturen, die sich Jahr für Jahr mehr und mehr mit „Schuld" beladen; auch ohne Katastrophen wie die von Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011).
- Die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe ist gering. Aber wenn sie eintritt, sind die Folgen unverantwortlich.
- Im Normalbetrieb fallen ständig (schwach) radioaktive Betriebsstoffe und Materialien an. Allein deren Ent- und Versorgung ist bereits ein Generationenproblem und -risiko.
- Hauptproblem (neben dem Risiko eines GAU) ist die Aufbewahrung der verbrauchten Uran-Brennstäbe über Millionen von Jahren.
- Atomkraftwerke dürfen selbst in entwickelten Ländern betrieben werden, ohne dass das Hauptproblem gelöst ist – das ist das eigentliche Hauptproblem.
- Tausende Reaktoren sind in Betrieb.
- Die kollektive und individuelle Bereitschaft zur Umstellung – zur Energiewende – ist gering. Sie betrifft die Lebensstile grundsätzlich.
Strukturelle Schuldaspekte
- Eingehen eines dauerhaft erheblichen Risikos für Leib und Leben durch Freisetzung von Radioaktivität und Gefahr von Kernschmelzen / Explosionen, das unter Verweis auf die „Sicherheit " als Regel (bzw. Norm) in Kauf genommen wird
- Der Verweis auf höhere „Sicherheitsstandards in Deutschland" hinkt gleich an mehreren Stellen:
- In Japan hat auch niemand die Möglichkeit eines so starken Tsunami bedacht, in Deutschland werden Abstürze von großen Flugzeugen nicht mit kalkuliert. Was wahrscheinlich ist, berechnet der Mensch. Was in der Natur tatsächlich passiert, ist genau genommen ein anderes Thema.
- Die höheren Sicherheitsstandards halten Andere nicht davon ab, sich auch mit niedrigeren Standards in ihrem Land für die Technologie zu begeistern.
- Der lukrative Transfer von Know-How geht nicht automatisch einher mit dem Transfer von Sicherheitsgesetzen und der Fähigkeit eines politischen Regimes, sie auch durchzusetzen und einzuhalten.
- Kernkraftwerke werden in Deutschland seit den 1970-er Jahren betrieben. Seit 50 Jahren entstehen also ununterbrochen hochradioaktive Endprodukte der Stromproduktion, für die bis heute keinerlei Möglichkeit zu einer dauerhaft sicheren Aufbewahrung gefunden wurde. Sicherheitsstandards abzusenken lässt die „Schuld" größer werden.
- Es gibt nur eine schuldmindernde Entscheidung, und zwar unverzüglich und weltweit das Anwachsen dieser hochradioaktiven Endprodukt-Abfallhalden zu unterbinden. Dies nicht zu tun, wäre ein neuer und ergänzender Schuldaspekt.
- Ein Gesichtspunkt von struktureller Schuld ist das ständige Einreden, dass der damit verbundene Energieverbrauch „zwingend" und alternativlos entsteht. Das ist eine Sorgfaltsschuld gegenüber der Pflicht zum Abwägen, aber auch eine Schuld gegenüber dem christlich-ethischen Menschenbild als einem soziale Zusammenhänge einbeziehenden, kreativ und intelligent gestaltenden "Verwalter der Schöpfung".
- Organisationen und Individuen stellen ihr Licht unter den Scheffel, wenn es darum geht, Auswege zu finden und Strukturen zu verändern!
Die friedliche Nutzung der Kernenergie ist global zu einem Beispiel für das technokratische Paradigma der Enzyklika „Laudato si'" geworden, dass die Strukturen die Macht übernehmen und das Verhalten kontrollieren.
Quellen, Unterlagen
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Wie sich die organisierte Kirche dazu stellt:
- Beispiel Ev. Kirche in Hessen und Nassau (EKHN): Kirchenpräsident Dr. Jung argumentiert für den raschen Ausstieg aus der Kernenergie:
www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/kirchenpraesident-jung-fuer-raschen-ausstieg-aus-der-atomenergie.htmlDie EKHN stellt weitere Hintergrundinformationen zu „Atomkraft" zur Verfügung:
www.ekhn.de/aktuell/nachrichten/schlagwort/atomkraft.html - Erzbischof Burger von Freiburg hat am 18.01.17 anlässlich der Umweltpreisverleihung die Vision des bis 2030 ersten klimaneutralen Bistums in Deutschland verkündet. Das eigentliche Ziel, ein prinzipiell verändertes Verbrauchsdenken in Bezug auf den Umgang mit Energie, ist weitergehend als „nur" der Ausstieg aus der Atomenergie.
www.erzbistum-freiburg.de/html/aktuell/aktuell_aktuell_u.html
- European Christian Environmental Network (ECEN): www.ecen.org/content/use-nuclear-energy-ethically-justifiable
Was der / die Einzelne tun kann:
- selbst zu einem Anbieter wechseln, der keinen Strom aus Atomkraft bezieht, sondern in den Ausbau von erneuerbaren Endergien und dezentraler Strukturen investiert
- Aktienkapital von Unternehmen abziehen, die ihre Dividende, Rendite und Gewinne über Atomkraftwerke oder über den Handel mit Strom aus diesen erwirtschaften
- durch eigenes Verhalten und Beispiel die generelle Nachfrage nach Strom verringern
- auf erkannte „Strukturen der Schuld" in Gesprächen / Diskussionen aufmerksam machen
- den Mut haben, die Dinge zum Guten zu beeinflussen
Biblische Assoziationen
- Es ist für den biblischen Gastgeber in Lk 11, 5-13 bzw. Mt 7, 7-11 bestimmt nicht angenehm, seinen Nachbarn mitternachts herauszuklopfen. Aber sein Verhalten wird nicht sanktioniert! Gott erwartet, dass wir für einen guten Zweck unsere „Befindlichkeiten" überwinden. Er will nicht, dass wir es uns bequem machen – nicht jetzt und nicht immer.
- Er will - gemäß Bibel - auch nicht, dass wir denen, die nach Fisch fragen, eine Schlange geben ...
... oder dass wir denen, die nach „Energie" fragen, Radioaktivität, Vergiftung und Lebensgefahr geben, nur weil es auf den ersten Blick billiger ist und höhere Gewinne abwirft.