Gründonnerstag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Joh 13,1-15.34-35 | Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 | Offb 1, 5-8 | Lk 4, 16-21 |
Joh 13,1-15.34-35 (Die Fußwaschung)
Jesus stellt die Maßstäbe unserer Welt immer wieder auf den Kopf. Exemplarisch wird dies deutlich in der Geste Jesu, als er seinen Jüngern die Füße wäscht. Das war zur Zeit Jesu Aufgabe der Sklaven. Jesus gibt uns damit ein Beispiel und wir alle sollen ihm nacheifern: unseren Mitmenschen viel Gutes tun, ja sie lieben. Für Nichts sollen wir uns zu schade sein. Auch nicht für Dinge, die wir auf den ersten Blick nicht mögen, die uns gar unangenehm erscheinen. Zum Beispiel den mich immer nervenden Nachbarn, der nun krank im Bett liegt, besuchen. Könnte es auch bedeuten, mich gesellschaftlich für Veränderungen einzusetzen, auch wenn das anstrengend ist und vielleicht auch zunächst kaum Aussicht auf Erfolg hat?
In der Realität sieht unsere Welt noch anders aus: Viele streben nach Reichtum, Macht, Einfluss, eigenem Wohlbefinden (notfalls auch auf Kosten von Anderen). Manchen Menschen gelingt es, davon Abstand zu nehmen, bewusst oder unbewusst folgen sie damit den Ideen Jesu: Einzelne, die sich für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen wie z.B. Teile der Klima-Bewegung, in der sich beispielsweise auch alte Menschen, die nicht mehr lange leben werden, für eine lebenswerte Zukunft der jüngeren Generationen einsetzen. Andere Beispiele sind Menschenrechtsaktivist:innen in Unrechtsstaaten, die ihr Leben für die Rechte von unterdrückte Bevölkerungsgruppen einsetzen. Diese Aufzählung ließe sich lange fortsetzen. Sie schenkt Hoffnung. Denn sie hilft uns auszumalen, wie unsere Welt aussehen würde, wenn wir alle, wie Jesus uns aufgetragen hat, leben würden: achtsam und liebevoll mit all unseren Mitmenschen umgehen.
Nehmen Sie sich drei Minuten in Stille, um sich diese visionäre Welt Jesu vorzustellen und überlegen Sie sich am Ende, was Sie als nächsten Schritt dazu beitragen wollen, dass diese Welt wieder ein Stück mehr Realität werden kann.
Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 („Der Herr hat mich gesandt, um den Armen eine frohe Botschaft zu bringen…“)
Welch wunderbare Botschaft: Jesaja hat die Menschen im Blick, die der Befreiung aus wirtschaftlicher Unterdrückung, konkret aus der Schuldknechtschaft, bedürfen. Wiederholt geht es um Befreiung der Armen, der Benachteiligten, der Gefangenen und Gefesselten.
Beim Blick in die Welt von heute müssen wir feststellen, dass es diese großen strukturellen ökonomischen Ungerechtigkeiten immer noch gibt – inzwischen gar ausgeweitetet auf den globalen Maßstab: die politisch und ökonomisch mächtigen Länder des Globalen Nordens bestimmen die weltweit gültigen ökonomischen Regeln, die zu Lasten der Menschen in Ländern des globalen Südens gehen und weiten Teilen der Weltbevölkerung keine fairen Entwicklungschancen geben. Eine ähnliche Logik greift auch innerhalb vieler Länder, die Schere zwischen Arm und Reich wächst an vielen Orten. Viele fühlen sich zurecht benachteiligt. Die Logik Gottes ist nicht die der Gewinnmaximierung, sondern das genaue Gegenteil: die Ungleichheiten sollen reduziert werden, damit alle gut und frei leben können. (Siehe auch die unten stehenden Gedanken zum Tagesevangelium, das sich auf diesen Lesungstext bezieht.)
Offb 1,5-8 („Briefliche Einleitung“)
Ein Text, der ganz „dick aufträgt“, auch mit patriarchaler Sprache. Davon gereinigt bleibt das starke Bekenntnis, das Jesus Christus viel bedeutender ist als alles Irdische. Alles Irdische, das nach Macht strebt, wird dadurch relativiert, letztlich unbedeutend. Wirklich wichtig sind letztlich nur Tat und Botschaft Jesu Christi. Damit ändert sich der Maßstab für unser Verhalten radikal. Es zählt nur die Liebe zu allen Menschen, zu allem Lebendigen und zu unserem Weltall.
Ich lade Sie dazu ein, in Ruhe darüber nachzudenken, welche Auswirkungen dieses Weltbild für mich und unsere Welt haben könnte. Und was ich –am besten mit Anderen gemeinsam - tun (oder auch lassen) könnte, damit diese Welt immer realer wird.
Lk 4, 16-21 (Antrittsrede Jesu in Nazareth)
Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens wird gleich die zentrale Botschaft, wofür Jesus gekommen ist, vorgestellt: Jesus ist derjenige, mit dem sich das prophetische Wort von Jesaja (s.o.) erfüllt. Jesu Botschaft gilt in erster Linie den (materiell) Armen, den sozial Schwachen und Ausgestoßenen, den religiös und sittlich ins Abseits Geratenen.
Interessant ist in diesem Kontext auch das „Gnadenjahr des Herrn“, das den Gläubiger auffordert seinem Schuldner die Schuld zu erlassen, dies soll alle sieben Jahre geschehen (Sabbatjahr/Erlassjahr).
Auch heute, im Jahr 2024, ist diese Vision Jesajas und von Jesus noch weit entfernt: es gibt unzählig viele Menschen auf unserem Planeten, die ökonomisch kaum eine Chance haben. Wenige Andere dagegen leben in einem unvorstellbaren Überfluss. Fast unreguliert. Nur als kleines Beispiel: das reichste Prozent der Menschheit verbraucht in einem Jahr so viel Ressourcen und Emissionen wie der „Durchschnittsmensch“ in seinem gesamten Leben!
Welch unglaubliche Sprengkraft liegt angesichts der Realitäten unserer Welt im Jahr 2024 in Jesu/Jesajas Worten? Müssten Reiche nicht viel höher besteuert werden? Wären nicht sowohl Minimal- als auch Maximaleinkommen ganz im Sinne der Botschaft Jesu, ebenso ein Grundeinkommen? Welch enormen Gerechtigkeitsschub würde dies auslösen!?
Wie wäre es, wenn wir versuchen würden, diese Ideen Jesu in unserer eigenen Kirche/Gemeinde/Umfeld, so gut wir sie verstanden haben, umzusetzen? Wenn zum Beispiel alle Menschen, die bei uns in der Kirche arbeiten, die gleiche finanzielle Entlohnung erhielten, egal ob sie Reinigungskräfte oder im Leitungsamt sind?
Christoph Fuhrbach, Bistum Speyer