Karfreitag (30.3.18)

Karfreitag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hebr 9, 15. 26b-28 Jes 52, 13 - 53, 12 Hebr 4, 14-16; 5, 7-9

Einige exegetische Anmerkungen zum Hebr und zum Text 9, 15.26b-28

Der Brief an die Hebräer wurde zwischen dem Jahr 80 und 90 geschrieben, also nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70. Der Verfasser ist unbekannt, ist aber tief im judenchristlichen Glauben verwurzelt. Der Brief richtet sich an eine Gemeinde in Italien, in der Heidenchristen die Mehrheit stellen. Ihnen ist aber die Nähe der christlichen Bewegung zur jüdischen Religion bewusst. Stilistisch handelt es sich hierbei um eine Predigt bzw. Mahnrede als einen Brief. Die Mitglieder der Gemeinde wirken glaubensmüde. Zweifel an den Verheißungen des Evangeliums wurden anscheinend lauter. Die Gemeinde scheint sehr verunsichert zu sein.

Nach Luise Schottroff werden im Hebr auch konkrete Leidens- und Unterdrückungserfahrungen verarbeitet. Das römische Reich machte das Kreuz zu seinem Unterdrückungsinstrument, die christliche Bewegung dagegen machte es zum Zeichen der Macht Christi. Die Theologie des Hebr zeigt die Solidarität Gottes mit den unterdrückten Menschen. Und die ChristInnen waren zwar noch keinen generellen Verfolgungen ausgesetzt, erlebten aber Unterdrückung, weil sie sich dem Kaiserkult des römischen Reiches mit seinen dazugehörigen Opfern verweigerten. Auch in anderen Religionen in der Umwelt waren Opfergaben ein wichtiges Element des kultischen Lebens.

Der Hebr will die Gemeinde im Glauben ermutigen. Christus wird als Mittler eines Neuen Bundes bezeichnet, den Gott mit den Menschen schließt, die an Jesus als den Gottessohn glauben. Der erste Bund erhält die Gegenwart Gottes bis in die Christuserfahrung hinein. Mit seinem Selbstopfer am Kreuz geht Christus in das himmlische Heiligtum ein und reinigt es endgültig. Hier wird der Gottessohn auf der Grundlage der jüdischen Heilsgeschichte interpretiert. Christus erklärt durch sein einmaliges Opfer alle Macht der Sünde für ungültig und aufgehoben. Denn er hat die Sünden aller auf sich genommen (wörtlich: er hat die Sünde weggestellt!), er hat sie vor Gott gebracht und dadurch die Vergebung der Sünden erwirkt. Das Gericht am Ende der Zeiten hat für diese Menschen auch keine Bedeutung mehr, sie werden Christus so sehen, wie der irdische Jesus zu sehen war. Gleichzeitig ist die Sünde für die Gemeinde in ihrer weltlichen Erscheinung entmachtet.

Auch wenn der Hebr durchgehend vom Opfer Jesu Christi spricht, ist natürlich die untrennbare Verbindung von Tod am Kreuz und Auferstehung gemeint.

Predigtanregungen zu Hebr 9, 15.26b-28

Der Hebr will die ChristInnen ermutigen, er will ihre Zweifel beseitigen. In Kap 8 und 9 nimmt er den Bundesgedanken aus der Hebräischen Bibel auf, der den Menschen geläufig ist aus der jüdischen Heilsgeschichte. Dabei erinnert er Jer 31, wo schon einmal der Gedanke des Neuen Bundes auftaucht. In Jesus Christus ist dieser Neue Bund Wirklichkeit geworden und er sorgt in erster Linie für die Vergebung der Sünden. Angst vor dem Weltgericht müssen die ChristInnen nicht haben, denn Christus hat bereits die Vergebung bei Gott erwirkt. Es geht dem Hebr nicht um eine Abgrenzung zur jüdischen Religion, sondern er stellt Jesus in die Reihe der Propheten und Hohepriester und zeigt auf, dass sich in Christus die Schrift erfüllt.

Durch Jesu Tod am Kreuz wird zum einen sehr deutlich gemacht, dass wir in einer unerlösten Welt leben, die geprägt ist von Leid, Zerstörung und Ungerechtigkeiten. Der Glaube an Kreuz und Auferstehung beinhaltet die Hoffnung, dass wir diese furchtbare Realität ein Stück weit überwinden können. Das Kreuz steht damit für die Hoffnung auf Befreiung. Es steht für den Zuspruch der Solidarität Gottes und dient der Stärkung und Ermutigung der Menschen, die unter den ungerechten Strukturen leiden müssen.

Der Hebr zielt auf Menschen aus allen Völkern. Christus ist für alle Menschen gestorben und wieder auferstanden. Dann gilt: alle Menschen können erlöst und gerettet werden. Wir haben die Aufgabe, das Evangelium von der Liebe Gottes an alle Menschen weiterzugeben. Der Glaube an die Liebe Gottes kann sich z. B. in der Zuwendung zu geflüchteten Menschen zeigen. Wir haben die Verantwortung, uns um Menschen zu kümmern, die vor Krieg und Hunger fliehen.

Die ChristInnen, an die der Hebr geschrieben wurde, lebten in einer multi-religiösen Umwelt. Das römische Götterreich war führend, verbunden mit den Opfern für den Kaiser (auch für das Judentum). Elemente aus dem griechischen Götterhimmel, aus ägyptischen oder syrischen Religionen konnte man ebenfalls antreffen.

Die jüdische Religion hatte im römischen Reich eine Sonderrolle. Menschen aus verschiedenen Völkern und damit auch Religionen hatten sich der christlichen Bewegung angeschlossen. Der Glaube an die Liebe Gottes darf dann auch die Dialogbereitschaft mit anderen Religionen bei uns beinhalten.

Eine Anfrage ergibt sich aus der Perikope und wird auch nicht durch den Text-Zusammenhang beantwortet: Wenn Christus die Sünden der Gläubigen endgültig weggestellt hat und die Sünde für die Gemeinde in ihrer weltlichen Erscheinung entmachtet ist, dann kann es eigentlich keine neu auftretende Schuld mehr geben. Entweder Christus kommt ganz schnell ein zweites Mal, um denen Rettung zu bringen, die auf ihn warten, oder …? Wie gehen wir mit Schuld in unseren Gemeinden und Kirchen um?

Gedanken zu Hebr 4, 14-16; 5, 7-9

Jesus, der Sohn Gottes, ist auf die Erde gekommen und hat das Leben der Menschen geteilt. Wenn er selbst auch ohne Schuld geblieben ist, hat er am eigenen Leibe die menschlichen Schwächen erlebt. Er weiß, wie sich Freude und Hoffnung, aber auch Angst und Verzweiflung anfühlen. Indem er unsere Sünden und unsere Schuld am Kreuz auf sich geladen hat und durch die Auferstehung zu Gott gebracht hat und Vergebung für uns Menschen erreicht hat, dürfen wir immer wieder unsere Angst und unsere Fehler vor Gott bringen. Wir können auch selbst Vergebung und Versöhnung leben gegenüber den Menschen, die an uns schuldig geworden sind.

Gedanken zu Jes 52,13 – 53,12

Ein Text, in dem von Schmach und Schande die Rede ist, von Krankheit und Leiden; davon dass jemand gequält und getötet wird. Doch dieser Knecht wird gerade nicht geschildert als einer, den Gott verflucht oder zurückgewiesen hätte. Der Knecht leidet furchtbar, aber nicht, weil Gott gegen ihn wäre. Sondern weil Gott für ihn ist und allen anderen sagen und zeigen will: das Leiden dieses meines Knechtes ist ein unschuldiges Leiden. Ich, Gott, leide mit ihm.

Das Kreuz ist ein Paradox. Denn es ist ein Zeichen sowohl für den Tod als auch für den Sieg des Lebens. Es steht für all das Leiden, das Menschen tagtäglich erfahren und erdulden müssen – sowohl die großen Katastrophen wie die kleinen. Es steht für all den Ungehorsam, den wir Menschen Gott gegenüber zeigen, indem wir alle Elemente seiner Schöpfung immer wieder mit Füßen treten. Gott hätte allen Grund, auf uns zornig zu sein und Rache für die gequälte Schöpfung zu nehmen. Aber er tut es nicht. er verlässt Jesus auch im Leiden und im Tode nicht. Er zeigt damit, dass er ein Gott der Liebe ist. Die Menschen versuchen immer wieder, die Liebe zu zerstören.
Eigentlich hat die Liebe keine Chance zu überleben in einer Welt, die
geprägt ist von Hass, Tod und Zerstörung. Aber sie bleibt und sie gibt es immer wieder neu. Ob zwischen Frauen und Männern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen guten Freunden – die Liebe ist nicht tot zu kriegen. Das ist der Sieg des Lebens im Zeichen des Kreuzes. Jesus hat uns die Macht der Liebe gezeigt, die konsequent am Anderen orientiert ist. Und diese Liebe, diese Teilhabe der Menschen an der göttlichen Liebe – das wird es immer geben. Darauf können wir hoffen und daran können wir glauben und darauf können wir uns verlassen.

Klaus Göke, Bottrop