Lieferkettengesetz

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Eine Voraussetzung für die Beurteilung der Fairness im internationalen Handel und Warenverkehr ist die Kenntnis der Lieferketten bis zum fertigen Produkt. Ein wichtiger Meilenstein dafür - unterstützt durch die kirchlichen Hilfsorganisationen - ist das Lieferkettengesetz, das im Juni 2021 im Deutschen Bundestag noch unter Dr. Gerd Müller, damaliger Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, verabschiedet wurde.

frei - fair - handeln

Lieferketten / Lieferkettengesetz

genaue Bezeichnung: Liefer­ketten­sorgfalts­pflichten­gesetz (LkSG)

Eine elementare Voraussetzung für die Beurteilung der Fairness im internationalen Handel und Warenverkehr ist die Kenntnis der Lieferketten bis zum fertigen Produkt. Ein wichtiger Meilenstein dafür war die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes im Deutschen Bundestag im Juni 2021. Im Rahmen unseres Schwerpunkthemas soll das Gesetz und seine Regelungsabsicht aus christlich-sozialer Perspektive genauer beleuchtet werden. Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftl. Zusammenarbeit und Entwicklung: »Die Ausbeutung von Mensch und Natur sowie Kinderarbeit darf nicht zur Grundlage einer globalen Wirtschaft und unseres Wohlstandes werden.«

Was leistet bzw. regelt das deutsche Lieferkettengesetz?

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, die Arbeitsbedingungen bei ihren direkten Zulieferern sorgfältig zu prüfen, um Menschenrechtsverstöße zu erkennen, transparent zu melden und Abhilfe zu leisten. Es geht dabei um die Einhaltung grundlegender Menschen­rechts­standards wie des Verbots von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Bei klaren Hinweisen auf Verstöße müssen Unternehmen tätig werden. Es drohen sonst Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes sowie ein dreijähriger Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Das Lieferkettengesetz tritt zum 1.01.2023 in Kraft, und zwar zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 MitarbeiterInnen. Ab 2024 sind dann bereits Unternehmen mit mehr als 1.000 MitarbeiterInnen betroffen.

Gibt es ein Schweizer Lieferkettengesetz?

In der Schweiz erfolgte im November 2020 eine Volksabstimmung über die »Konzernverantwortungsinitiative«. Ziel war, die »UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte«, zu denen sich die Schweiz auch ohne eigenes Lieferkettengesetz bekennt, auf sehr hohem Anforderungsniveau in nationales Recht umzusetzen. Der Verein zur Unterstützung der Initiative war seit 2015 auf 130 Organisationen angewachsen. Da die Initiative bei der Volksabstimmung knapp scheiterte, trat nur eine abgeschwächte Vorlage der Regierung in Kraft, die lediglich eine Berichtspflicht und Bußgelder vorsah, jedoch keine Klagemöglichkeit gegen Schweizer Unternehmen in der Schweiz.

Die eigentliche Zielsetzung der Initiative, dass globale Konzerne, die von Kinderarbeit profitieren, Gewässer vergiften oder Landstriche zerstören, auch dafür haften sollen, wurde nicht erreicht. Dass die Mehrheit der Menschen in der Schweiz, wenn auch nicht die Mehrheit der Kantone, für die Vorlage der Initiative gestimmt haben, ist jedoch als Ausdruck eines wachsenden gesellschaftlichen Bewusstseins für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch wirtschaftliche Aktivitäten zu sehen.

Was ist der Stand auf EU-Ebene?

Die EU-Kommission plant ein EU-Lieferkettengesetz. Der Entwurf wurde im Februar 2022 vorgestellt. Der Regelungszweck entspricht dem deutschen Lieferkettengesetzes, jedoch sollen bereits Unternehmen ab 500 MitarbeiterInnen verpflichtet werden. Firmen bzw. Unternehmensbereiche, bei denen das Risiko solcher Verstöße groß ist, beispielsweise aus der Textilindustrie oder der Land- und Forstwirtschaft, sollen bereits ab einer Schwelle von 250 Mitarbeitern einbezogen werden.

Die in der EU-Vorlage vorgesehene zivilrechtliche Haftung des Unternehmens schließt auch Verstöße von Tochterunternehmen oder Zulieferern ein. Das deutsche Lieferkettengesetz belässt es in diesen Fällen bei Bußgeldern, sofern es sich nicht um unmittelbare Zulieferer handelt. Umweltschäden werden in der EU-Vorlage stärker berücksichtigt als im deutschen Lieferkettengesetz, das seinen Akzent auf Menschenrechtsverletzungen setzt.

Die Initiative Lieferkettengesetz setzt sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein und war u.a. auch auf dem Katholikentag 2022 in Stuttgart mit mehreren Veranstaltungen aktiv.

Was sagen die Kirchen und kirchlichen Hilfswerke?

Die Kirche und die kirchlichen Hilfswerke haben sich aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit seit vielen Jahren für ein Lieferkettengesetz stark gemacht, auch auf der EU-Ebene. Die für Deutschland und die Schweiz verabschiedeten Gesetze betrachten sie als Kompromisse, die hinsichtlich des notwendigen Regelungsbedarfs nicht weit genug gehen. Dennoch wird es begrüßt, dass dadurch überhaupt eine gesetzliche Regelung existiert und das Thema der Menschenrechte bei problematischen Zulieferern auf globaler Ebene stärker in das Bewusstsein gerückt wird. In Deutschland ging die Initiative für ein Lieferkettengesetz 2019 von Brot für die Welt aus. Gemeinsam mit 63 weiteren Organisationen aus den Bereichen Menschenrechte, Umwelt, Kirche und Entwicklung wurde die Bundesregierung aufgerufen, ein entsprechendes Gesetz zur Beachtung der Menschenrechte entlang globaler Lieferketten zu verabschieden.

Zur Unterstützung haben die beteiligten Organisationen 2019 einen Argumentationsleitfaden herausgegeben, der zwar mit Blick auf das deutsche Lieferkettengesetz entwickelt wurde, dessen Argumente jedoch genauso - und nach der Verabschiedung jetzt sogar noch stärker - für ein EU-Lieferkettengesetz gelten.

bfdw60Brot für die Welt beteiligt sich an der Petition der Initiative Lieferkettengesetz für ein EU-Lieferkettengesetz, um europaweit verpflichtende Menschenrechts- und Umweltstandards für Unternehmen zu schaffen. Die Schwächen der nationalen Gesetze aufgrund der massiven Lobbyarbeit von Unternehmen und internationalen Konzernen sollen durch eine starke EU-Gesetzgebung beseitigt und konsequent überwunden werden.

Lieferketten und Ukraine-Krieg

Das Thema »Lieferketten« gewinnt angesichts des Ukraine-Kriegs ebenfalls Brisanz, aber auf eine andere Weise. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung der deutschen Bundesregierung weist in seiner im Mai 2022 erschienenen Schrift »Innovationspolitik für nachhaltige Entwicklung« auf die Bedeutung der Lieferketten und Abhängigkeiten für die Weltgemeinschaft hin: »Es sollten gemeinsame, innovative Lösungen dafür gefunden werden, wie man mit Beeinträchtigungen von Lieferketten im Nachgang der Pandemie und als Folge des Krieges in der Ukraine umgeht, z.B. durch Diversifizierung von globalen Lieferketten.«

Wenn auch die Forderung nach einer Auflösung von existenziellen Abhängigkeiten durch Diversifizierung mehr als überfällig ist, darf dabei nicht nur an die Energiekosten und exorbitanten Ressourcenverbräuche in den »entwickelten« Industrieländern gedacht werden. Entscheidend ist vielmehr die Erkenntnis, dass durch die kriegerischen Eingriffe in der Ukraine Lieferketten für Nahrungsmittel, insbesondere für Weizen, bewusst und gezielt von einem Aggressor zerstört werden. Betroffen werden mit dem Hunger als Kriegsinstrument insbesondere die ärmeren Länder des globalen Südens, die mit dem von Russland initiierten »Revierkrieg« in der Ukraine nicht das Geringste zu tun haben.

So hat etwa der Tschad aufgrund der massiv gestiegenen Preise und Versorgungsengpässe den Notstand ausgerufen. Brasilien rechtfertigt verstärkte Urwaldrodungen am Amazonas mit den globalen Versorgungsengpässen. Alles das hatte und hat mit nachhaltigem Lieferkettenmanagement zu tun. Auch der Krieg in der Ukraine ist nicht nur eine humanitäre, sondern eine ökologische Katastrophe für die Erde: Bewahrt die Schöpfung!