Was "Nachhaltigkeit" in Bezug auf das aktuelle Schwerpunktthema Verwundbarkeit bedeutet, ist nicht auf den ersten Blick klar.
Ein sanfter, achtsamer Umgang mit Menschen, Tieren und allgemein mit der Schöpfung, verhindert vermeidbare Verwundungen. Was ist daran "nachhaltig"?!
Verwundbarkeit und Nachhaltigkeit
(christlich gesehen)
Allein die Ankunft Jesu auf dem Esel links vermittelt schon Vieles, das heute unter Nachhaltigkeit verstanden wird. Entschleunigung, eine Langsamkeit, die Ankommen und Begegnung ermöglicht, achtsame friedliche Begegnung zwischen Erwachsenen und Kindern - alles das strahlt das Bild aus sich heraus aus.
Das Bild auf der rechten Seite transportiert eine andere, aber innerlich verwandte Botschaft. Auch hier geht es um die Begegnung zwischen Erwachsenen und Kindern (bzw. Jugendlichen - was ist der Unterschied?!). Sie begegnen sich in der Frage des Klimaschutzes. Die Erwachsenen und politisch Verantwortlichen verpassen anscheinend schon seit Jahrzehnten des Wissens um Folgen und Zusammenhänge die achtsame Begegnung mit ihren Kindern und zukünftigen Enkeln und Urenkeln. Aus Sorge um materiellen Wohlstand und wirtschaftliches Florieren werden die Weichen auf "Konsum" und "Markt" gestellt, statt auf "Haushalten" und "zukunftsfähige Gestaltung der Märkte". Das Verhalten erscheint schlau, aber nicht klug. Hans Karl von Carlowitz machte es bereits 1713 deutlich: Nur so viele Bäume einschlagen, wie auch wieder nachwachsen. Was meint er damit? Wir brauchen dazu nicht auf Amazonien und die unermesslichen Urwaldrodungen zu zeigen, die sich seit der Corona-Pandemie nochmals drastisch erhöht haben, um die Schuldigen zu finden. Die Industriestaaten erzeugen durch Lebensstile die Nachfrage, aus der in Brasilien Politik und Konzerne ihre Rechtfertigung ableiten.
Die Erde reagiert auf überzogenen Konsum und Unachtsamkeit, indem sie ihre Verwundbarkeit offen zeigt. Die Kinder (oder Jugendlichen) reagieren, indem sie diese Verwundbarkeit sehen und Handeln einfordern.
Das Klima ist nicht die einzige Wunde, die der Lebenstil und die Wirtschaftsweise der Industrienationen gerissen hat. Sich der Situation stellen - die Aufforderung steckt in dem Text "Berühre die Wunden" von Tomáš Halík.
Christliches Handeln und Nachhaltigkeit
Im Buch Genesis, Kap. 1, ist dem Verwaltungs- und Gestaltungsauftrag an den Menschen der Satz über die Idee der Ebenbildlichkeit vorangestellt. Das Mindeste, das an "Ebenbildlichkeit" zu erwarten wäre, hieße, die gebotene Klugheit und Weisheit auch anzuwenden, die in der Idee erahnbar wird. Sie geht dem biblischen Gestaltungsauftrag unmittelbar voran und betrifft letztlich alle Religionen, die sich auf das Alte Testament beziehen.
Klugheit und Weisheit sind in dem, das von der Masse der Erwachsenen und politisch Verantwortlichen vorgelebt wird, nicht gerade zu erkennen, das bemerken sogar die Kinder und Jugendlichen. War es nicht auch ein Kind, das in "Des Kaisers neue Kleider" auf die verblendende Lobbyarbeit der Beraterinnen und Berater aufmerksam gemacht hat? Diese Geschichte steht zwar nicht in der Bibel, aber in der Bibel steht, dass den Kindern das Himmelreich gehört (Mt 19,14). Damit schließt sich der Kreis von Jesus links oben zu dem Anliegen der Kinder - das genau deswegen das Anliegen aller christlichen Erwachsenen sein müsste.
Nachhaltigkeit ist, unverzüglich die Weichen so zu stellen, dass die schlimmsten Folgen des Klimawandels und aller anderen schweren Verletzungen der Schöpfung abgefangen werden.
Vor zwanzig Jahren wäre nachhaltiges Handeln gewesen, es gar nicht so weit kommen zu lassen, nicht zu warten, bis die Erde ihre Verwundbarkeit offen zeigt, sondern um die Verwundbarkeit zu wissen: Weisheit und Verantwortung, Ebenbildlichkeit ... Mit diesen drei Begriffen - und der Liebe - ist für Christinnen und Christen auch heute noch alles machbar.
Drei Säulen der Nachhaltigkeit / konziliarer Prozess
Verwundbarkeit, Verletzlichkeit zu erkennen und entsprechend zu handeln war schon immer Grundprinzip im Christentum, zumindest theoretisch. Um das zu erinnern braucht man auf keine so komplexe Ebene zu gehen wie die Verantwortung für die Schöpfung oder die Lebensperspektive der "Fridays for Future"-Generation. Es genügen eigentlich die Erzählung vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) oder die vielen Krankenheilungen, die das Wesen des Christseins praktisch und anschaulich erkennen lassen. Nicht schneller, höher und besser, sondern die Verletzbarkeit und Verletztheit zu erkennen und konseqent dagegen etwas zu unternehmen - gestärkt und ermutigt durch Gottes Hilfe.
Die Verletztheit der jungen Generation im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der älteren Generation geht Hand in Hand mit der Verletztheit und dem Vertrauen der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Coltan-Minen des Kongo und der Kleinbauern in Südamerika, die Opfer des Landgrabbing und der Konzerne wurden.
Christlich ist das nicht.
Die "drei Säulen der Nachhaltigkeit", wie sie in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion im Allgemeinen kommuniziert werden - Ökologie, Ökonomie und Soziales - werden im christlichen Kontext zum Zusammenspiel von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Das Bemühen um ein fruchtbares Zusammenwirken wird schon lange als "Konziliarer Prozess" bezeichnet. Keines der drei kann allein ohne die anderen eine zukunftsfähige Welt begründen.
Wenn man sich in der Grafik rechts das gelingende Zusammenspiel von Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung vorstellt, erhält man gedanklich die Brücke zum Bild von Jesu Ankunft oben links, und man versteht das Bild oben rechts (Verlust von Glaubwürdigkeit).
Die Verwundbarkeit ist vorhanden, aber sie muss zu keiner Verwundung führen.
Darin besteht, christlich gesehen, der Zusammenhang zwischen Verwundbarkeit und Nachhaltigkeit.