Ostermontag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Kor 15, 50-58 | Apg 2, 14.22-33 | 1 Kor 15, 1-8.11 | Lk 24, 13-35 oder Mt 28, 8-15 |
1 Kor 15,50-58
Exegetische Hinweise
Die Perikope lenkt denkt Blick auf den eschatologischen Vollendungsakt der Schöpfung. Wir hören von der völligen Andersartigkeit des Auferstehungsleibes. Verwandlung der Glaubenden, Sieg über den Tod und die Vollendung der Gottesgegenwart sind die zentralen Merkmale der Vollendung. Paulus sieht einen scharfen Schnitt zwischen irdisch-geschichtlichem und dem vollendeten Leben. Die Vollendung hat wunderbaren und plötzlichen Charakter. Sie ist keine Verlängerung des Alten. „Am Ende des geschichtlichen Lebens versagen die uns geläufigen Maße von Raum und Zeit zur Darstellung des Geschehens.“ (F. Lang, Die Briefe an die Korinther, S. 240.) Erhaltung wandert aus dem Chronos aus und gewinnt Gestalt als Kairos.
Theologische Impulse
Der Text steht in einer intensiven Spannung zu allen „Auslaufszenarien“, die die Welt an einer Nulllinie ausgeglichener Energie sterben sieht (Stichworte: Entropie, Zweiter Thermodynamischer Hauptsatz, Dissipation). Auch katastrophale Exzesse der Natur oder Zivilisationsfolgen definieren nicht das Ende der Welt, auch wenn sie die Erde schwächen. Sie sind als eine Form von Sterben und Tod eingebunden in den Sieg Gottes. Dass der Mensch verwandelt wird zu einem Geistwesen, dem Sterben und Tod nichts mehr anhaben können, ist eine theologische Denkfigur, die nicht kompatibel ist mit einer Lebensauffassung, die in der „Bewahrung der Schöpfung“ die einzige zentrale Orientierung sieht, die linear zu bewerkstelligen wäre. Die Zukunft Gottes weist über die Kraft der Erde hinaus, in deren Raum sich Gott vergegenwärtigt und in der der Tod als Ordnungsmerkmal waltet. Christinnen und Christen orientieren sich im Nachhaltigkeitsdiskurs an Erde (Erste Schöpfung) und Zukunft Gottes (Zweite Schöpfung). Die Welt läuft nicht irgendwann aus und erstirbt in einem energielosen kosmischen Todesnebel. Im Umbruch von Cronos zum Kairos waltet die Zukunft der Schöpfung.
Nachhaltigkeitsaspekte
Lineare Nachhaltigkeitsszenarien, die das Heil in der totalen Umstrukturierung menschlicher Zivilisationsmuster sehen, sind wenig glaubwürdig. Die Annahme, dass „die Gesellschaft“ zu „einem“ Interesse fände, ist so hypothetisch wie banal. Natürlich sollten die Kirchen, Gemeinden und Christinnen und Christen ihr Stoffstrommanagement so gestalten, dass anthropogen verursachte Entropie und Zerstreuungsprozesse von Energie auf das Nötigste reduziert werden. Das gebietet die Gerechtigkeit gegenüber denen, die die Folgen auszubaden haben. Aber heil oder geheilt wird der Naturprozess dadurch nicht. Nachhaltig lebensfest und -sicher wird das Schöpfungsgefüge niemals sein. Als offenes System strebt Natur immer auch dem Tode zu und „erfüllt“ sich als offener Prozess in der Ablösung und auch Auslöschung von Formen und Wesen. Von den Grenzen des Nachhaltigkeitswachstums ist darum auch zu reden. Und davon, dass damit keiner resignative Beliebigkeit ins Regiment verholfen wird. Die Gewissheit, dass Gottes Verheißung auch eine Zusage einer Wandlung von Verbrauch in Sein (Leib zu Geist) beinhaltet, stärkt den Prozess zu mehr Nachhaltigkeit. Menschen gewinnen Raum, die richtigen Fragen zu stellen und das Menschmögliche zu fordern und zu tun. Nachhaltigkeit bekommt ein festliches Gewand. Sie gewinnt Gestalt als Prozession auf die Erfüllung hin. Sie ist keine angstvolle Verkrampfung aus Furcht vor Sterben und Tod. Und da es sich um einen österlichen Text handelt, ist zu bedenken: Jedwede politische Nachhaltigkeitsprogrammatik ist allenfalls wie der Blick in das leere Grab, also voller Unwissen, Unsicherheit und auch Furcht. Die Begegnung mit dem Auferstandenen geschieht dort, wo er sich uns an die Seite stellt.
Apg 2,14.22-33
Exegetische Hinweise
Womit haben wir es zu tun? Mit endzeitlicher Wiederkehr der Prophetie oder ewige Wiederkehr der Endzeitprophetie? Petrus bittet feierlich um Aufmerksamkeit (V22). „Er zitiert den Hörern aus dem Prophetenbuch Joel einen Abschnitt, der das charismatische Geschehen als endzeitliche Wiederkehr der Prophetie deuten lä[ß]t.“ (Manfred Jeub, GPM 44.Jg./Heft3, S. 285) Das ist etwas anderes als eine ewig wiederkehrende Endzeitprophetie, mit der der Nachhaltigkeitsdiskurs zuweilen hilf- und geistlos befeuert wird. Das Zeugnis von der Auferweckung Jesu wird begleitet vom Wehen des Gottesgeistes. Gott hat an seiner Beglaubigung Jesu festgehalten und sie erfüllt in der Auferweckung. Das lässt sich glauben (i.S.v.: darauf vertrauen), aber kaum außerhalb einer entschiedenen Geisteshaltung beglaubigen.Insofern taugt die Perikope nicht zum göttlichen Siegelauf einer rationalen und durch Notwendigkeiten kontaminierten Umstrukturierungs- und Zukunftsdebatte. Auferstehung ist keine zivilisatorische Notwendigkeit, sondern Liebe. Es geht um die Geistesgabe, das Leben anders lesen zu können. Damit gehört der Text zu solchen, die den Nachhaltigkeitsdiskurs in die Selbstreflexion befördern.
Theologische Impulse
Wo in Zivilisationen die strategische Selbsterhaltung zunimmt, nimmt die auf Gott umgebuchte Macht proportional ab. (vgl. O. Reis, Nachhaltigkeit, S. 472 Anm. 1146). Wer das Streben nach Nachhaltigkeit allein als neue zivilisatorische Ressource begreift, verheddert sich im Gestrüpp eines Ressourcenfetichismus, der die Welt an die Rand der Auszehrung bringt. Es geht nicht um eine Aneignung der Welt in neuem Habitus. Es geht mehr, geistvoller und gottbezogener um eine Anverwandlung der Welt an Gottes Gegenwart. Wer den Weg zur Nachhaltigkeit beschreibt als Orientierung gegen den Verlust und Verfall von Vielfalt und Möglichkeitsräumen und die Freude an der Welt verliert, verliert Jesu Auferstehung. Glauben ist insofern Religion, als im Glauben das universale Leben uns Menschen auch mit Freundlichkeit einhüllt, die uns in die Lage versetzt, uns jung und stark zu fühlen (vgl. William James, Vielfalt, S. 285). Nachhaltigkeit wird Fülle erreichen nur dann, wenn wir uns mit unserem Glauben so einbringen, dass unsere Bilder einer Gesamtreaktion auf die Fülle des Lebens standhalten. Situationsbedingte und krisenmarkierte Apelle sind ein Aspekt konkreten Handelns, tragen das Leben aber nicht in das Licht der Auferstehung Gottes.
Nachhaltigkeitsaspekte
Nachhaltigkeit wird nicht durch Apelle erreicht, sondern durch die Weitergabe von verbindlichem Wissen (R. Sennet, Handwerk, S. 82). Jede politische Engführung von Nachhaltigkeitskonzepten lässt nicht nur nach einer Transformation zur Nachhaltigkeit fragen, sondern auch nach einer Transformation der Nachhaltigkeit.Christen, die die Lebendigkeit Christi bekennen, stehen vor der Frage nach ihrer Sprecherrolle in einem lebendigen Nachhaltigkeitsdiskurs. Da es kaum einen Sinn macht, z.B. auf die moderne Vergötzung eines kalten Fortschritts mit einer postmodernen Verdammung der Vergötzung des Fortschritts zu antworten (M. Voigt), braucht die Anverwandlung der Welt in eine zukunftsfähige auch freundschaftliche Bilder. Verlautbarung, Agitation und Diskurs sind unverzichtbar, die wärmende Rede von Zukunft und Leben aber auch. Der Nachhaltigkeitsdiskurs wird stabil, wo es gelingt, die endzeitliche Wiederkehr einer lebensfreundlichen der Prophetie in die ewige Wiederkehr der Endzeitprophetie einzusprechen. Solches Handeln ist nicht weniger Konkret als der Verzicht auf vermeidbare entropische Prozesse durch fehlgeleitete Nutzungsroutinen. Der Appell zielt auf neue politische Ressourcen, die es zu entwickelt geht, um Verlust und Verfall zu entschleunigen. Auferstehung dagegen feiert das Maß, mit dem der Mensch die Freude des Lebens symbolisieren kann. Daraus erwächst Kraft für echte Transformation, für Verwandlung und Veränderung. Gleichzeitig erwächst dem Transformationsdiskurs durch den Glauben wieder ein Sinn für die Existenz jenseits linearer Verhaltensnormen, die auf Selbstrettung gestimmt und getrimmt sind.
1 Kor 15, 1-8.11
Exegetische Hinweise
„Die Glaubensformel V.3b-5 bezeugt ebenso wie die Passions- und Ostergeschichte der synoptischen Evangelien den Tod und die Auferweckung Jesu Christi als die zentralen Heilsereignisse.“ (F. Lang, Die Briefe an die Korinther, S. 212) Die einmalige Auferweckung Jesu bestimmt ständig das Leben der Glaubenden. Aus dieser zentralen Orientierung ergibt sich für den Glaubenden eine Art „Grammatik der neuen Schöpfung“.
Theologische Impulse
Das leibliche und lebendige, das vergängliche und fortschreitende, das evolutive und das zukünftige Schöpfungsgefüge ist „kontaminiert“ mit der Hoffnung, dass die Schöpfung nicht mehr dem Tode überlassen ist. Schöpfungsglaube und Schöpfungsverantwortung sind keine rückwärtsgewandten Geistestätigkeiten. Sie sind konkrete Hoffnungsereignisse und damit wesentliche Beiträge zum Realismus der Welt. Hoffnung wartet nicht auf neue Realitäten, sondern Hoffnung ist eine beharrlicheRessource der Realität.
Nachhaltigkeitsaspekte
„Gerade um Nachhaltigkeitsdiskurs ist eine Ebene von Ängsten und Hoffnungen angesprochen, die nicht adäquat durch ökosoziale und ökonomische Managementprogramme beantwortet werden kann, sondern nur durch den Verweis auf eine Dimension, die das „Machen“ und „Verfügenkönnen“ überschreitet. Das Gelingen von Nachhaltigkeit hängt wesentlich davon ab, ob diese Dimension offen gehalten wird.“(Markus Vogt, Prinzip Nachhaltigkeit, S. 75) Es ist zu fragen und zu beantworten, was denn eine Hoffnung, die sich aus dem Auferstehungsglauben speist, an neuer Realität liefert. Wenn es stimmt, dass die theologische Dimension der Transzendenz eine grundlegende Distanz gegenüber geschlossenen Systemen ermöglicht, ist diese Distanz nutzbar zu machen. Die Stichworte wären: Ideologiekritik, größere Reflexivität des politisch-programmatischen Nachhaltigkeitsdiskurses etc. Beispiel: Der Ausbau der Windenergie. Eine reduzierte Normativität des Programms, die sich durch eine lineare Reduktion von CO2-Lasten ergibt, reicht nicht aus, um Nachhaltigkeit als neues Paradigma dauerhaft zu vergesellschaften. Vorranggebiete sind soziale Kostenstellen bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen (Landschaftsverbrauch). Wer trägt diese Kosten? Wer profitiert ökonomisch und/oder politisch? Wer entscheidet (Grundeigentümer Kapital, Politik, Zivilgesellschaft?) Wer generiert die Ausbauziele unter welchen Annahmen? Wer (be)treibt das Projekt? Sind Windenergiegebiete Ausdruck eines zivilisatorischen Fortschritts? Oder sind sie eine Form technischer Bewältigung unter (immer den gleichen) Vorzeichen Wachstum, Wohlstand, Verfügungsluxus und Reichweitenvergrößerung? Was heißt es, Hoffnung als neue Realität in den Prozess einzusprechen? Was würde sich ändern, wenn wirklich eschatologisch gefärbte Hoffnung walten würde und nicht der Geist eines verzweifelten Selbsterhalts unter dem Diktat drohender Klimaerwärmung? Das Knowhow zu einem reduzierten Stoffstrommanagement haben andere auch. Was haben Christinnen und Christen unter österlicher Perspektive beizutragen?
Luk 24,13-35
Exegetische Hinweise
Lukas nutzt für seine Ostergeschichte ausschließlich solche Überlieferung, die vom Hervortreten des getöteten Herrn im Kreis seiner Jünger erzählen. Der Lebendige tritt hervor. In verschiedenen Zusammenhängen und Situationen. „In Bethlehem ist kein Raum für Jesus. Samariter weisen ihn ab. Jerusalem errichtet ihm das Kreuz. Und eben hier beginnt Jesus sein weltweites Königwirken.“ (Karl Gutbrod, Bibelkunde NT, S. 31).
Theologische Impulse
Rätsel kann man lösen, Geheimnisse soll man bewahren. Jesus verschwindet in Gottes Geheimnis (V31). Und dieses Verschwinden ist kein Fortgang ins Nichts, sondern ein Aufgang in eine lebendige Gegenwart. Feindliche Orte werden zum Aufgang der Gottesnähe. Die Welt erfährt in der Gegenwart des Auferweckten ihre ganz ureigene und zentralste Transformation.
Für Jürgen Moltmann wird mit dem Begriff „Schöpfung“ das Wunder des Daseins bezeichnet. „Der Schöpfungsakt erfa[ß]t das ganze in sich zeitlich ausgedehnte und im Reichtum der Formen differenzierte Dasein in einem einzigen göttlichen Augenblick. … Theologisch müssen die Formen des göttlichen Erhaltens, Ertragens, Transformierens und Voranbringens der Schöpfung in ihrer zukunftsoffenen Geschichte dargestellt werden …“ (Moltmann, Gott in der Schöpfung, S. 204) Die Frage lautet: Was hat das Geheimnis der Lebendigkeit Christi mit dem Prozessen zu tun, die wir unter dem Begriff der Nachhaltigkeit zusammendenken? Antwort: Nachhaltigkeitsarbeit ist in einer durch die Auferweckung bereits transformierten Welt vor allem eines: Lobarbeit!Und dies nicht nur im protologischen Sinn (Dank für den göttlichen Schöpfungsakt), sondern durchaus in einem eschatologischen Sinne: Arbeit am Leben an widrigen Orten. Lobarbeit ist Arbeit am Geheimnis des Lebens, das wir mit dem Wort der Liebe umschreiben.
Nachhaltigkeitsaspekte
Die Nachhaltigkeitsdebatte unterliegt permanent der Gefahr der Selbstabschließung. Sie folgt häufige einem regressiven Logos und fordert Kontrolle. Weltbeziehung wird in diesem Diskurs als Management-Beziehung verstanden. Die spielerischen und ästhetischen Weltbeziehungen bleiben bis heute unbeleuchtet. Dabei schafft es der Nachhaltigkeitsdiskurs kaum, sein eigenes Angstpotenzial zu thematisieren. In ihm herrscht zuweilen mehr verzweifelter Selbsterhalt als konkrete Glaube daran, dass es darum geht, eine positive Freiheit zu entwickelt. Nichtzustande gekommene Weltverträge werden z.B. kommuniziert als bemerkenswerte Hinweise darauf, dass die Weltreichweite des Nachhaltigkeitsbewusstseins abnimmt oder doch zumindest nicht ausreichend ist. So entgleitet der Nachhaltigkeitsdiskurs aus theologischer Sicht in ein säkulares Zerrbild, das nur noch die menschliche Existenzangst abbildet. Christliche Hoffnung zeichnet einen Weg der Loslösung von solchen Angstbildern. Glauben ist Resonanz auf Gottes Liebe und Kraft. Christliche Nachhaltigkeitsaktivität ist Rezeptivität auf Gottes Gegenwart und Liebe.
Rolf Adler, Hannover
Literatur:
Friedrich Lang, Die Briefe der Korinther. NTD 7, Göttingen 198616
Manfred Jeub, Göttinger Predigtmeditationen, 44.Jg./Heft3; O. Reis, Nachhaltigkeit – Ethik – Theologie. Eine theologische Beobachtung der Nachhaltigkeitsdebatte, Münster 2003; William James, Die Vielfalt religiöser Erfahrungen, Eine Studie über die menschliche Natur (1902), Frankfurt/M. 1997: Insel; Richard Sennet, Handwerk, Berlin, 2008.
Friedrich Lang, Die Briefe der Korinther. NTD 7, Göttingen 198616; Karl Gutbrod, Bibelkunde zum Neuen Testament, Stuttgart 1973;Markus Vogt, Prinzip Nachhaltigkeit. Ein Entwurf aus theologischer Perspektive, München 20102;
Jürgen Moltmann, Gott in der Schöpfung. Ökologische Schöpfungslehre, Gütersloh 1985;