31.o8.25 – 11. Sonntag nach Trinitatis / 22. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hiob 23 Sir 3, 17-18.20.28-29 (19-21.30-31) Hebr 12, 18-19.22-24a Lk 14, 1.7-14

Hiob 23

Dieser Text ist bei der Revision der Perikopenreihe neu aufgenommen worden. Am Ende des Hochsommers, während manche noch in den Ferien sind, hat der Text nichts von der Leichtigkeit lauer Sommerabende. Die Fragen nach Gott und Leid sind hier unerbittlich gestellt, weil das Leid so ausweglos groß ist. Für die Vorbereitungen der Predigt empfiehlt es sich, bei Exegese für die Predigt, ( Hiob 23,1-17 | 11. Sonntag nach Trinitatis | 31.08.2025 - www.die-bibel.de ) nachzuschlagen. Hier nur ein paar Anmerkungen:

Die Verse lassen sich gut ohne die Rahmenhandlung predigen, zumal die jüngere Forschung davon ausgeht, dass die Dichtung unabhängig von der Rahmung bestanden hat.

Hiob nimmt für sich in Anspruch, dass ihm nichts vorzuwerfen sei, er fromm ist und nach Gottes Geboten handelt. Seine Freunde kritisieren dies. Die Auseinandersetzung darüber, ob das ein Mensch das überhaupt von sich sagen kann, oder zumindest als fehlende Demut zu kritisieren sei, führt m.E. nicht weiter und ist auch nicht die Perspektive des Hiobbuches. Hier streitet, kämpft, klagt ein zutiefst verletzter, verunsicherter Hiob. Denn Gott ist nicht da – zumindest für ihn nicht.

Das ist das Schwere dieser Textstelle, diese große Klage: Gott lässt sich nicht finden, obwohl er gesucht wird. Er ist nicht da, obwohl er angerufen wird. Er ist nicht da, obwohl die Not so groß ist, die Not eines, der immer zu ihm gehalten hat. Hiob ist einer, der Angst vor Gott hat, weil Gott so willkürlich, despotisch zu handeln scheint. Das muss man erstmal aushalten – und in der Predigt Worte dafür finden.

Zugleich bleibt bei Hiob eine Sehnsucht nach Gott, nach dem Gott, der ihn sieht und hilft, der Recht schafft, der Gerechtigkeit ist. Diese beiden Seiten durchziehen den Text. Evangelium, ist womöglich genau dies: Beides hat in der Bibel seinen Platz und darf zu Wort kommen, verbunden mit der Hoffnung, dass es gut wird, trotz und mit allem.

 

Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dieser Predigttext mit seiner Schärfe und Dringlichkeit in zwei Richtungen aktualisieren lässt. Die eine ist die Auseinandersetzung unserer Kirche mit den Opfern von sexuellem Missbrauch innerhalb der Kirche. Hier braucht es Raum für Klage: Wie lange hat Gott Opfern nicht zur Seite gestanden, sie nicht geschützt?

Die andere Richtung ist diese: Ich stelle mir vor, die Natur könnte klagen. Der Erdüberlastungstag ist für dieses Jahr auf den 24. Juli berechnet worden (Quelle: Press Release June 2025 English - Announcing Earth Overshoot Day 2025 - Earth Overshoot Day). Seit über einem Monat verbraucht die globale Menschheit mehr, als nachwachsen kann. Es gibt diverse Überlegungen, ob die Natur nicht selber ein Rechtssubjekt sein könnte. Sie könnte dann selber klagen, wenn ihre Rechte verletzt sind. Dies könnte auch ein Fluss sein oder ein Berg. (Weitere Informationen zu den Rechten der Natur finden sich z.B. in diesem Diskussionspapier von Misereor: Diskussionspapier_Rechte_der_Natur_final.pdf )

»Reli fürs Klima« hat einen Wettbewerb ausgerufen »Planet im Gerichtssaal – Sollte die Natur Rechte haben«. Schüler_innen haben sich mit den Rechten der Natur auseinandergesetzt und tolle Ideen entwickelt (hier der Aufruf; die Ergebnisse sind werden Anfang Juli veröffentlicht: https://www.diakonie-portal.de/diadwbo-uploads/user_upload/Themen/Diakonie_weltweit/Brot_fuer_die_Welt/66._Aktion/Wettbewerb-Reli-fuers-Klima-2025.pdf )

Für die Predigt ließe sich dieser Gedanke weiter entwickeln: Was, wenn die Natur Rechte hat, klagen könnte? Könnten die Worte Hiobs helfen, Worte für den Schmerz und die Verzweiflung der Natur zu finden? Wie hilft Gott seiner Schöpfung, oder lässt er sei alleine? Welche Hilfe erwarten wir von Gott, angesichts der Erdüberlastung?

Wenn jemand dazu eine Predigt schreibt, würde es mich sehr freuen, sie lesen zu dürfen!

 

Lukas 14,1.7-14

Erste Gedanken

Ich lese die Text und mir gehen Gedanken zu Anstand und gutem Benehmen durch den Kopf. Sich einüben in Höflichkeit, meiner Mutter wurde das eingetrichtert, sie kannte alle Regeln, wer als erstes durch eine Tür geht, wer für wen aufsteht etc., auswendig. Alle feministischen Stimmen in mir beginnen zu rebellieren: Frauen haben sich viel zu lange höflich auf den unteren Plätzen gehalten, egal wie viel sie geleistet haben oder wie klug sie waren, und kaum einer hat sie nach oben auf die Ehrenplätze gebeten. Der Vorschlag Jesu hat nicht funktioniert. Wenn Frauen nicht aufgestanden wären, um sich selber ihre Plätze zu suchen, wären die allermeisten immer noch auf den Steh- und Zuschauerplätzen.

Auf der anderen Seite: Wenn die mächtigsten der Welt eine Unhöflichkeit zeigen, die die Würde des anderen beschämt, wenn unhöfliches Verhalten im eigenen Alltag (z.B. Straßenverkehr), das Leben aller unfreundlicher macht, ist es womöglich an der Zeit, Höflichkeit wieder zur trainieren und einzuüben.

Aber taugt hierzu das Evangelium von Lukas 14,1.7-14?

 

Beobachtungen zum Text:

„Als Jesus an einem Sabbat…“ (14,1): Die Erwähnung des Feiertags reicht aus, um über den Sinn von Pausen und Suffizienz nachzudenken und zu predigen. Gespräche wie diese können stattfinden. Der Tag ist herausgenommen aus dem Hamsterrad des Arbeitens und Einkaufens, dem Druck der Leistung und dem Ununterbrochen-Aktiv-Sein. Wie wichtig sind solche Tage!

„Als Jesus bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, erzählte er ihnen ein Gleichnis.“ (14,7) Was dann folgt, ist kein Gleichnis im klassischen Sinn. Aber das Wort Parabel/Gleichnis hilft, diese Worte Jesus nicht als Anleitung für die Tischordnung bei größeren Festen wie einer Hochzeit zu lesen. Darum geht es hier nicht. Für mich ist das Wort Gleichnis/Parabel ein Hinweis, die folgenden Worte nicht im wörtlichen Sinn zu verstehen, als wäre Jesu ein guter Morallehrer, sondern im übertragenen Sinn für den Umgang miteinander. (In der alten Übersetzung der Einheitsbibel stand an dieser Stelle „Lehre“ und gab den Worten Jesu damit eine andere Richtung.)

Jesus sagt: Setz dich ruhig ans untere Ende. Ich will nicht, dass du beschämt wirst. Setz dich ruhig ans untere Ende, der Gastgeber wird Dir einen Platz zuweisen, der höher ist.

Das heißt doch, wähle deinen Platz mit Bedacht. Denk nicht kurzfristig, sondern habe die Konsequenzen im Blick. Wähle Deinen Platz so, dass für Dich etwas Gutes dabei herauskommt. Jesus befürwortet ein Glück, das nicht auf Kosten anderer geht. (Bovon, EKK III/2, S. 490)

Dass es eine Rangordnung gibt, wird nicht in Frage gestellt. Offensichtlich gibt es Menschen, denen mehr Ehre gebührt als anderen. Aus welchem Grund sie auf den Ehrenplätzen sitzen werden, wird nicht gesagt. In einer offenen Gesellschaft wird dies immer wieder ausdiskutiert werden müssen.

 

Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung – wie kann dieses Evangelium dabei helfen?

Zu den 17 Globalen Nachhaltigkeitszielen gehört das 10. Ziel: Weniger Ungleichheit. (Weitere Informationen unter: www.17ziele.de ) Hinter diesem Ziel steht die Idee, dass es uns allen besser geht, wenn die Unterschiede der Rechte und Chancen der Menschen gering sind, wenn wir alle mit dem gleichen Respekt behandelt werden und andere behandeln.

In der Predigt lässt sich dies in verschiedenen Bereichen deutlich machen:

a) Der Umgang von Ländern des globalen Nordens mit Ländern des globalen Südens. Im Fairen Handel, zum Beispiel Fairer Kaffee sind die Erfahrungen der Bauern, die den Kaffee anbauen wichtig. Sie bekommen ein Gesicht.

b) Wo werden in unseren Kirchen/Gesellschaft die Erfahrungen von Menschen aus dem Globalen Süden, die jetzt bei uns leben sichtbar? Welchen Platz nehmen sie ein? Ihre Erfahrungen und Kenntnisse können uns als Kirche/Gesellschaft bei unserer Weiterentwicklung helfen. Hiervon lassen sich gute, gelungene Beispiele erzählen.

c) In der eigenen Gemeinde: Wie oft wird um feste Plätze im Seniorenkreis gerungen. Auch Menschen mit Zuwandergeschichte werden älter. Wie können wir Schwellen abbauen, damit sie in der Gemeinde einen Platz finden? Und wenn sie kommen, sind dann alle Ehrenplätze bereits belegt? Oder sind wir Gastgeber und helfen dabei, dass jeder und jede einen guten Platz bekommt?

Barbara Neubert, Berlin