Reformationstag / 22. Sonntag nach Trinitatis / 31. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Ref.-tag: Gal 5,1-6 22. So. n. T.: Jes 44,21-23 |
Dtn 6, 2-6 | Hebr 7, 23-28 | Mk 12, 28b-34 |
Allgemeine Erwägungen
Für den 31.10.2021, dem Reformationstag, dem 22. Sonntag nach Trinitatis oder in röm. kath. Reihung der 31. Sonntag im Jahreskreis sind diese Bibelstellen (Predigtreihe 3: Galanter 5, 1-6 (oder für den 22. Sonntag nach Trinitatis: Jesaja 44, 21-23); Kath. Lesereihe: 1. Daniel 6, 2-6; 2. Hebräer 7, 23-26; Evangelium: Markus 12, 28b-34) vorgeschlagen. Ich beziehe mich in der Übersetzung auf die Lutherbibel von 2017 und die Ausgabe von 1985 der Dt. Bibelgesellschaft.
Zum Ende des Ev. Kirchenjahres markiert der Reformationstag gerade in diesem Jahr mit der Auswahl von Galater 5 den neuerlichen Aufbruch in das christliche Leben. Im Jahr der „Corona-Pandemie“, in dem diese Gedanken entstehen, wird unser Blick also über die Krise hinaus geweitet.
Dafür könnten die liturgischen Farben sowohl dieses 31.10. im Besonderen stehen. ROT symbolisiert den Heiligen Geist, steht für Liebe und Blut. Mit dieser Farbgebung rückt die feiernde Gemeinde ins Zentrum. Das GRÜN des 31. Sonntag im Jahreskreis steht für die Hoffnung und ziert alle Tage im Jahreskreis, die keine andere besondere Farbe (z.B. rot oder weiß) tragen.
Wir schauen also an diesem Sonntag auf die Hoffnung, die sich im Leben einer (hoffentlich wieder) feiernden Gemeinde ausbreitet und Menschen verbindet. Und wir weiten unseren Blick auf den Glauben, das praktische Christsein (in einer Welt ein Jahr nach dem Ausbruch der „Corona-Pandemie).
Gedanken zu den einzelnen Bibelworten
Galater 5, 1-6
Das Interessante an diesen wenigen Worten ist, dass die Galater darauf hoffen, gerechtfertigt zu werden und Paulus ihnen zusagt, dass sie (durch Christi Tod und Auferstehung) schon gerechtfertigt sind. Das verführt dazu, selbstgerecht zu werden. Und dieser Unterton schwingt hier auch deutlich mit. Die so genannte „neue Freiheit“ könnte dazu verleiten, einfach weiter zu machen.
Ein Seitenblick auf das „Nach-Corona-Jahr“ könnte verdeutlichen, was wir aus dem momentan noch sehr nachwirkenden „lock down“ gemacht (gelernt) haben. Und gerade deswegen übersetze ich mal völlig frei „Nächstenliebe“ mit „nachhaltiges und gesundes Leben für alle in einem verantwortlichen Sein in und mit der Schöpfung/Natur“.
Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass uns diese Krise vor Augen führt, wie V4 sagt, „dass wir Christus verloren haben“. Ich lese diese Worte eher so, als würden sie uns daran erinnern wollen, wer wir als Christen in dieser Welt sein wollen. Und in diesem Zusammenhang heißt Reformation für mich, jetzt etwas an unserem Lebensstil zu verändern.
So manche Begriffe (z.B. Joch der Knechtschaft oder auch Gesetz) versinnbildlichen für mich, wie sehr wir Gefangene unseres Systems geworden sind. Es geht im Galaterbrief an dieser Stelle sehr deutlich um praktisches Christsein, um einen Aufruf zur christlichen Freiheit. Ich deute diese Freiheit, dieses Christsein so, dass es nur in den Grenzen gelebt werden kann, in denen ich die Freiheit aller Mitgeschöpfe nicht beschränke/beschneide. Mein Glaube, der in der Liebe tätig ist, endet nicht vor der Artenvielfalt oder vor der Teilhabe aller an allen Ressourcen unserer Erde. Er beginnt gerade dort und lernt somit aus der pandemischen Krise von 2020 auf dem Weg zu einem gesunden und gerechten Leben für alle in der Schöpfung/Natur. „Wo Menschen neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde überall“ (Text: Thomas Laubach. Melodie: Christoph Lehmann)
Daniel 6, 2-6
Wir begegnen einem sehr bildreichen biblischen Buch. Die Szene mit Daniel in der Löwengrube ist allseits bekannt. Sie spielt auf die große Gefahr an und verweist nach der Drangsal auf die Rettung.
Ich stehe nicht in der Gefahr, die momentane Situation 2020 mit diesem Bild zu vergleichen. Mich fasziniert vielmehr, wie sehr Daniel dem in ihm wohnenden Geist Gottes vertraut. Selbst die Anklagenden erkennen dies und zeihen sich für den Moment zurück.
Was würde ich darum geben, wenn wir in der gegenwärtigen Diskussion des Überschreitens der planetarischen Grenzen in so manchen Aktionen, Reden, Gesprächen diesen Geist spüren und/oder hören würden. Ich habe schon einmal auf „erd-verbunden“ in der Pfalz, einer Ökum. Arbeitsgemeinschaft von Ev. Kirche der Pfalz, Bistum Speyer und ACK Südwest hingewiesen. Nach einer LernReise nach Potsdam/Berlin u.a. zum PIK und IASS geht es um einen „Pfälzer Ökumene Prozess im Anthropozän“. Wie Daniel sich vom Geist Gottes getragen weiß, möchte dieser Ökum. Weg aus- und aufbrechen aus den überkommenen Sachzwängen und Lebensgewohnheiten. So würde ich, ausgehend von diesem Bild des Daniel, davon erzählen, wo Menschen auf- und ausbrechen, neu beginnen, ganz neu ... dass Friede werde überall.
Hebräer 7, 23-26
Im Hebräerbrief ist sehr schön erkennbar, wie sich der Blick alttestamentlicher Worte auf Jesus hin öffnet. Jesus erfüllt mit seinem Kommen das Gesetz und damit werden die jüdischen Wege ins Christentum sozusagen hinaus verlängert. Es ändert sich, dass es jetzt nur noch einen Hohepriester, nämlich Jesus, benötigt, um zu Gott zu kommen (V25). Den Christen wird mit der Hingabe Jesu zu seiner Aufgabe sozusagen ein Bild gezeigt, was mit Hingabe alles möglich ist.
Das fordert für mich die Frage heraus, wie uns dieses Bild berührt. Man sagt ja, in einer Krise kommt das Menschlichste zum Vorschein. Was ist von der Liebe, der Hingabe der Christen zu erkennen? Mir würde es in einer Predigt hier nicht um Kritik gehen, auch nicht darum, was alles scheitert, wo wir besser werden müssen/können. Ich würde versuchen, das Bild nachhaltig dahin zu öffnen, wo es uns gelingt, vielfältig, menschen- und naturnahe zu leben. Für mich sind dies Signale, in denen zu erahnen ist, was es bedeuten kann „von der Sünde geschieden“ zu sein (V26). Seinen Ausdruck findet dies zudem im Liedvers: „Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken ... da berühren sich Himmel und Erde ...“ Einen einzigen Hohepriester in Jesus Christus zu wissen, der uns den Weg zu Gott weist, entlastet von aller selbstverliebten Eitelkeit und zeigt, wie es möglich ist, innerhalb der planetarischen Grenzen zu leben. Voller Hingabe würde ich heute keinen Apfelbaum, sondern eine artenvielfältige Blumenwiese pflanzen, Ausdruck eines gesunden Lebens für alle.
Markus 12, 28b-34
Hier wird sehr anschaulich die Erinnerungen an die vollmächtige Verkündigung Jesu mit seiner Leidensgeschichte verbunden. Dies vollzieht sich im Licht der Auferstehung. Und in der berechtigten Frage nach dem höchsten Gebot wird sichtbar, dass es im Grunde darum geht, auf Gott zu hören (Sch´ma Israel).
Und auch hier wird spürbar, wie sehr uns diese Zeit des letzten Jahres und auch 2021 daran erinnert, auf was wir hören: Verschwörungstheorien, Angst-Einreden, Hassparolen ... oder gibt es da doch auch qualitativ andere Stimmen, auf die es zu hören lohnt.
Jemand schrieb mir in den Tagen des „lock down“: „Viele neue Gedanken, Empfindungen und auch Erinnerungen an Werte und Lebensweise, die mir fast verschüttet schienen, tauchen wieder auf. Ich bin dankbar, für mich persönlich, meine Familie und die Arbeit neue Kraft gewinnen zu können.“ Diese Erfahrung hat die Kraft, unser ganzes Leben zu verändern. Nach 2020 zu predigen, bedeutet deswegen für mich, vielfältig, bunt, nachhaltig die verschütteten Hoffnungen wiederaufzunehmen. Wenn ich also versuche, Gott zu lieben, kann ich nicht anders, als auch die zu lieben, die mir bzw. denen ich zum Nächsten werden und geworden sind.
Vergessen und neu beginnen. Wieder denke ich an diesen Pfälzer Ökumenischen Prozess im Anthropozän und seinen Versuch, nachhaltige Akzente zu setzen. Ich könnte mir also gut vorstellen, im Lichte dieses höchsten Gebotes so etwas wie eine Ideenbörse zu starten. An der Stelle, an der dieser Gottesdienst gefeiert wird, könnte sie festhalten, was für Möglichkeiten einer nachhaltigen Gemeinschaft schon da sind, gebraucht werden, entstehen könnten. „Da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns“.
Zusammenfassend
Wenn ich dies schreibe, inspirieren mich die biblischen Worte, weder Vergangenes noch Zukünftiges aus dem Blick zu verlieren. Es ist ein sehr starkes Motiv, dem Glauben zuzutrauen, einen durch gute und auch schwere Zeiten zu begleiten.
Denn, die Einladung zum Glauben, zum praktizierten Christsein, beginnt nicht erst dann, wenn wir miteinander Gemeinschaft teilen. Deutlich wird dies u.a. in dem Lied „Wo Menschen sich vergessen“. Wer angestammte Wege verlässt und z.B. beginnt nachhaltig zu leben, da verändert sich die Welt. Und genau an dieser Stelle geht die Reformation weiter und ist nicht nur ein Datum der Geschichte. Was 2020 dazu führte, die Pandemie einzudämmen, könnte zur Folie werden, wie wir grundsätzlich Gott, den Menschen und unsere Umwelt/Natur/Schöpfung so lieben, dass es auch nach uns noch möglich ist, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. In dieser Hoffnung erwarte ich mit dem Kirchenjahr 2020/21, dem Jahr 2021 eine riesige Einladung zum Glauben, die weit über den Machbarkeitswahn hinausgeht und endlich in einem Prozess mündet, in dem sich Glauben, Gemeinschaft, Zusammenleben achtsam weiter entwickeln.
Detlev Besier, Speyer
Literatur
Die Bibel, dt. Bibelgesellschaft Stuttgart, 1985
U.a. folgende Websides: eucharistie.de; stilkunst.de; erzabtei-beuron.de; katholisch.de; kirchenjahrevangelisch.de; stundenbuch-online.de; bibelkommentare.de/kommentare/galater