Reminiszere / 2. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mk 12,1-12 | Gen 12, 1-4a | 2 Tim 1, 8b-10 | Mt 17, 1-9 |
EKD Reihe V / Predigttext
Markus 12, 1-12 – Trotz allem: Hass mit Güte begegnen!
Mit der Perikopenrevision von 2018 verliert dieser Text seinen Platz als Evangeliumslesung des Sonntages Reminiszere, bleibt aber als Predigttext der Reihe V dem Sonntag zugeordnet. Die inhaltliche Klammer zum 2. Sonntag in der Passionszeit ist die klare Ankündigung seines Todes, den Jesus hier in einem Gleichnis seinen Gesprächspartnern zu Last legt. Interessanterweise überliefert Markus in seinem Evangelium nur dieses eine Gleichnis Jesu nach dessen Einzug in Jerusalem, obwohl er selbst von mehreren Gleichnissen weiß (V 1).
Jesus greift darin das Weinberglied Jesajas auf (Jesaja 5). Mit fünf Tätigkeiten beschreibt er kurz, aber anschaulich, die Mühe und Leidenschaft, die ein Mensch in seinen Weinberg investiert: Er pflanzte den Weinberg, zog einen Zaun um ihn, grub eine Kelter, baute einen Turm und verpachtete ihn schließlich. Diese Liebe und Fürsorge des Weinbergbesitzers klingt auch im Fortgang der Erzählung immer wieder an. Sein sozialer Umgang mit den Pächtern wird z.B. darin deutlich, dass er keinen festen Pachtzins auf den Weinberg fordert, sondern nur seinen Anteil an dem Ertrag. Als dieser ihm vorenthalten wird, reagiert er mit unglaublicher Geduld und Milde. Zahlreiche Boten, die in seinem Auftrag den Weinberg besuchen, werden geschlagen oder gar getötet. Doch weder die Kündigung des Pachtverhältnisses noch ein gewaltsames Eingreifen des Eigentümers sind die Folge. Schließlich wird auch der Sohn des Weinbergbesitzers ein Opfer der feindlichen Haltung der Pächter. Doch nicht nur das, sein Leichnam wird geschändet, indem er unbestattet vor die Mauer des Weinberges geworfen wird. Drastischer konnten die Verhältnisse und Gegensätze nicht beschrieben werden. Wie weit das Gleichnis allegorisch ausgedeutet werden sollte, wird unterschiedlich bewertet. Unbestritten ist, dass der Weinberg Gottes Volk ist, dem er weder Liebe noch Zuneigung schuldig geblieben ist. Die Knechte stehen für die Propheten, die nicht selten ihr mutiges Auftreten mit dem Leben bezahlt haben (vgl. Jer 7, 25-27). Die starrköpfige Haltung der Pächter musste den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten als Gesprächspartner von Jesus (11, 27) unangenehm vertraut vorkommen. Als Weingärtner verweigern sie Gott, was ihm zukommt. Sie werden ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nicht gerecht und werden sogar Mittäter am angekündigten Tod von Jesus. Die Folge ist Gericht. Schuld gebiert Tod, aber der Weinberg wird unter anderer Verantwortung fortbestehen. Das Gleichnis dient Jesus als ein Ruf zur Buße und Umkehr.
Auch wenn das Gericht des Weinbergbesitzers letztendlich gnadenlos erscheint, ist seine vorausgehende Güte und Zuwendung scheinbar grenzenlos. Trotz anzunehmender Ausweglosigkeit sollten sich Friedensbemühungen in Konflikten daran orientieren. Auch wenn sie einseitig angeboten werden, verdienen sie Nachahmung. Ebenso ist die Haltung des Gutsherrn, nur einen Teil des Ertrages von den Pächtern zu verlangen, eine soziale Zuschreibung Gottes. In dem Gleichnis klingt sie fast beiläufig als Haltung an, die Jesus auch von uns fordert.
Katholisches Lesejahr A
Die drei Lesungen der katholischen Lesereihe A verbindet die Verheißung Gottes, die den Glaubenden auf ihrem Weg in unbekanntes Neuland mitgegeben wird. Dem Schritt in die Zukunft, den Menschen täglich neu zu gehen haben und der auch Leiden einschließen kann, geht Gottes Versprechen eines heilvollen und vollendeten Zieles voraus.
1. Lesung
Genesis 12, 1-4a – In Beziehung investieren und Neuland entdecken
Diese Verse sind ein Neuanfang. Nach dem Abschluss der Urgeschichte (Kap. 1-11), in der Urerfahrungen der Menschheit verhandelt werden, setzt Gottes Weg mit den Menschen ein. Hier beginnt, was sich nunmehr bis an das Ende der Heiligen Schrift fortsetzt. Der Gott, der sich Mann und Frau zum Ebenbild geschaffen hat (Gen 1, 27), tritt mit ihnen in Beziehung. Sein Heilsplan, der im Auftrag an Abram einen Anfang nimmt, gilt seinem Volk Israel, seiner nachösterlichen Gemeinde und schließlich allen Menschen. Er will, dass niemand verlorengeht, sondern zum Leben findet (1. Tim 2, 4). Abram glaubt der Verheißung Gottes widerspruchslos. Er verlässt die vertrauten Kreise, die mit drei sich verengenden Worten beschrieben werden (Vaterland, Verwandtschaft, Vaterhaus). Gott weiß um die Bindungskraft der familiären Wurzeln, die damals noch viel stärker als heute gewesen sein mögen. Das Ziel ist ein Land, das Gott Abram zeigen will. Die Verheißung knüpft Gott an das Wort Segen, das nicht weniger als fünfmal variiert wird. Auch wenn der Segen im Alten Testament eine überwiegend „materielle Lebenssteigerung" beinhaltet (G. v. Rad), weißt er weit über Abraham und das aus seinem Samen hervorgehende Volk hinaus. Gott ist Garant für Heil und Leben.
Nachhaltig ist in jedem Fall die Sehnsucht nach Beziehung, die mit dieser Erzählung von Gott in Szene gesetzt wird. Glaube lebt aus Beziehung und zwar nicht nur zwischen Gott und Mensch, sondern auch im Vertrauen unter Menschen. Die Bibel ist reich an Geschichten, in denen um gelingende Beziehungen gerungen wird. Eine weitere Überlegung zur Nachhaltigkeit könnte aber auch mit der Herauslösung aus Vertrautem verbunden sein. Die klassische Antwort, dass etwas schon immer so war, hemmt auch beim Umdenken in der Energiepolitik heutiger Tage. Die Schritte in eine Zukunft, die die Schöpfung bewahrt, sind viel zu zögerlich.
2. Lesung
2. Timotheus 1, 8b-10 – Die Botschaft vom Leben in Leid und Freud
Am Anfang der Passionszeit wird mit Vers 10 an die überwundene Macht des Todes durch Jesus Christus erin-nert. In ähnlicher Weise ist im evangelischen Kirchenjahr dieser Vers als Wochenspruch mit dem 16. Sonntag nach Trinitatis verbunden. Ein halbes Jahr nach Ostern soll der Auferstehungsglaube erinnert und verstärkt werden. Ob in entbehrungsreichen Zeiten oder dann, wenn das Leben auf dem Höhepunkt scheint, sind und bleiben wir auf die Gnade Gottes angewiesen. Nach Luther gibt es zwei Arten von Schuld: die Überheblichkeit und die Verzweiflung. Bei der einen denken wir von uns zu groß, bei der anderen von Gott zu klein1. Der zweite Sonntag in der Passionszeit und der 16. Sonntag nach Trinitatis markieren diese beiden Pole unseres Lebens. In solch einem Spannungsfeld hilft der Hinweis, dass uns allein Gott durch Jesus Christus selig macht, der uns nicht nur vergibt, sondern trotz allem beruft. Für solch einen Gott und seine Diener brauchen wir uns nicht zu schämen. Dazu wird Timotheus im zweiten nach ihm benannten Brief aufgefordert (V. 8). Er soll sich weiter an die ihm überlieferte Lehre halten und das anvertraute kostbare Gut des Evangeliums bewahren.
Mit ihm leben auch wir aus Gnade und Gottes vorausgehender Güte. Die Einsicht, unabhängig eigener Verdienste angenommen und gebraucht zu werden, muss zu einer gewinnenden und nachhaltigen Einstellung gegenüber allem Leben führen.
Evangelium
Matthäus 17, 1-9 – Da berühren sich Himmel und Erde
„Bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist" – Das ist die Perspektive, die von dem Text ausgeht. Von dem Berg der Verklärung aus können wir schon das Osterfest sehen. Der Tag der Auferstehung wird angekündigt, der Sieg des Lebens verheißen. Es ist im Wortsinn eine Gipfelerfahrung, die die drei Jünger machen. Petrus, Jakobus und Johannes werden auserwählt, mit Jesus auf einen Berg zu steigen. Die Zahl der Personen könnte auf die notwendige Zeugenschaft hinweisen (vgl. Deut 19, 15). Es sind jene drei, die Jesus auch für seinen Gebetskampf im Garten Gethsemane auswählt. Berge sind in der Bibel Orte, die näher zu Gott führen. Er scheint greifbar nahe. Die Erfahrungen einer Vision und Audition umschreiben das. Jesus verwandelt sich, er wird verklärt. Der Vorgang scheint unmissverständlich auf seine Auferstehung zu deuten. Darüber hinaus sehen sie Mose und Elia als Repräsentanten der Tora und der Nebiim, Männer des Alten Bundes. Die Wolke verhüllt wie so oft das Göttliche im Nebel. Allein Gottes Stimme ist zu hören. Im Matthäusevangelium gibt es drei Stellen, an denen Jesus so explizit als Sohn Gottes proklamiert wird. Aus dem Munde Gottes selbst geschieht das einmal bei der Taufe Jesu (3, 17) und ein weiteres Mal auf dem Berg der Verklärung (17, 5). Unter dem Kreuz kommt dann schließlich ein heidnischer Hauptmann zu der Erkenntnis: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!" (V. 27, 54) Was einst nur Wenigen verheißen war, erreicht durch das Evangelium auch uns: Gott hat sich zu Jesus bekannt. Jesus ist Gottes geliebter Sohn. Diese Botschaft sollen die drei Auserwählten unter die Menschen tragen, wozu sie wieder in die Tiefen des Alltags steigen müssen. Zu gern hätten sie den Moment festgehalten. Wie sie sehnen sich viele Menschen nach einem solchen Rast- und Ruheort. Doch Gottes Reich ist noch nicht vollendet, aber hier und dort erfahrbar.
Nachhaltig scheint mir in dieser Geschichte der Weg zu Fuß auf den Berg der Verklärung zu sein. Das mag abwegig klingen. Aber immer öfter lese ich von Extremsportlern, die aus purer Selbsterfahrung Bergen, Landschaften und Wäldern Gewalt antun. Oft geht es nur um das eigene Ich. Auf dem Berg der Verklärung ist Jesus der Akteur, der seine Jünger die Erfahrung der Gottesnähe machen lässt, damit sie anderen das Zeugnis des Auferstandenen bringen.
Bernhard Stief, Pfarrer Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Nikolai Leipzig
1: Hertzsch: Klaus-Peter: Wie mein Leben wieder heil werden kann. VELKD, S. 7.