Tag der Geburt / Christfest I / Weihnachten (25.12.12)

Tag der Geburt

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
am Morgen:  Jes 62, 11-12 Tit 3, 4-7 Lk 2, 15-20
Joh 3, 31-36 am Tag:  Jes 52, 7-10 Hebr 1, 1-6 Joh 1, 1-18

Evang. Predigttext: Joh 3, 31-36

Diese Rede von Johannes der Täufer erscheint ziemlich theoretisch und verkopft. Klar ist, er differenziert zwischen himmlisch und irdisch, Gottes Welt und der Menschen Welt mit ihrer je eigenen Logik. Einerseits: Gott existiert. Andererseits: Die Realität sagt mir etwas anderes. Das ist nicht miteinander zu verbinden.
Einen Weg aber sieht Johannes in V 33: Wer das Zeugnis Jesu Christi annimmt, der beglaubigt dadurch die Existenz Gottes.
Ganz konkret heißt das: An mir, an meiner Ausstrahlung, an meinem Verhalten, an meiner Existenz kann für andere wie mit einem öffentlichen Siegelabdruck Gottes Existenz sichtbar, erfahrbar, konkret werden. Das ist Aufgabe und Geschenk gleichzeitig. Und nur so wird Gott Mensch. Frohe Weihnachten!

Zur Anregung hierzu noch zwei Texte:

„Ein Lehrer stand in der Klasse und fragte: „Seht ihr die Tafel?" „Ja", sagten diese. „Dann – so antwortete der Lehrer, „existiert die Tafel". „Seht ihr den Tisch?" – „Ja." – „Also existiert der Tisch. Seht ihr den Fußboden?" – „Ja." – „Also existiert der Fußboden. Seht ihr Gott?" – „Nein." – „Also existiert Gott nicht."
Da stand eine Schülerin auf und fragte: „Seht ihr den Verstand des Lehrers?" - „Nein." – „Dann existiert also der Verstand des Lehrers nicht."

„Die einzige Weise, mit Sicherheit zu erkennen, wie wir zu Gott stehen, liegt darin, alle unsere menschlichen Beziehungen zusammen zu nehmen und anzuschauen. Was in diesen Beziehungen vorhanden ist, das ist auch in unserer Beziehung zu Gott vorhanden.
Noch konkreter ausgedrückt: Wenn ich in meinem Leben z.B. zu 100 Menschen in Beziehung stehe, 20 davon wirklich mag, 20 ablehne, und mit 60 eine relativ „normale" aber auch oberflächliche Beziehung lebe, dann verhält es sich mit Gott so, dass sich in dieser Beziehung 20 % Liebe, 20 % Gottesablehnung und 60 % Oberflächlichkeit beziehungsweise Beziehungsnormalität manifestiert.
Das äußert sich so, dass die Existenz Gottes mir zwar in diesen 60% fraglos ist, ich ihn aber so entfernt erfahre, dass er in meinem Leben praktisch abwesend ist.
Solange ich einen einzigen Menschen gering schätze, verachte ich auch Gott."

Franz Jalics, Kontemplative Exerzitien, Würzburg 1998, S. 62.

Kath. Leseordnung "Am Morgen":
1. Lesung: Jes 62, 11-12, 2. Lesung: Tit 3,4-7, Evangelium: Lk 2,15-20

Der erste Satz der zweiten Lesung deutet auf wunderbare Weise, was wir an Weihnachten feiern: „Als die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters erschien, hat er uns gerettet – nicht weil wir Werke vollbracht hätten, sondern aufgrund seines Erbarmens."
Manchmal ist hilfreich sich diese Eigenschaften Gottes ganz konkret vorzustellen, um eine Wahrnehmung dafür zu bekommen, wie Gott für mich ist. Sie sind eingeladen zu einer kleinen Phantasieübung.
Güte ... vielleicht ist das ein altes Wort für sie. Vielleicht aber fällt ihnen eine Person ein, die Güte für Sie ausstrahlt? In manchen Übersetzungen kann man hier auch lesen „Freundlichkeit". Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie Güte oder einfach Freundlichkeit erleben durften. Wo genau war das? Wie hat es sich angefühlt? ...
Menschenliebe ... erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie tief spürten, ich werde geliebt, ... malen Sie es sich aus, holen Sie die Gefühle und Erfahrung ganz zu sich.
Erbarmen ... biblisch ist das Wort Erbarmen eng mit „Mutterschoß" und „Gebärmutter" verbunden. Tiefe Geborgenheit, ... Zuwendung ohne Bedingung, ... vielleicht Mutterliebe, oder Vaterliebe, die ich erfahren habe ... holen Sie auch dieses Gefühl nah zu sich, lassen Sie es sich in Ihnen ausbreiten.

Kath. leseordnung "Am Tag":
1. Lesung: Jes 52, 7-10; 2. Lesung: Hebr 1, 1-6; Evangelium: Joh 1, 1-18

In Joh 1,16 heißt es: Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade!
Wir haben empfangen, das ist im Perfekt formuliert – ein Zustand, der immer noch anhält. Nicht etwas, das in der Zukunft liegt, oder das wir verdienen müssten, oder das nur unter bestimmten Bedingungen aufrechterhalten wird. Ein Text von Jörg Zink beschreibt, was mit Gnade gemeint sein könnte:

Ich wünsche dir nicht ein Leben ohne Entbehrung, ein Leben ohne Schmerz, ein Leben ohne Störung. Was solltest du tun mit einem solchen Leben?

Ich wünsche dir aber, dass du bewahrt sein mögest an Leib und Seele. Dass dich einer trägt und schützt und dich durch alles, was dir geschieht, deinem Ziel entgegenführt.

Dass du unberührt bleiben mögest von Trauer, unberührt vom Schicksal anderer Menschen, das wünsche ich dir nicht. So unbedacht soll man nicht wünschen.

Ich wünsche dir aber, dass dich immer wieder etwas berührt, das ich dir nicht beschreiben kann. Es heißt Gnade.
Es ist ein altes Wort, aber wer sie erfährt, für den ist sie wie ein Morgenlicht.

Man kann sie nicht wollen und erzwingen, aber wenn sie dich berührt, dann weißt du: Es ist gut.

Jörg Zink

Dr. Katrin Brockmöller