Tag der Geburt Christi / Christfest I / Weihnachten (25.12.14)
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 2, 1-14 (15-20) | am Morgen: Jes 62, 11-12 am Tag: Jes 52, 7-10 |
am Morgen: Tit 3, 4-7 am Tag: Hebr 1, 1-6 |
am Morgen: Lk 2, 15-20 am Tag: Joh 1, 1-18 |
Die Texte für das Christfest sind allesamt zentrale christologische Texte. Es geht ihnen darum, die Einzigartigkeit Jesus von Nazareth und vor allem die Einzigartigkeit seines Verhältnisses zu Gott herauszustellen. Besonders eindrucksvoll geschieht dies im ersten Kapitel des Hebräerbriefes, in dem eine Reihe Texte aus der Heiligen Schrift der Juden damit auch der ersten Christen zitiert werden, die helfen sollen, diese Einzigartigkeit Jesus zu verstehen. Das Thema des Christfestes ist nicht die Nachhaltigkeit. Es hat keine primär ethische Botschaft. Auch die Texte des heutigen Tages bieten keine direkten Ansatzpunkte, um das Thema Nachhaltigkeit aufzugreifen. Erst recht nicht führen sie es fort. Das heißt jedoch nicht, dass die zentrale Botschaft des Christfestes nicht in die Frage der Nachhaltigkeit hineinspielt.
Die Botschaft des Christfestes ist die von der Versöhnung Gottes mit den Menschen in den unterschiedlichen Varianten und Sichtweisen der biblischen Schriften. Gott ist uns in unvergleichlicher Weise nahe gekommen in dem Menschen, dessen Geburt wir an diesem Tag feiern. Damit ist deutlich geworden, dass uns nichts mehr von der Liebe Gottes trennen kann. Im Reden und Handeln, im Leben und Wirken Jesu ist das erfahrbar geworden, was wir im Reich Gottes erwarten dürfen. Damit ist das Leben und Handeln Jesu zugleich auch der Grund der Hoffnung, die uns durch Erfahrungen der Gottesferne, der Sünde, der Verzweiflung und der Hilflosigkeit hindurch trägt.
Jesus hat uns gelehrt, unsere Wirklichkeit anders zu sehen, weil er eine andere Wirklichkeit repräsentierte. Wenn wir uns als Menschen erfahren, die nicht anders leben können als auf Kosten anderen Lebens, wenn wir die Natur als vom Grundsatz des „Tötens um zu leben“ durchzogen sehen, so lebt uns Jesus als der Christus eine andere Wirklichkeit vor und stellt sie uns zugleich als das Ziel Gottes mit seiner Welt in Aussicht. Es geht auch anders, als es derzeit geht. Das ist sowohl die ethische als auch die soteriologische Botschaft Jesu.
Damit stellt er unser Leben auf eine neue Basis. Gott überwindet, was Gott und Mensch trennt. Gott versöhnt sich mit seinen Menschen – und nun kann sich der mit Gott versöhnte Mensch auch mit seinen Mitgeschöpfen, der Erde, den Tieren und den Pflanzen versöhnen. Der mit Gott versöhnte Mensch erkennt, dass es auch anders gehen kann, als es bisher ging. Der mit Gott versöhnte Mensch wird sich darum bemühen, dass es anders geht, als es bisher ging.
Leben auf dieser Erde ist immer Leben auf Kosten anderen Lebens. Dieses Grundprinzip wird in seiner scheinbaren Unabänderlichkeit in Frage gestellt – wenn auch unter eschatologischem Horizont. Aber so wie mit Jesus das Reich Gottes mitten unter uns war, so bitten wir darum, dass dies immer wieder geschehe, und wir versuchen unser Leben an den Maßstäben des Reiches Gottes auszurichten. Der mit Gott versöhnte Mensch wird sich seiner Verantwortung für die Mitgeschöpfe und damit auch für die anderen Menschen bewusst.
Am deutlichsten pointiert dies das Johannesevangelium, das überhaupt gerne Licht und Dunkel einander gegenüber stellt. So auch im sogenannten Prolog des Johannesevangeliums Joh 1, 1 – 18. Deutlich und abgrenzend wird unterschieden zwischen denen, die ihn aufnehmen, als er in das Seine kam und denen, die ihn nicht aufnahmen (Verse 11f). Jesus aufnehmen oder Jesus nicht aufnehmen wirkt sich auf den zukünftig praktizierten Lebensstil aus und damit auch auf die Nachhaltigkeit dieses Lebensstils. Ein nicht nachhaltiger Lebensstil ist kein jesuanischer Lebensstil.
Dabei ist im Blick zu behalten, dass Nachhaltigkeit eine Herausforderung unserer Zeit ist, die zur Zeit Jesu nicht die Rolle spielte, die sie heute spielt. Wir wissen von bis heute nachwirkendem antikem Raubbau an der Natur. Vermutlich geht es auf uns Menschen zurück, dass der einst bewaldete Gürtel um das Mittelmeer heute an vielen Stellen verkarsteten Landschaften gewichen ist. Dennoch hatte damals die Herrschaft des Menschen über die Natur noch lange nicht das Maß angenommen, das sie heute hat – mit den entsprechenden Folgen und Gefahren. Nachhaltig leben ist heute eine Form der Umkehr, der Buße, die zur zentralen Botschaft dessen gehörte, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern.
Dennoch passt das Thema Nachhaltigkeit mit seiner fordernden Seite nicht zum Charakter des Weihnachtsfestes. Nachhaltigkeit hat aber auch eine verheißende Perspektive. Nachhaltiger Lebensstil eröffnet die Perspektive auf das Reich Gottes und ist heute schon das Kennzeichen eines neuen Lebensstils.
Deshalb wäre es nicht menschenfreundlich im Sinne des menschenfreundlichen Gottes, die der Nachhaltigkeit entgegenstehenden Aspekte unsrer Art und Weise Weihnachten zu feiern in den Predigten und Ansprachen zum Christfest zu thematisieren. Die unnötigen Geschenke, mit denen nicht nur Kinder überhäuft werden und die eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen bedeuten, werden auch außerhalb unserer Gottesdienste alljährlich in der Vorweihnachtszeit im privaten Gespräch und in den Medien thematisiert. Der Überfluss, den wir zu Weihnachten zelebrieren, schmälert nicht nur unsere Achtung von den Schöpfungsgaben, sondern er geht nach wie vor zu Lasten anderer.
Weihnachten aber ist ein Fest der Verheißungen. Das Fest mit Hilfe dessen wir im Übrigen uns traditionell auch unserer Beziehungen vergewissern, Familen- und Freundschaftsbande nachhaltig zu gestalten versuchen. Es ist aber vor allem das Fest der Verheißung eines neuen Verhältnisses von uns Menschen zu Gott und der Verheißung seiner neuen Welt, in der Nachhaltigkeit ein Thema sein wird, das sich erledigt hat, weil sie nicht mehr in Frage steht.
Dr. Michael Gärtner