vorletzter Sonntag im Kirchenjahr / 33. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Offb 2, 8-11 | Dan 12, 1-3 | Hebr 10, 11-14.18 | Mk 13, 24-32 |
Stellung im Kirchenjahr
Die Schriftlesungen am Ende des Kirchenjahres sind durchweg eschatologisch geprägt und enthalten entsprechend starke moralische Impulse. Statt billiger Vertröstung auf ein heimeliges Jenseits zu bieten, rütteln die Bilder von Katastrophen zur Umkehr auf, sowohl im Denken als auch im Handeln. Szenen von Lüge und Gewalt, aber auch die Mahnung zum Frieden könnten verbunden werden mit der Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs am 11.11.1918 oder die Einrichtung des Tribunals für das ehemalige Jugoslawien am 17.11.1992 in Den Haag.
Exegetische Anmerkungen und Bezüge zur Nachhaltigkeit
Offb 2,8-11
Dass der Autor, vertraut mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Hintergründen, gerade sieben Sendschreiben übermittelt, weist auf die Repräsentanzfunktion der Gemeinden hin, die letztlich eine universale Leserschaft bezeichnen. Das Schreiben an die Gemeinde in Smyrna (heute Izmir) fordert die Adressaten eindringlich dazu auf, aufmerksam für die Botschaft Gottes zu sein (V. 10f), der um die Bedrängnis und Armut der Menschen weiß (V. 9). Die Erfahrung von Not führe den Glaubenden dabei u innerer Beständigkeit und Wahrhaftigkeit, die sein Engagement zur Überwindung des Leidens im Kontext der eschatologischen Vollendung stütze (V. 10).
Dan 12,1-3
Mit Beginn von Kap. 12 wendet der Betrachter seinen Blick zum Himmel, von woher er - auch und gerade in der tiefsten Krise der Welt – die Rettung erwartet. Er lobt dabei die Verständigen, d.h. Menschen, die die Zeichen der Zeit richtig gedeutet haben, sowie jene, die andere zum rechten Tun angeleitet haben. Indem er für sie seine Hoffnung auf Auferstehung bekennt, greift der Autor auch die Theodizeefrage auf, die sich im Hinblick auf die Religionsverfolgungen unter Antiochus im zweiten Jahrhundert vor Christus erhebt und die Frage nach Gottes Gerechtigkeit akut werden lässt.
Mk 13,24-32
Im Kontext von Jesu apokalyptischer Unterweisungsrede (13,5b-37) greift die Perikope in VV. 24f die vorausgehende Schilderung der sich steigernden Bedrängnis auf, die sich in tiefgreifenden Erschütterungen und Zeiten der Not äußert. Mit den Mahnungen zur aufmerksamen Beobachtung von Natur und weiteren Zeichen der Zeit drängt Jesus auf den bewussten Einsatz von Sinnen und Verstand (VV. 28f). So nur lerne der Mensch die angemessene Demut Gott und seiner Welt gegenüber, für die er zwar Verantwortung trägt, die aber letztlich seiner Verfügung entzogen ist (VV. 26f.30-32)
Predigtskizze
Ausgangspunkt von Predigten – römisch-katholisch über Dan und Mk, protestantisch über Offb - könnte die Feststellung und Diagnose aktueller Krisenphänomene im sozialen, ökologischen sowie wertebezogenen Kontext sein, die aber nicht Grund zur Panik böten, sondern dazu mahnten, die Prozesse in Gesellschaft und Schöpfung überhaupt sehr aufmerksam, vor allem rational zu verfolgen. Daraus ergäbe sich die Forderung nach guter bzw. besserer Bildung zur Vermeidung, Milderung oder Überwindung von Notzeiten, aber auch nach bewusst gelebtem Glauben, der unsere innere Beständigkeit fördert und im Bewusstsein der eschatologischen Vollendung nicht vertröstet, sondern aller Bedrängnis zum Trotz zu engagiertem Handeln motiviert.
Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte
1. Innere Beständigkeit als Grundhaltung nachhaltigen Engagements (Offb, Mk)
Wir müssen uns auf eine lange Notzeit einstellen und uns darüber klar sein, daß wir an vielem, was wir als Mißstand empfinden, nichts ändern können. Aber wir brauchen nicht zu verzweifeln, weil uns eine Fülle unversieglicher Quellen geistigen Lebens zur Verfügung stehen. (…) Es ist eine große Aufgabe, die vor uns steht: das Letzte hergeben, was uns an materiellen Mitteln entbehrlich ist, neue Wege zu bahnen und Menschen, die mutlos und verbittert sind, aufzumuntern, daß sie Mut und Vertrauen fassen und fähig werden, diese neuen gebahnten Wege zu gehen. Eine so große Aufgabe, daß unser eigener Mut versagen müßte, wenn wir darauf angewiesen wären, sie aus eigener Kraft zu leisten. Aber das brauchen wir nicht.
Edith Stein: Notzeit und Bildung (18. Mai 1932), in: Edith Stein Gesamtausgabe 26 (2001) 131f.136.
2. Aufmerksamkeit für die Zeichen der Zeit (Dan, Mk)
Wenn sich die Frage stellt, wozu eine ungewisse Zukunft dienen kann, warum wir nicht in der Lage sind zu sehen, was kommt, um uns darauf vorzubereiten, muss die Antwort sein, dass nur die Bereitschaft, die Zukunft anzugehen, uns dazu befähigen kann, ein Teil von uns zu werden, ein Teil, von dem wir zuvor gar nicht wussten, dass wir uns dazu entfalten könnten.
Die Zukunft ist, was einer Person ihre volle Persönlichkeit schenken kann, gerade wenn es doch so einfach ist, in den Kokon aus dem zu schlüpfen, wie es schon immer war, wie wir immer waren, und uns damit vor den Anforderungen des Lebens zu verstecken – ein Kind alleine groß zu ziehen, sich neu bewusst zu werden, dass wir mehr sind als unser physischer Körper, uns neuen Zeiten und neuen Orten und neuen Menschen und neuen Bedrohungen unserer Psyche und unserer Seele zu stellen.
In all dem zeigt sich, dass die Zukunft letztlich die einzige sichere Glaubensprobe ist, die sich uns allen stellt. Der Glaube ist die Bereitschaft, daran zu glauben, dass wie dunkel die Gegenwart auch sein möge, Gottes Zukunft es einfach gut mit uns meint: in der Herausforderung eines muslimischen Gefangenen in Guantanamo zu glauben, dass Gott ihn am Ende erhältund die Gerechtigkeit sich durchsetzt. Es ist die Herausforderung eines jungen amerikanischen Soldaten im Irak, den Mut zu haben, nicht zu werden, was der Krieg will – verrückt und gemein und unmenschlich – trotz aller Ängste und Bedrohungen. Es ist die Herausforderung der Überlebenden zu glauben, dass Gott uns alle aus diesem Tal des Todes herausführen wird, um neu zu leben.
Joan Chittister: For all thathasbeen, Thanks. Norwich: Canterbury Press, 2010, 179 (Übers. J. Feldes).
3. Bildung als Instrument zur Vermeidung bzw. Überwindung von Notzeiten (Offb, Dan, Mk)
In Pakistan gibt es zahlreiche Angehörige von Minderheiten wie Christen und Hindus, die sich in quasi vererbter Sklaverei befinden und die daraus entsteht, dass Menschen ihre Schulden nicht bezahlen können. Aufgrund ihres Analphabetismus sind nicht in der Lage ihre Schulden zu berechnen, was andere ausnutzen, indem sie ihre Schulden erhöhen und ihre Kinder zur Arbeit zwingen, bis die Schulden abbezahlen wären (was in sehr vielen Fällen aber nie geschieht.
„The Miracle School“, unterstützt von AnglicanAid, versucht in Lahore den Teufelskreis vererbter Sklaverei zu durchbrechen, indem 600 Kindern vor Ort kostenlose Bildung ermöglicht wird. In vielen Familien werden diese Kinder die ersten mit Schulbildung sein.
Mehr auf: https://anglicanaid.org.au/projects/miracle-school
Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim
Literatur:
Albani, Matthias: Daniel. Traumdeuter und Endzeitprophet = Biblische Gestalten 21. Leipzig, 2010.
Eckey, Wilfried: Das Markusevangelium. Orientierung am Weg Jesu. Neukirchen-Vluyn, 20082
Gradl, Hans-Georg: Buch und Offenbarung. Medien und Medialität der Johannesapokalypse = Herders Biblische Studien 75, Freiburg im Brsg. 2014