In vielen Regionen der Erde ist Wasser knapp, allein klimatisch oder geografisch bedingt. Das ist allgemein bekannt, aber nicht der Grund, dieses Thema unter "bedrohte Freiheit" hier anzusprechen.
Die Bewohner haben sich arrangiert und ihren Lebensstil über Jahrhunderte den natürlichen Gegebenheiten angepasst. Der Klimawandel verschärft den Wassermangel drastisch.
Die neue Aktion von Brot für die Welt für das Kirchenjahr 2017/18, "Wasser für alle", zeigt in besonderer Weise, wie Freiheit für andere bedroht wird oder verloren geht, weil wir uns zu viel davon "herausnehmen".
Wasser für alle: ein zentrales Merkmal der bedrohten Freiheit
Wasser ist in vielen Ländern ein kostbares und knappes Gut. Anders als bei uns im Mitteleuropa ist der sorgsame und verantwortungsvolle Umgang damit in diesen Ländern und Regionen überlebensnotwendig. Brot für die Welt greift diese Tatsache mit der Aktion "Wasser für alle" im Kirchenjahr 2017/18 auf und versucht, Not zu überwinden und strukturell zu helfen.
1. "Normaler" Wassermangel
Es gibt Regionen auf der Erde, in denen ist das Wasser naturbedingt knapp. Ein Extremfall sind die Wüsten, aber auch da gibt es Leben und leben Menschen, die gelernt haben, sich mit den besonderen Umständen zu arrangieren. Sie haben ihre Lebens- und Wirtschaftsstile den Gegebenheiten der Natur angepasst und sind wegen der Wasserknappheit nicht automatisch unglücklich. Sie haben Technologien entwickelt, um das wenige Wasser für sich zu nutzen und dennoch in Würde zu leben. Die Menschen in den Industriestaaten haben ihren Lebenstil dagegen an das Vorhandensein von Supermärkten angepasst - und sind dadurch nicht zwangsläufig mehr oder weniger glücklich.
Ein beeindruckendes Beispiel für den angepassten Umgang mit Wasserknappheit ist der Namib-Wüstenkäfer (oder auch Stenocara-Käfer, Nebeltrinker-Käfer oder Onymacris unguicularis). Er klettert nachts auf Dünenkämme und stellt seinen dunklen Körper schräg nach oben. Durch die klare Nacht kühlt die dunkle Oberfläche ab, und darauf bildet sich feines Kondenswasser. Das Wasser bildet feinste Perlen, die sich auf dem Rücken sammeln und zur Mundöffnung abfließen. Ein Tropfen genügt zum Überleben.
2. Zusätzlicher Wassermangel als Folge von Klimawandel und Welthandel
Anpassungsstrategien brauchen Zeit, bis sie funktionieren. Bei Beduinenstämmen ist es das Generationenwissen, das das Überleben ermöglicht. Es liegt auf der Hand, dass jemand, der ohne dieses Wissen durch die Wüste zieht, vermutlich bald verdurstet. Klimawandel und Welthandel beeinflussen den Wasserhaushalt mancher Gegenden gegenwärtig schneller, als es die Anpassungsstrategien kompensieren können. Es kommt zu massiver Abhängigkeit und Not und zu einem Mangel an sauberem, gesundheitsverträglichem Wasser, die schneller voranschreiten. Die Freiheit, Lebenszusammenhänge zu gestalten, ist durch Klimawandel und Welthandel bedroht. Sie überfordern regionale Ressourcen zur Teilhabe und Mitgestaltung im eigenen Land.
Brot für die Welt hilft im aktuellen Kirchenjahr mit der Aktion "Wasser für alle!", durch Information und technische Hilfen die Partizipation zu ermöglichen bzw. verbessern - Verantwortung und Mitgestaltung zurückzugeben und auf die wahren Ursachen aufmerksam zu machen.
3. Wasserstreit von Staaten - "alles fließt", - besonders das Wasser
Bedrohte Freiheit im Zusammenhang mit Wasser ist auch mit dem Lauf von Flüssen verbunden, die durch mehrere Staaten oder Regionen fließen. Entzweiende kritische Aspekte sind die Wasserqualität (Einleitung von giftigen Substanzen und Schmutz) und die Entnahme von Wasser (Wassermenge). Die Problemlage wird in der Brot für die Welt-Broschüre "Die Welt im Wasserstress" (PDF-Datei, 13 MB) in Kapitel 8 anschaulich am Beispiel des Nils und seiner Anrainerstaaten und anderer Beispiele aufgezeigt.
Die jährlichen und jahreszeitlichen Wassermengen bleiben konstant, aber der Druck auf die Ressourcen vergrößert sich durch intensive(re) Nutzung und neue Begehrlichkeiten. Im Falle des Nils bestehen Verträge noch aus den Kolonialzeiten, die Ägypten und den Sudan gegenüber den anderen Staaten am Oberlauf massiv begünstigen. Die Verträge unterminieren Mitgestaltungs- und Mitsprachemöglichkeiten der inzwischen unabhängig gewordenen Staaten und stellen so implizit eine Fortsetzung des früheren Kolonialismus dar.
4. Unser (christliches) Engagement in "gemäßigten Breiten"
Um eines vorwegzunehmen: Das Wasser, das wir in Europa "sparen", kommt nicht unmittelbar einer Familie in Afrika zugute! Wenn wir die Spartaste betätigen, ist in Afrika (oder in Ägypten, Pakistan, Indien ...) nicht mehr Wasser verfügbar. Die einfache Logik behält Recht, aber die Zusammenhänge sind komplizierter. Die kritischen Punkte sind virtuelle Wasserimporte aus wasserarmen Ländern in Form von Baumwolle, Rindfleisch oder Energie. Für eine Baumwolljeans werden 11.000 Liter Wasser benötigt, für 1 kg Rindfleisch 15.500 Liter.
Warum trotzdem ein Zusammenhang besteht, und worin er besteht:
- Energieexporte über "Energiepflanzen" (z.B. Mais) bedeuten massive Wasserverluste für die Anbauländern
- Baumwolltextilien und -bekleidung (Welthandel) entziehen Ländern mit wenig natürlichem Regenwasser Lebensgrundlagen, da das Wasser aus Seen, Flüssen und Grundwasservorkommen entnommen wird.
- Rindfleischproduktion und -farmen sind von internationalem Geld - Nachfrage - gespeiste, virtuelle Wasserexporte
Andere (Industriestaaten-) Aspekte:
- Achtung vor dem Trinkwasser als Lebensressource (↔ westl. Lebensstil als Botschaft; spirituelle Dimension)
- Trinkwasser wird zu ungenießbarem Salzwasser: der planetare Kreislauf
- Gletschervorräte verschwinden irreversibel (↔ Bewusstsein, Entschleunigung)
Resümee:
Zunehmende Wasserknappheit in vielen Ländern der Erde ist zwar zuerst "deren" Problem, allerdings nicht aus christlicher Perspektive. Es wird durch Lebensstil und überbordenden Konsum in den Industriestaaten aufgeworfen. Die Phänomene sind Klimawandel (Energieverbrauch / induzierte globale Nachfrage) und der Welthandel (Nachfrage von Massenprodukten aus Ländern mit billigen Arbeitskräften, Korruption und niedrigen Umweltstandards).
Beides bedroht in globalem Maßstab die Freiheit, indem Anpassungsstrategien - systematisch und gerechtigkeitsblind - überfordert werden.
Reflexion auf den eigenen Lebensstil, Erkennen der Zusammenhänge, Bekämpfen und Sanktionieren von Korruption und direkte Hilfe sind gefordert. Wichtig ist die Herstellung von Öffentlichkeit durch Engagement in entsprechenden Projekten einschlägiger Hilfsorganisationen.