1. Advent 2014
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mt 21, 1-9 | Jes 63, 16b-17.19b; 64, 3-7 | 1 Kor 1, 3-9 | Mk 13, 33-37 oder Mk 13, 24-37 |
Predigtsituation - Kirchenjahreszeit
Mit diesem Sonntag beginnt das neue Kirchenjahr. Die Adventszeit ist in vielfältiger Weise eine Zeit der Erinnerung und der Erwartung, der Vorbereitung und der Buße. Sie ist nicht nur Vorbereitungszeit für das Weihnachtsfest, sondern auch auf die Wiederkunft Christi. Dass die Adventszeit eine Fastenzeit ist, ist heute angesichts adventlicher Gebäckberge überwiegend in Vergessenheit geraten. Es würde sich lohnen, - auch im Sinne nachhaltiger Interpretation - dieses Verständnis wieder zu entdecken.
Am 1. Adventsonntag wird in jedem Jahr die Aktion „Brot für die Welt“ eröffnet, in diesem Jahr zu dem Thema „Satt ist nicht genug – Mangelernährung“. Sie weist darauf hin, dass weltweit jeder dritte Mensch mangelernährt ist. Der Zusammenhang von Advent - Buße – Fastenzeit – Ernährung und Lebensmittelproduktion kann in der Predigt angesprochen werden.
Matthäus 21, 1-9
Exegetische Überlegungen
Matthäus 21, der Einzug Jesu in Jerusalem, streicht das königliche Amt Christi heraus, Jesus, der als eigentlicher Herrscher kommt. Ein Gegenbild zu den Herrschern dieser Welt, nach der Verheißung Sacharja 9,9 ein sanftmütiger Herrscher, ein Friedensbringer, wie das Volk ihn erhofft.
Predigtgedanken
Die Predigt könnte eine Reflexion über Herrschaft und Macht anstoßen: Jesus, der mit seinem sanftmütigen und friedfertigen Einzug nach Jerusalem ein Gegenbild zu martialischen Triumphzügen darstellt, regt zu Fragen über Mächte und Gewalten in der heutigen Welt an. Welcher Macht möchte ich mein Leben unterstellen? Welche Mächte beherrschen unsere Gesellschaft? Wo folgen wir anderen Mächten als der Jesu Christi?
Jesaja 63, 16b-17.19b; 64,3-7
Exegetische Überlegungen
Die Verse sind Teil eines Klageliedes mit Bitten und Fragen, das aber in einer Heilszusage gipfelt. Betont wird, dass Gott der Vater und Erlöser Israels ist, erhofft wird seine Wiederkunft, vor allem angesichts der zunehmenden Distanz des Volkes von Gott („Warum lässt Du uns, HERR, abirren von Deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir Dich nicht fürchten? Kehr zurück um Deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die Dein Erbe sind!“).
Nachhaltigkeitsbezug
Die Verse stellen die Frage nach dem Abweichen von Gottes Gerechtigkeit in erstaunlicher Aktualität („… unsere Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid …“). Wo Gott nicht mehr als alleiniger Herrscher anerkannt wird, sondern anderen Mächten gefolgt wird, leidet die Gerechtigkeit.
Predigtgedanken
Ich möchte die Frage nach Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen, und die Adventszeit als Zeit der Buße und der Umkehr. Im Sinne der Aktion von Brot für die Welt (und ähnlich Misereor) kann exemplarisch die Frage der Welternährung herangezogen werden: Für den wachsenden Fleischkonsum weltweit wird, z.B. in Argentinien und Brasilien, Soja in gigantischen Mengen produziert, der Amazonas-Regenwald dafür weiter abgeholzt und die Ernährungsgrundlage der lokalen Bevölkerung entzogen. Das Land dient nicht der Ernährung der Menschen, sondern der Gewinnmaximierung im Export. Unser Fleischkonsum in Europa sollte vor diesem Hintergrund hinterfragt werden. Kann die Tradition des Fastens in der Adventszeit nicht durch fleischlose Tage wieder aufleben?
1. Korinther 1, 3-9
Exegetische Überlegungen
„Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“ Gnade und Frieden wünscht Paulus der Gemeinde in Korinth, die Zuwendung Gottes (Charis) und den Schalom Gottes. Der Friede, der von Gott kommt, steht im Kontrast zur Friedenspropaganda für den römischen Frieden, der Pax Romana. Die Pax Romana wurde durch Gewaltausübung über die unterworfenen Völker erreicht. Der Friede Gottes dagegen bedeutet umfassendes Wohlergehen in Gemeinschaft, er orientiert sich am guten Leben der Menschen, nicht an den Interessen politischer Herrschaft. Paulus dankt Gott für den Reichtum der Gemeinde und nennt konkret die Redefähigkeit (logos) und die Erkenntnis (gnosis). Durch Gottes Geistkraft ist der Gemeinde, die doch vorwiegend aus gering gebildeten Menschen bestand, Urteilskraft und Handlungsfähigkeit zugewachsen.
Der Bezug zum Advent ist durch die Naherwartung der Wiederkunft Christi gegeben. Für diese Gemeinde ist dies keine Bedrohung, sondern der ersehnte Tag der Befreiung. „Hier warten Menschen auf die Offenbarung des Messias (1,7), die ein Ende der Gewalt in ihrem Alltag herbeisehnen.“[i]
Predigtgedanken
Das Kommen Christi wird nicht als Bedrohung, sondern als Befreiung erhofft. So möchte ich diesen Text predigen, für eine Gemeinde aus Menschen, die durch Gottes Gnade zur Vernunft und zur Rede befähigt sind. Der Advent ist für viele Menschen wie kaum eine andere Jahreszeit eine Zeit der Besinnung, des Innehaltens und auch der Neuorientierung. Die Frage, was angesichts des Kommens und der Menschwerdung Gottes, wirklich wichtig ist im Leben, möchte ich stellen und Menschen auf der Suche nach Antworten begleiten. Diese Suche ist immer auch eine spirituelle Frage nach dem eigenen Lebensstil und dem eigenen Konsumverhalten. Worin besteht das gute Leben, das buen vivir?[ii] Wie können wir in unserem Leben mehr Gerechtigkeit verwirklichen?
Markus 13, 24-37
Exegetische Überlegungen
Markus 13, ein apokalyptischer Text im Rahmen des Markus-Evangeliums, thematisiert die christliche Naherwartung. Das Kommen des Menschensohnes wird von ungewöhnlichen Naturphänomenen begleitet sein (Feigenbaum, Sonnenfinsternis etc.). Der Text unterstreicht, dass das Reich Gottes unerwartet und überraschend hereinbrechen wird: „Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.“ Allein Gottes Wort wird darin Bestand haben.
Nachhaltigkeitsbezug
Immer wieder wurden apokalyptische Text politisch instrumentalisiert – ein gutes Geschäft, um Menschen Angst zu machen. So wurden apokalyptische Bilder vom amerikanischen Präsidenten Bush verwendet, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen. Gerade dieser Bibeltext sperrt sich gegen jede Instrumentalisierung: Niemand außer Gott selbst kennt den Zeitpunkt des Endes, niemand sollte sich anmaßen, darüber zu spekulieren.
Eine Herausforderung für Christinnen und Christen heute ist die unumstößliche Sicherheit, mit der es heißt: „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Viele von uns setzen sich mit großem Engagement für Klimagerechtigkeit ein, dafür, dass wir Menschen die Welt nicht zerstören. Aber der Text ist keineswegs fatalistisch gemeint – so, als sei alles Engagement ohnehin umsonst und lohne nun nicht mehr. Auch hier gilt: Es ist Gott allein, der Herr über Anfang und Ende ist. Und unsere Aufgabe, dafür zu streiten, dass wir Menschen die Welt nicht vor der Zeit zerstören.
Predigtgedanken
Ich möchte die Zumutung der apokalyptischen Texte auch in unserem deutschen Kontext ernst nehmen. So sehr sie für Menschen, die unter Verfolgung leiden, Hoffnungstexte sind: Sind sie auch für uns Hoffnungstexte? Oder müssen wir das Gericht fürchten? Der Text ruft mich in das Hier und Jetzt, warnt davor, das Leben aufzuschieben. Er fordert mich zu Entscheidungen heraus: Wo stehst Du? Wem gilt Deine Solidarität? Was ist Deine Mission als Christin heute? Wer bedarf Deines Trostes und Deiner Unterstützung? Wo ist es nötig, anzuklagen und wachzurütteln?
Ich möchte der Gemeinde diese Fragen zumuten, weil die Texte sie uns zumuten. Ich nehme den Mut zur Zumutung aus Gottes Versprechen: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.
Heike Koch, Dortmund
[i] Luise Schottroff, Der erste Brief an die Gemeinde in Korinth (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, 7), Stuttgart 2013, 38.
[ii] Martha C. Nussbaum, Gerechtigkeit oder Das gute Leben, Frankfurt 2012(7).