Pfingstsonntag (15.05.2016)

Pfingstsonntag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Apg 2, 1-18 Vorabend: Gen 11, 1-9 od.
Ex 19, 3-8a.16-20b od.
Ez 37, 1-14 od.
Joel 3, 1-5
Tag: Apg 2, 1-11
(V:) Röm 8, 22-27
(T:) Röm 8, 8-17 od.
1 Kor 12, 3b-7.12-13
(V:) Joh 7, 37-39
(T:) Joh 20, 19-23 od.
Joh 14, 15-16.23b-26

Welche Geisteshaltung trennt uns, welcher Geist eint uns – um die gegenwärtigen weltweiten Herausforderungen anzugehen?!
Dieser Frage wird anhand der kontrastierenden Texte 1. Mose 11 und Apostelgeschichte 2 nachgegangen.

1. Mose 11,1-9

Die biblische Geschichte erzählt von menschlicher Hybris, einem gescheitertem Großprojekt  und dem Weg in die Sprachverwirrung.
Die Völker hatten „sich ausgebreitet… auf Erden nach der Sintflut“.(10,32) Aber eine Gruppe, die „im Lande Schinar“ (11,2) eine Bleibe fand, wollte einen Turm bauen: „denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder“. (V4)
Die alttestamentliche Forschung ist sich recht einig, dass es sich in dem Text um eine Ätiologie handelt.1

Alles hatte verheißungsvoll angefangen. Die Menschen waren ein Herz und eine Seele, sprachen eine Sprache und waren geeint auf ein Ziel hin (V3+4). Sie hatten eine Ebene gefunden, in der gut zu wohnen war. Sie hatten Glück und sie wollten ihr Glück in die Hand nehmen. „Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen“. Das war der Baustoff aus dem man Großstädte bauen konnte, schon damals in Babylonien.
Und dann, im Sog des für damalige Verhältnisse Gigantischen, wollten sie ihr Glück noch weiter vorantreiben. Nicht nur eine Stadt, etwas für damalige Verhältnisse Unglaubliches, sollte erbaut werden, sondern auch ein Turm. Nicht irgendeiner - der Turm sollte mit seiner Spitze bis an den Himmel reichen.

Spätestens hier mischen sich zu all den lobenswerten Motiven Übermut und gar Hochmut: Einen Turm zu bauen, dessen Spitze in den Himmel ragt.
Ein herausforderndes, waghalsiges Projekt. Erinnert an den Wettlauf der höchsten Wolkenkratzer heute, sei es der Shanghai Tower in China oder in Dubai der Burj Kahlifa mit 828 m Höhe oder der im Bau befindliche Wolkenkratzer mit dem bezeichnenden Namen Kingdom Tower in Saudi Arabien mit 1.007 m.
Der damalige Turm war kleiner, gewiss. Aber dennoch gewaltig, gut sichtbar.
Wir kommen hier ins Zentrum der Textaussage wenn es da heißt: „Lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen.“

Der Bau eines solchen Turms galt allerdings damals „in Mesopotamien nicht als ein Frevel, sondern im Gegenteil als ein den Göttern wohlgefälliges Werk, weil damit die Verbindung zwischen Himmel und Erde hergestellt wird. … Der Jahwist versieht aber solche Kulturleistungen … mit einem Minuszeichen.“2

Da ist der Haken – das ist der Haken an dem m.E. die ganze Geschichte hängt.
Statt sich weiterhin auf Gott, auf seinen Namen auszurichten, will man sich selber einen Namen machen mit einem Gebäude „dessen Spitze bis an den Himmel reiche“. (V4)
Die Leute wollten sich ein Denkmal setzen. So ein Turm war vielleicht zudem als Sicherheit nötig, um sich in der Weite der Ebene nicht zu verlaufen, als Orientierungsmarke und damit als ausdrucksstarkes Symbol einer cooperative identity.
Eine Frage ist und bleibt aber grundlegend: Aus welcher Motivation heraus geschieht das, aus welchen Erwägungen und Erwartungen?

Die Geschichte vom Turmbau zu Babel erzählt wie ein Projekt - das erste Großprojekt der Menschheit - scheitert: an selbstsüchtigen Motiven und überzogenem Sicherheitsdenken.
Die Folgen waren damals harmlos im Vergleich zu den fatalen Gefahren heutiger Groß- und Risikotechnologien - Eingriffe in das Leben und die natürliche Umwelt, die zu irreversiblen Veränderungen und Schäden führen könnten. Dies gilt umso mehr je stärker Ruhm und Ehre oder einfach großer Profit menschliches Handeln beflügeln – gerade bei Großprojekten.
In dem Moment in dem „ihnen nichts unmöglich sein wird, was sie sich vornehmen“ (V 6), interveniert Gott. Können wir Fehlschläge auch heute in solcher Weise deuten?

Westermann merkt an: „Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, dass in dem Grundmotiv von Gn 11,1-9 die Möglichkeit einer Entwicklung vorausgenommen ist, die sich in einer die ganze Menschheit bestimmenden Weise erst im technischen Zeitalter verwirklichte, die aber ihre Vorläufer in den gewaltigen Bauten der Hochkulturen … hatte.“3
Wo selbst- und eigennützige Motive bestimmend sind, wird man über einen guten Anfang nicht hinauskommen, da wird es zu keinem guten Ende kommen.

Eine ganz andere Perspektive bietet uns die Pfingstgeschichte in Apostelgeschichte 2,1-13, die Erzählung von der Ausgießung des Heiligen Geistes. Bei aller Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Sprachen haben Menschen zueinander gefunden.

Wenn Menschen nicht im eigenen Dunstkreis verbleiben, nicht nur sich selber einen Namen machen wollen, sondern sich von Gott ansprechen lassen, kann daraus eine Kraft erwachsen, die Menschen eint - dann entsteht das, was wir Kirche nennen: Einheit im Geist bei aller Verschiedenheit der Einzelnen. Dann wird man nicht aus falsch verstandenem Ehrgeiz Türme bauen wollen, die bis in den Himmel ragen sollen, dann wird man nicht in Versuchung fallen das ganz große Rad drehen zu wollen, das sich früher oder später etwa als Fehlspekulation und Finanzblase entpuppt.

Voigt nimmt an „Lukas habe eine … Tradition über das erste Auftreten geistbegabter Rede in Jerusalem gekannt und benutzt … indem er die γλωσσαι als Sprachen deutete und aus der Zungenrede eine Predigt an die Völker machte.“4
Das jüdische Fest Schawuot, ursprünglich ein Erntefest mit Erstlingsfrüchten, das sich später zum Erinnerungsfest an die Gabe der Thora am Sinai entwickelte, das ist der Kontext des christlichen Pfingstereignisses. 5

„Was da eigentlich an diesem jüdischen Wochenfest, wohl des Jahres 30, einem Erntedank … genau passiert ist, lässt sich mit letzter Sicherheit nicht mehr ausmachen. Vermutlich handelte es sich um ein glossolales Geschehen …. Zugleich wird dieses ‘Sprachenwunder‘ auch als Hör- und Verstehenswunder geschildert (V 6.8.11).“ 6
„Es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus“ (2,2).

Der Geistwind Gottes wehte so heftig, dass sich die Sache Jesu, die zunächst auf Galiläa lokal begrenzt war, über den ganzen damals bekannten Erdkreis verbreitete. Menschen aller Nationen, die in Jerusalem versammelt waren, spürten die Kraft Gottes und verstanden worum es ging – ein jeder in seiner Sprache.
Daraus ging erstaunliches, ja weltbewegendes hervor. Der Wind des Geistes wehte derart stark, dass die antike Welt in wenigen Jahrhunderten christianisiert wurde. Ein weltweiter Vorgang nach damaligem Verständnis - eine unglaubliche Entwicklung auch aus heutiger Sicht.

Auch wir brauchen ganz gewaltig frischen Wind - angesichts der heutigen Herausforderungen. Frühere Krisen waren auf Regionen, auf Länder oder einzelne Kontinente beschränkt. Der Klimawandel ist die erste planetarische Krise, die die Menschheit zusammen lösen muss – oder daran gemeinsam scheitern wird.
Menschen aller Nationen wurden damals in Jerusalem vom Wind des Geistes geeint, Menschen begriffen worum es ging – ein jeder in seiner Sprache.
Werden wir uns heute als Menschheit einen lassen und die gegenwärtige Situation als Herausforderung begreifen? Ich sehne mich nach diesem Geist, der Verständigung schafft, der uns eine Sprache sprechen lässt – trotz aller Sprachenvielfalt.

Damals in Jerusalem erfasste der frische Wind des Geistes Menschen aller Nationen und ließ die Sache Jesu zu einem globalen Vorgang mutieren. Im Hebräischen bedeutet „ruach“ bekanntlich sowohl Geist als auch Wind. In Jerusalem begann ein neuer Geist zu wehen, ein ganz besonderer Geist, den wir Christen als Heiligen Geist bezeichnen.
Den brauchen wir heute nötiger denn je. Frühere Entwicklungen und Lernprozesse vollzogen sich langsam, in Jahrhunderten. In der heutigen Situation bleibt nach Aussage der Wissenschaftler nur ein Zeitraum von wenigen Jahren, um weltweit und grundlegend umzusteuern. Die Herausforderung war noch nie so groß. Erstmals haben wir als Menschheit gemeinsam eine derartig große Aufgabe und dazu noch in so kurzer Zeit zu meistern.

Sich frischem Wind zu öffnen heißt auch, das zu nutzen, was Gott uns beständig zukommen lässt, etwa in Form von Sonne und Wind. Zu Pfingsten ist dabei vor allem an die Kraft des Windes zu denken, mit dem bei entsprechender Nutzung z. B. vor den Meeresküsten unglaubliche Mengen an Energie gewonnen werden können. Wir sollten uns dem nicht verschließen.
Nur mit frischem Wind in den Köpfen und Herzen werden wir auch die mentalen Blockaden überwinden, um als Menschheit erstmals eine planetarische Krise zu meistern.

Was wird die Kirche dazu beitragen?

Wird sie sich auf ihre Kraftquellen besinnen – sich von dem Wind des Lebens erfassen lassen? Den brauchen wir um unseren Planenten als einen lebensfreundlichen Ort inmitten des Universums zu bewahren.

Als Kirche stehen wir jetzt in der Pflicht dafür einzutreten, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten - damit uns und vor allem späteren Generationen nicht das Lob Gottes im Halse stecken bleibt, angesichts klimatischer Veränderungen in Form von verheerenden Stürmen und Unwettern. Wir brauchen den Wind des Geistes mehr denn je, damit auch weiterhin das Lob Gottes auf diesem Planeten angestimmt werden kann - und das nicht nur zu Pfingsten!...

„Der Pfingstgeist bewirkt eine doxologische Globalisierung“7.

Daher lohnt es sich zu durchdenken wie der Lobpreis unsere Sicht auf die Schöpfung und unseren Umgang mit ihr verändern könnte – und auch sollte!

Röm 8, 18ff

Laut Römer 8,18ff besteht zwischen Mensch und Schöpfung eine Solidar- und Schicksalsgemeinschaft. In guten wie in schlechten Zeiten. Das wird in Römer 8,18ff entfaltet.

Das Seufzen der Schöpfung wird verglichen mit dem Stöhnen einer Frau, die in Geburtswehen liegt: voller Erwartung auf einen neuen Anfang (Vers 22).
Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf uns Menschen - dass wir Menschen durch die Kraft des Geistes zur Herrlichkeit der Kinder Gottes erwachen, geistlich ins Lot gebracht werden. Denn die Folge dessen wird sein, dass die ganze Schöpfung daran Anteil erhalten wird.

Kurz und bündig formuliert das der englische Bischof Wright: “When humans are put right, creation will be put right.“8 Pfingsten als Fest der Ausschüttung des Geistes meint, dass die ganze Schöpfungsfamilie durch uns mitgenommen wird zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Der Pfingstgeist will dazu anstiften.

Andreas Krone

Anmerkungen:

1 Westermann: „Die Erzählung als solche ist eine ätiologische, insofern sie die Vielfalt der Sprachen … und dazu die Zerstreuung der Menschen über die ganze Erde erklären will.“ Biblischer Kommentar, Altes Testament, Genesis, 1. Teilband 1-11, Neukirchen-Vluyn 19833, 736.

2 J. Scharbert, Kommentar zum Alten Testament, Genesis 1-11, Würzburg 19852, 113.

3 Westermann, 737

4 So Haenchen, zitiert nach G. Voigt, Homiletische Auslegung der Predigtexte Reihe II, Göttingen,19852, 265

5 Vgl. R. Pesch, Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament V/1, Die Apostelgeschichte, Neukirchen-Vluyn 1986, 108.

6 H. Geist, in: Meditative Zugänge II 2, Göttingen 1992, 191

7 So bemerkt A. Deeg zutreffend, Göttinger Predigtmeditationen 2010,2, 264

8 N. T. Wright, Jesus is coming – Plant a Tree!, in: The Green Bible, New York 2008, I-75