3. Advent 2014
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mt 11, 2-6 (7-10) | Jes 61, 1-2a.10-11 | 1 Thess 5, 16-24 | Joh 1, 6-8.19-28 |
Vorschläge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): Röm 15,4-13; Lk 3, (1-2)3-14(15-17)18(19-20); Lk 1, 67-79; 1 Kor 4, 1-5 ; Jes 40, 1-11 und Mt 11, 2-10 |
Mt 11, 2-6 (7-10)
Johannes sitzt im Gefängnis und beginnt zu zweifeln, ob er sich für den richtigen Weg entschieden hat. In diesem Text geht es nicht darum, wie wir uns Advent vorstellen. Kein Duft von Glühwein und Gebäck, keine Weihnachtslieder vom Band, keine romantische Weihnachtsmarktkulisse. Stattdessen die Frage des Täufers: Bist du es? Bist du der richtige? Der, auf den es sich zu warten lohnt? Wir fragen ein wenig anders, aber doch ähnlich: Kannst du uns erlösen? Macht es Sinn, dass wir dir nachfolgen, dass wir unser Leben an dir ausrichten? Oder wirst du uns enttäuschen wie so viele andere? Wir erleben so viele in der Politik, in der Werbung und auch in unserem privaten Umfeld, die uns Versprechungen machen, sie aber nicht einhalten. Wird es bei dir anders sein?
Die Frage des Johannes ist unsere Frage! Spannend, dass Jesus sie nicht einfach und direkt beantwortet. Er spricht von den Erfahrungen, die Menschen mit ihm machen, erzählt von Zeichen und Wundern. Das Reich wird sichtbar in der Heilung von Blinden, Lahmen, Tauben und Aussätzigen, in der Auferweckung von Toten und in der Verkündigung des Evangeliums an die Armen.
Kein Grund also, zu zweifeln. Grund vielmehr, neuen Mut zu fassen und der Freude zu trauen über das Heil, das im Kommen ist. So einfach können wir das Glück, die „ewige Freude“ in unserem Alltag nicht erleben. Da treiben uns andere Fragen und Probleme um als die Träume vom Glück einer zukünftigen Welt. Menschen werden krank, müssen ihre Lebensweise völlig umstellen. Ihre Pläne, ihre Perspektive auf das Leben sind dahin.
In diesem Text antwortet Jesus auf diese Frage nicht geradewegs mit einem „Ja, ich bin es“. Jetzt ist alles gut, ihr braucht euch keine Sorgen mehr zu machen. Ich übernehme eure Not, eure Ängste, eure Fehler und bringe das alles für euch in Ordnung. Jesus nimmt uns nicht das Denken ab, nicht das Fühlen, nicht die Entscheidungen – und nicht das Leben, wie es Erich Fried in einem Gedicht formuliert. Was uns dann noch bleiben würde, wäre kein Leben mehr. Jesus gibt. Er gibt sich – in unsere Welt.
„Bist du es, der da kommen soll?“ Die Antwort ist einfach: sieh hin – und frag nicht länger, warte nicht länger. Lebe! Letztlich treffen wir selbst die Entscheidung, ob wir den Blick auf die Lahmen richten, die springen wie ein Hirsch, auf die vom Herrn Befreiten, die heimkehren… oder ob wir Augen und Ohren verschließen, selber taub und blind werden für das Große, das in jenen Tagen geschehen ist und das auch in unseren Tagen geschieht. Das Heil Gottes gilt uns ganz persönlich. Es wird in unserer Gegenwart, in unserem Leben Wirklichkeit.
Jes 61, 1-2a.10-11
Tritojesaja – das Volk Israel ist heimgekehrt aus der babylonischen Gefangenschaft, aber noch ist nichts „wieder gut“. Jerusalem und der Tempel liegen in Trümmern, es herrschen politische Unsicherheit und wirtschaftliche Not. Die Menschen verlieren den Mut, der mit der Heimkehr ins Land in ihnen aufgekeimt ist. Der Prophet spricht in den Versen 1-2a von seinem Auftrag, seiner Botschaft und Sendung. Nicht seine Person steht im Mittelpunkt, sondern die frohe Botschaft, die er dem Volk verkünden soll: Gott kehrt zurück auf den Zion.
Die Verse 10-11 schildern die Antwort der Gemeinde, die sich aus der Gewissheit heraus freut, dass Gottes Wort wirksam ist. Das Heil hüllt sie ein wie ein Mantel oder ein festliches Gewand zur Hochzeit. Wie nah Gott und sein Volk sich sind, wird im Bild von Braut und Bräutigam deutlich.
Wir würden uns wünschen, dass diese Nähe auch unser Leben prägen würde, dass unsere Welt in den Mantel der Gerechtigkeit gehüllt wäre, damit sich – von außen wie auch von innen – das Gesicht der Welt verändern könnte – hin zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Frieden, zu mehr Leben.
Der Text erzählt ein Bild, das unsere Ungeduld ein wenig bremst: wie die Saat wächst und Pflanzen gedeihen, so wird Gottes Reich wachsen. Keine Revolution, kein plötzliches Wunder, sondern das stille, beständige Wachsen, das wir in der Natur beobachten können, entspricht dem Tempo von Gottes Heilswirken.
„Das, was den Menschen froh macht, sind nicht so sehr bestimmte Gegenstände, es ist eine ganz bestimmt Lebensweise, in der sich, die Zustimmung zum Ganzen ausprägt. Um sich richtig an etwas freuen zu können, muss man es gutheißen können dazusein, und das heißt, man muss Vertrauen in den Lebenszusammenhang setzen. Was immer es an Unterhaltung und Vergnügen gibt,, an Lust und Zerstreuung, es ist so weit entfernt von erfüllender Freude, wie diese Hingabe fehlt. Öffnen wir uns aber dem, was unsere Zustimmung will, und bejahen wir es, dann kann uns alles zur Freude werden – Spaß und Spiel, Tanz, Musik, Geselligkeit, ein Blick, ein Mahl, die Blumen und das Meer.
Gewiss gibt es auch dann vieles, das einer Vollendung der Freude im Wege steht. Schwäche und Gewalt, und nicht zuletzt die Zeit mit dieser Vergänglichkeit, die alles bedroht. Aber was uns zugesagt wird in der Freude, es ist immer auch genug, denn es ist voll Verheißung. Mögen wir deshalb noch so viele Gründe haben, raurig zu werden, wir haben immer auch diesen Grund, uns zu freuen. Daran sollten wir denken, dann bleiben wir der Freude fähig.“ (Ulrich Hommes)
1 Thess 5, 16-24
Große Worte, die als Redewendungen ihre Kreise ziehen: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ „Löscht den Geist nicht aus!“ „Gott, der euch beruft, ist treu!“ In unseren Kirchen gibt es einige, den um den Geist fürchten, wenn sie die konkreten Überlegungen und Planungen anschauen, die zur Zeit angestellt werden: große Seelsorgeeinheiten, Regionalverwaltungen, bei denen der einzelne Mensch aus dem Blick gerät und die Struktur über den Inhalt gestellt wird, die Finanzen bestimmen, was in der pastoralen Praxis möglich wird. Aber es gibt auch die, die gern die Treue Gottes betonen und an allem Vertrauten, allen Traditionen, ganz treu festhalten wollen. Nur keine Veränderungen, das könnte gefährlich werden – vor allem für das eigene gewohnte Leben, in dem wir uns eingerichtet haben.
Der Satz „Prüft alles und behaltet das Gute!“ zeigt auf, dass die verschiedenen Haltungen durchaus ihre Berechtigung haben, dass es Sinn macht, sie alle zu bedenken – und zu sehen, welcher Weg zur Freiheit führt – die ein Zeichen von Gottes Geistkraft ist. Kritik ist wichtig, aber sie hilft nur weiter, wenn sie klar und deutlich am rechten Ort und zur rechten Zeit geäußert wird. Nörgelei im stillen Kämmerlein oder im kleinen Kreis bringt keine Veränderung in die aktuellen Beratungen und Prozesse. Und dem kritischen Blick wie auch der kritischen Äußerung müssen auch Taten folgen: es braucht die Bereitschaft, sich für den neuen Weg einzusetzen, aktiv zu werden im Sinne dessen, was wir als „Gutes“ erkannt haben.
Das Böse in jeder Gestalt meiden – das wird uns kaum gelingen, immerhin tragen wir es auch in uns. Aber für alles, was wir erleben, für alles, was ist, dankbar sein, weil es das Beste ist – in diese Haltung können wir langsam hineinwachsen. Und die Grundhaltung der Dankbarkeit wird uns verändern – und auch die Welt, in der wir leben.
Maßvoll: “Soll man jemand einen Rock zuschneiden, so muss man ihn nach seinem Maß machen; und der dem einen passte, der passte dem andern gar nicht. Man nimmt einem jeglichen so Maß, wie’s ihm passt. So auch gibt Gott einem jeglichen das Allerbeste nach dem, wie er erkennt, dass es das ihm Gemäßeste ist.“
(Meister Eckhart)
Joh 1, 6-8.19-28
Fragen, die viele von uns durchaus in Schwierigkeiten bringen könnten: „Wer bist du? Und warum tust du das, was du tust?“ Johannes schätzt sich ganz klar ein als Boten oder Vorläufer, als einen, um den es letztlich gar nicht geht. Er sieht sich als „die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!“ Und doch hat er nach dem Bild, das die biblischen Texte von ihm zeichnen, ein gutes Selbstbewusstsein. Er sieht sich als Teil eines größeren Ganzen, sieht seinen Platz und seine Bedeutung. Er will nicht der Messias sein, nicht die Welt retten – er nimmt seine Aufgabe an im Bewusstsein, dass er wichtig ist, einmalig und nicht zu ersetzen. Vielleicht kann er mit dieser Haltung auch für uns ein Vorbild sein – dass wir nicht alles erreichen und in der Hand und unter Kontrolle haben müssen, dass es aber trotzdem gut ist, dass es uns gibt, an dem Platz, an dem wir stehen.
Kirchenjahr/ Hintergrund:
3. Adventsssonntag „Gaudete“: Der Name des 3. Adventssonntags ist ein Programm – die rosa Farbe in der katholischen Liturgie steht dafür, dass „rosige Zeiten“ anbrechen, wenn Gott kommt. Diese Zeiten brauchen wir nicht zu verschieben auf „irgendwann“ oder auf die Ewigkeit, sondern wir können Gott kommen und da sein lassen – mitten in unserem Alltag, in dem Leid, das wir tragen müssen, in den Anforderungen unseres Berufs, in den kleinen und großen Freuden unseres Lebens und in der tiefsten Verzweiflung. Gott kommt. Gott ist da. Jedes Jahr und jeder Tag ist Begegnung mit Gott.
Wirkungsgeschichte:
Jesus bezieht die Verse Jes 61, 1-2a in seiner Antrittspredigt in Nazareth (Lk 4,16-21) auf sich. Die Perikope schildert damit auch das Wirken Jesu- und entsprechend in den Versen 10-11 die Antwort der neutestamentlichen Gemeinde auf sein Handeln.
Annette Schulze